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karten betrifft, so sind dafür hauptsächlich drei Aenderungen vorgenommen. Vom Bundesrathe kann für die Selbstversicherung und deren Fort setzung die Verwendung besonderer Quittungs karten vorgeschrieben werden. Jede Quittungs karte soll nicht mehr wie bisher Raum zur Auf nahme der Marken für mindestens 47 Beitrags wochen (dem Beitragsjahr), sondern für mindestens 52 Wochen (dem Kalenderjahr) bieten. Als Uebelstand wurde bisher empfunden, dafs diejenigen Arbeiter, welche ununterbrochen im Laufe eines Jahres gearbeitet hatten, nicht imstande waren, in ihrer Jahres-Quittungskarte für 52 Wochen Beiträge geklebt zu sehen. Diesem Uebelstande ist jetzt abgeholfen. Die dritte Aenderung betrifft endlich die Aufbewahrung der Quittungskarte in den Versicherungsanstalten. Diese sind befugt, den Inhalt von Quittungskarten desselben Ver sicherten in Sammelkarten (Conten) zu übertragen und diese an Stelle der einzelnen Urkunden auf zubewahren, die letzteren aber zu vernichten. Es ist damit Vorsorge getroffen, dafs nicht die Auf bewahrung der Quittungskarten zu grofse An forderungen an Räumlichkeiten stellt. Trotz des heftigsten Widerstandes der Industrie ist in die Versicherung ein neues Organ eingefügt, das der örtlichen Rentenstellen. Die In dustrie nahm Veranlassung, hauptsächlich gegen diese Neuerung Stellung zu nehmen, weil damit die Zahl der Institutionen vermehrt wird, welche der socialdemokratischen Agitation Vorschub leisten können. Bei den Krankenkassen und bei den Gewerbegerichten hat man diese Erfahrung bereits gemacht. Die Rentenstellen würden, wenn die Socialdemokraten dabei in ähnlicher Weise wie bei den Gewerbegerichten eingreifen, von ihnen genau so zu ihrer Propaganda benutzt werden können wie die letzteren. Das wollte die Industrie verhüten. Leider ist es ihr nicht ganz gelungen. Zwar hat der Reichstag bei den Rentenstellen den von den verbündeten Regierungen gewünschten obliga torischen Charakter beseitigt, ihn aber als facultativen belassen, und so ist es nun in das Belieben der einzelnen Landesregierungen gestellt, die örtlichen Rentenstellen zu errichten oder nicht. Hoffentlich wird von dieser Befugnifs kein Gebrauch gemacht, und bleibt die ganze Institution auf dem Papier. Die übrigen Organisationsänderungen unwesent licher Natur haben weder für Arbeitgeber noch für Arbeiter Wichtigkeit. Indefs darf nicht un erwähnt bleiben, dafs nunmehr auch im Gesetze der Anfang gemacht ist, die Arbeitgeber für ihnen erwachsende Zeitverluste einigermafsen zu ent schädigen. Das neue Gesetz bestimmt, dafs den am Orte wohnhaften Beisitzern der Rentenstellen aus dem Stande der Arbeitgeber unter Wegfall des Ersatzes für baare Auslagen ein Pauschbetrag für Zeitverlust durch das Statut zugebilligt werden kann. Damit ist der Anfang zu einer Neuerung gemacht, die sich wahrscheinlich im Laufe der Zeit noch mehr ausgestalten wird und vielleicht bei einer eventuellen nächsten 'Aenderung des Gesetzes weitere Berücksichtigung finden dürfte. Schliefslich soll noch erwähnt werden, dafs auch für den Uebergang vom alten auf den neuen Zustand für das Wohl der Arbeiter gesorgt ist. Es ist nämlich bestimmt, dafs An sprüche auf Renten- oder Beitragserstattungen, über welche zur Zeit des Inkrafttretens des neuen Gesetzes das Feststellungsverfahren noch schwebt, den Vorschriften des Gesetzes unterliegen, sofern letzteres für die Berechtigten günstiger ist. Wenn das neue Gesetz mit dem 1. Januar 1900 ganz in Kraft getreten sein wird, so wird zwar wiederum für die Arbeiterschaft Deutschlands manches gethan sein; es wird aber auch leider manche Neuerung Geltung erlangen, welche dem Interesse der Industrie zuwiderläuft.* , , K. Krause. * Die Minister des Innern sowie für Handel und Gewerbe haben eine Ausführungsanweisung zum neuen Invalidenversicherungsgesetz erlassen. Darin wird bestimmt, dafs als „weitere Communalverbände" in den Fällen der §§ 62, 82 Abs. 2 die Kreise, in den hohenzollernschen Landen die Oberamtsbezirke, in allen übrigen Fällen die Provinzialverbände und die Kreise, in den hohenzollernschen Landen der Landes- communalverband und die Oberamtsbezirke gelten. Als „Vertretungen weiterer Communalverbände“ kommen in Betracht für die Provinzial verbände die Provinzial- ausschüsse, für die Stadtkreise die Magistrate, für die Landkreise die Kreisausschüsse, für den Landes- Communalverband der hohenzollernschen Lande der Landesausschuls und für die Oberamtsbezirke die I Amtsausschüsse. Als „höhere Verwaltungsbehörden“ gelten die Regierungspräsidenten, für den Stadtkreis Berlin der Oberpräsident. Soweit es sich um die Genehmigung statutarischer Bestimmungen eines Pro vinzialverbandes handelt, tritt an die Stelle des Re gierungspräsidenten der Oberpräsident. „Untere Ver waltungsbehörden“ sind in Städten von mehr als | 10000 Einwohnern und in denjenigen Städten der | Provinz Hannover, auf welche die revidirte hanno- j versehe Städteordnung vom 24 Juni 1858 Anwendung findet, mit Ausnahme der im § 27 Abs. 2 der hanno verschen Kreisordnung vom 6. Mai 1884 benannten j Städte, die Gemeindebehörden, im übrigen die Land- räthe, in den hohenzollernschen Landen die Ober amtmänner. Unter „Gemeindebehörde“ ist der Ge meindevorstand, in selbständigen Gutsbezirken der Gutsvorsteher zu verstehen. Die Ausstellung und der Umtausch der Quittungskarten sowie die Ersetzung verlorener, unbrauchbar gewordener oder zerstörter Quittungskarten durch neue erfolgt durch die Orts polizeibehörden. In Ortspolizeibezirken, welche mehrere Gemeinden oder selbständige Gutsbezirke umfassen, sind die Ortspolizeibehörden mit Genehmigung des । Regierungspräsidenten befugt, die Wahrnehmung der bezeichneten Obliegenheiten den Gemeindevorständen (Gutsvorstehern) zu übertragen. Die Gemeinden wie die Kreisvorstände sind befugt, für die Wahrnehmung des Kartengeschäfts besondere Beamte zu bestellen. Die Geschäftsräume dieser Ausgabestellen müssen in Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern durch die Anbringung von Tafeln kenntlich gemacht werden. Ist bei Streitigkeiten der von dem Landrath oder dem Gemeindevorstand vertretene Communalverband 1 als Arbeitgeber betheiligt, so wird von dem Regierungs präsidenten, in Berlin von dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg, eine andere Behörde (Landrath oder Gemeindevorstand) mit der Entscheidung der Streitigkeit beauftragt. Anm. d. Red.