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Zu a. Die durch einen Gehalt an Kohlenstoff, Mangan, Silicium, Phosphor, Schwefel, Wolfram, Chrom, Nickel u. s. w. herbeigeführten Verände rungen in der Gefügebeschaffenheit des Eisens lassen sich durch alle Zustände desselben verfolgen. In zahl reichen Fällen ist man imstande, aus dem Vergleiche unter denselben Verhältnissen hergestellter Bruch flächen gehärteten und ungehärteten Stahles ver schiedener chemischer Zusammensetzung auf die An wesenheit und selbst auch auf die annähernde Menge bestimmter Begleitstoffe des Eisens zu schliefsen.* Zu b. Die beim Schmelzen des Tiegelstahls angewendeten Schmelztemperaturen, die Dauer des Ausschmelzens und der Verlauf der Erstarrung des gegossenen Blockes sind gleicherweise von Einflufs auf die Gefügebeschaffenheit des Stahles. Der Einflufs äufsert sich besonders kenntlich im gehärteten Zustande. (Verschiedener Grad von Zähigkeit an Stahl gleicher chemischer Zusammen setzung.) Inwieweit hierbei den meist nicht in Betracht gezogenen Einlagerungen chemischer Ver bindungen und Elemente als: Kohlenoxyd, Mangan oxydul, Kieselsäure, Eisenoxydul, Wasserstoff, Stick stoff, Sauerstoff u. s. w. ein bestimmender Einflufs eingeräumt werden mufs, ist unbekannt.** Zu c. Schwieriger, weil aus complicirten Ver hältnissen hervorgegangen, gestaltet sich die Be- urtheilung der aus der Gefügebeschaffenheit der Einsatzmaterialien abzuleitenden Erscheinungen, weil hierbei auch die unter a) und b) erwähnten Einflüsse in Betracht zu ziehen sind. Die praktischen Erfahrungen, welche man aus der langjährigen Verarbeitung bestimmter Einsatz materialien an den einzelnen Tiegelstahlfabriken gewonnen hat, und die Erfolge, welche man mit den Fabricaten daraus erzielte, rechtfertigen in erster Linie die Annahme, dafs sich die den Roh stoffen eigenthümliche moleculare oder Gefüge- Beschaffenheit auf den fertigen Stahl fortpflanzt und dafs dieser Umstand mit bestimmend für die Qualität desselben ist.*** * Die Einwirkung der einzelnen Begleitstoffe des Eisens auf den Härtegrad, die Farbe und den Glanz des Kornes bietet hierbei ebenso charakteristische Merkmale, als die bei der Herstellung der Bruch flächen wahrnehmbaren Erscheinungen wie: Form der Bruchflächen, Form und Verlauf der Bruchlinien und ähnliche Fliefserscheinungen u. s. w. * * Natürlich unter Ausschlufs der bekannten Er scheinungen der Blasenbildung, der Saigerungen, so wie sichtbarer Schlackeneinschlüsse u. s. w. * ** Diese Annahme scheint etwas dunkel; wenn man aber in Betracht zieht, dafs z. B. die Gefüge beschaffenheit weifsen Holzkohlenroheisens eine andere ist als von weifsem Koksroheisen gleicher chemischer Zusammensetzung, so geht man gewifs kaum fehl, wenn man z. B. Bessemerstahl eine andere Gefüge beschaffenheit zuschreibt, als Herdfrischstahl gleicher chemischer Zusammensetzung. Die Gefügebeschaffen heit des daraus hergestellten Tiegelstahls ist eine thatsächlich verschiedene, wenn überhaupt die physi kalische Beschaffenheit eines Stahls im gehärteten und ungehärteten Zustande eine Folge der Gefüge beschaffenheit desselben ist. Aus dem Vergleiche von Stahl, welcher aus verschiedenen Rohstoffen derart hergestellt wurde, dafs derselbe gleiche chemische Zusammensetzung erhielt, kann man Unterschiede in der Qualität des Stahles leicht erkennen. Die unter d) und e) erwähnten Ermüdungs erscheinungen charakterisiren sich stets durch eine Veränderung der Gefügebeschaffenheit des Stahls, welche sich in vielen Fällen auch an der Ver änderung des Grobgefüges erkennen läfst. Wenn durch die Ermüdung auch der Impuls zur Bildung von Gefügeelementen bestimmter Be schaffenheit verändert wurde, so charakterisirt sich dieselbe stets durch einen Energieverlust im Zu sammenhänge von Gefügegebilden höherer Ordnung oder vielleicht der Gefügeelemente selbst. Die Zerreifs-Festigkeitseigenschaften* im un gehärteten Stahl erfahren durch die Ermüdung nur dann wesentliche Veränderungen, wenn hierbei auch die chemische Zusammensetzung des Stahls geändert wurde. Dieser Umstand ist aber um so auffälliger, als der ermüdete Stahl bei der Be anspruchung auf Schlag und Stofs einen sehr wohl merkbaren Verlust an Festigkeit erkennen läfst. Im gehärteten Zustande ist der ermüdete Stahl sehr spröde, ja selbst mürbe. Die Gefüge- (oder moleculare) Beschaffenheit des Stahls ändert sich in um so kürzerer Zeit und um so vollkommener, je stärkerer Einwirkung von Wärme oder Kraft derselbe ausgesetzt war. Die Einwirkungen von Wärme und Kraft sind hierbei verschiedener Natur. Während durch die Einwirkung der Wärme die Beweglichkeit der Gefügeelemente erhöht und deren Zusammenlagerung zu Gefügegebilden höherer Ordnung in naturgemäfser Folge der Form und der Kräftewirkung der Gefügeelemente aufeinander herbeigeführt wird (es entsteht ein ganz natür licher Zustand), wird durch die mechanische Ein wirkung stets eine Zerstörung von Gefügegebilden höherer Ordnung, vermuthlich auch eine Ver änderung der Form der Gefügeelemente** herbei geführt. „Wenn Wärme und Kraft gleichzeitig zur Ein wirkung gelangen, so begegnen sich deren ver schiedene Einflüsse besonders energisch in jenem Augenblick, in welchem deren Einzelwirkungen zusammenfallen.“ Es entstehen dann Spannungen zwischen den Gefügeelementen, aus welchen die höhere Sprödigkeit des bearbeiteten und nicht ge glühten Stahls,*** im gehärteten und ungehärteten * In Bismarckhütte vorgenommene Untersuchungen an Stahl, welcher durch oft wiederholtes Härten er müdet wurde, lassen annehmen, dafs hierdurch die Festigkeit an der Bruchgrenze etwas erniedrigt, Elasticitätsgrenze und Dehnung etwas erhöht wird. ** Was dann eine Veränderung der Kräfteein- wirkung der Gefügeelemente aufeinander zur logischen Folge haben mufs. *** Bei welchem die Bearbeitung unterhalb Roth- gluth fortgesetzt wurde.