Volltext Seite (XML)
die Anwesenheit von graphitischem Kohlenstoff auch darauf, dafs das Massenschmelzen harten Stahls nicht so sehr einfach ist, vorausgesetzt, dafs man sich beim Ausschmelzen im thatsächlichen Härte grade desselben nicht geirrt hatte. * * * Die Kenntnifs der chemischen Zusammensetzung eines Werkzeugstahles und der zur Herstellung desselben verwendeten Rohstoffe bildet ein uner- läfsliches Hülfsmittel ebensowohl für die Fabrication, wie für die Beurtheilung der Güte und Eignung des Stahles. Dieselbe giebt jedoch keinen Auf- schlufs über die Gefügebeschaffenheit und die daraus abzuleitenden physikalischen Eigenschaften des Werkzeugstahles, dessen Eignung zu bestimmten Verwendungszwecken aber in höherem Grade von der Gefügebeschaffenheit abhängig sein kann, als von der chemischen Zusammensetzung. Aus der Praxis seien als Beleg hierfür jene zahlreichen Fälle hervorgehoben, in welchen ver schiedene Stahlgattungen gleicher chemischer Zu sammensetzung bei gleichartigem Gebrauche ganz verschiedene Eignung erkennen lassen, dann solche Fälle, in welchen Stahl von offenbar schlechterer chemischer Zusammensetzung beträcht lich bessere Leistungen gestattet, als Stahl von guter Zusammensetzung (und passender Härte) u. s. w. Im allgemeinen werden die, weder praktisch noch wissenschaftlich genügend untersuchten und bekannten Eigenschaften des Werkzeugstahles, welche lediglich aus einer bestimmten Gefüge beschaffenheit desselben abgeleitet werden können, einer besonderen, nicht definirbaren, also geheim- nifsvollen Beschaffenheit des Einsatzmateriales oder der Zuschläge zugeschrieben. Die Gefügebeschaffenheit des Stahles, sowie die Erscheinungen, welche eine Veränderung der selben begleiten, lassen sich am Stahle um so leichter und sicherer verfolgen, als eine vergleichende Untersuchung desselben in verschiedenen Zuständen möglich ist. Diese Untersuchungen bilden für den Tiegelstahlfabricanten ein wesentliches Hülfsmittel für die Beurtheilung der Qualität des Stahls und der Gontrole der Gleichmäfsigkeit derselben. Wie solche Untersuchungen z. B. auf steirischen Werken durchgeführt werden, ist in Nr. 1 Jahrgang 1895 der vorliegenden Zeitschrift beschrieben.* * Es ist natürlich, dafs bei den, fast ausschliefs- lieh auf Vergleichen basirenden praktischen Unter suchungsmethoden von Stahl, die Uebung, Erfahrung und Geschicklichkeit des Prüfenden für die Sicherheit der Beurtheilung mafsgebend ist, da die Wahr nehmungen, welche sich hierbei darbieten, eben nur in der Erinnerung festzuhaltende Momentbilder sind. Irrthümer sind daher nicht ausgeschlossen, doch sind die bei der praktischen Prüfung sich darbietenden Er scheinungen der Hauptsache nach so charakteristisch, dafs sie zur wissenschaftlichen Erklärung drängen und schliefslich zu exacten Untersuchungsmethoden führen werden. Die Zahl der Beobachtungen, welche sich aus dem Vergleiche verschiedener Stahlsorten in Bezug auf das Gefüge in den verschiedenen Zuständen und auf das physikalische Verhalten derselben schöpfen lassen, sind so grofs, dafs eine voll ständige Beschreibung derselben auch nicht an nähernd möglich ist. Es ist hierbei schwierig, das Zufällige in der Reihe der Erscheinungen vom Gesetzmäfsigen zu trennen und bestimmte Regeln daraus abzuleiten. Die im Folgenden in zwei bestimmte Gruppen gegliederten Annahmen lassen sich jedoch mit annähernder Sicherheit aus den Beobachtungen bei der Herstellung von Werkzeugstahl und bei dessen Verarbeitung ab leiten, denn dieselben treten hierbei scharf hervor, und sind für die Werkzeugstahlfabrication von so grofser Wichtigkeit, dafs dieselben nicht übersehen werden dürfen. Diese Annahmen sind: 1. Der Impuls zur Bildung von Gefügeelementen bestimmter Gröfse, Form und Zusammenhangskraft pflanzt sich durch alle Zustände des Stahls hin durch fort. 2. Ein bestimmter, durch gleichmäfsige Ein wirkung von Wärme oder Kraft an Stahl herbei geführter Zustand kann andauernd nicht erhalten werden, ohne eine Veränderung der Gefüge beschaffenheit desselben' zur Folge zu haben. Diese Erscheinung soll hier kurz als „Er müdung“ bezeichnet werden. Der unter 1. erwähnte Impuls zur Bildung von Gefügeelementen bestimmter Gröfse, Form und Zusammenhangskraft (wahrscheinlich bestimmt durch die Zahl der Atome, Molecüle oder primären Gefügetheile auf die Volumeneinheit) im Tiegel stahl, ist bei der Herstellung desselben abhängig: a) von der chemischen Zusammensetzung des Stahls, b) vom Einflüsse der Wärme und Abkühlung bei der Herstellung desselben, und c) von der Gefügebeschaffenheit des Einsatz materials und der zur Herstellung derselben dienenden Rohstoffe. Der einmal empfangene und im fertigen Stahl vorhandene Impuls kann unterhalb der Schmelz temperatur nur durch die Einwirkung von Wärme und von Kraft unter den Erscheinungen der Er müdung verändert werden, ohne dafs diese Ver änderung der Gefügebeschaffenheit auch eine Aenderung der chemischen Zusammensetzung un bedingt zur Folge haben mufs. Die unter 2. als Ermüdung bezeichnete Er scheinung ist abhängig: d) von der Höhe und Dauer der einzelnen Ein wirkung von Wärme oder von Kraft oder gleichzeitiger Einwirkung beider, und e) von der Anzahl einander folgender Einwir kungen derselben. Die Beobachtungen, auf welche sich die vor erwähnten Annahmen und deren Gruppirung stützen, sind der Hauptsache nach kurz folgende: