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Welt zu treten. Das Material, das zur Bearbeitung steht, ist so grofs, dafs es schwer ist, in wenigen Stunden eine genügende Uebersicht zu bieten. Ich mus auch uni Nachsicht bitten, da es mir immerhin schwer fällt, mich in der mir fremden Sprache mit der wünschenswerthen Deutlichkeit auszudrücken. Ich werde nicht versuchen, den Gang der Expedition zu beschreiben, denn das setze ich als etwas Be kanntes voraus, sondern ich werde Ihnen direct die gewonnenen Resultate vorlegen. Zuerst will ich auf die geographischen Gesichts punkte eingehen. Die Küste von Sibirien war die erste, die von unserer Expedition bereist wurde. Sie ist sehr stark von Fjorden durchschnitten mit äufserst zahlreichen vor ihr liegenden Inseln, ich möchte sie beinahe eine typische Glacialküste nennen. Die Strand bildung ist sehr flach, in kurzer Entfernung landein wärts erheben sich Gebirge, die wahrscheinlich von sedimentärem Gestein gebildet sind. Die nördliche Ausdehnung von den nordsibirischen Inseln, Franz Josephs-Land und Spitzbergen ist jetzt durch unsere Expedition festgestellt. Die nördlichen sibirischen Inseln gehen etwas weiter als bisher angenommen wurde, wie weit, kann nicht bestimmt gesagt werden. Es zeigte sich, dafs die „Fram" während des Herbstes ganz frei geblieben ist. Falls hier ein grofses Land gewesen wäre, wäre das unmöglich gewesen. Was die Ausdehnung des Franz Josephs-Landes anlangt, so ist sie nach der Westseite schon von der Jacksonschen Expedition festgestellt worden. Die nördliche Aus dehnung kann, wie gesagt, nicht sehr grofs sein, und ich glaube, dafs Petermann-Land, das von uns gar nicht gesehen wurde, eine ganz kleine Insel ist, denn das Eis wurde ganz leicht fortgetrieben, und wir haben hier etwas offenes Wasser gesehen. Die amerikanische Expedition, die in diesem Jahre zurückgekehrt ist, hat auch zwei grofse Inseln gefunden. Darüber habe ich noch nichts Näheres gehört. Franz Josephs-Land hat eine sehr vulkanische Formation, es besteht haupt sächlich aus Basalt. Wir sehen das Land zumeist von Gletschern, Eis und Schnee bedeckt, nur an einzelnen Stellen ragen schwarze Steine durch das Eis empor. Es ist deshalb von der Ferne aus sehr schwer zu sehen, weil es ganz wie weifse Wolken ausschaut. Die Küste ist ziemlich niedrig. Im süd lichen Franz Josephs-Land hat die Jackson-Expedition gefunden, dafs unter dem Basalt eine Thonformation von ungefähr 600 Fufs Tiefe vorhanden ist, in welche lose Steine oder Knollen eingebettet sind, die von versteinerten Thieren herrühren. Diese Versteinerungen gehören auch zur Juraformation, wie denn das ganze Franz Josephs-Landgebiet wahrscheinlich nichts An deres als eine späte Jurabildung vorstellt. In ver schiedenen Zeichnungen zeigt Redner versteinerte Pflanzen, z. B. Pinusfrüchte und das Blatt einer unter gegangenen Pflanzenart. Das Vorkommen dieser Flora scheint darauf zu deuten, dafs hier früher gröfsere Wärmegrade herrschten als jetzt. In einer schema tischen Zeichnung der einzelnen Formationen (Gletscher, Basaltbänke, dünne Schichten von Pflanzenfossilien und eine Strandbildung, die nicht bestimmt werden kann) erläutert Nansen die geologischen Verhältnisse dieses vordem als terra incognita geltenden Landes. Die bei weitem wichtigste Entdeckung auf geogra phischem Gebiete beruht unstreitig darin, dafs die Polarregion ein grofses, ausgedehntes tiefes Meer ist. Die Lothungen waren, da die Expedition nicht darauf vorbereitet war, solche Tiefen vorzufinden, sehr schwer und es mufsten erst neue Apparate auf der „Fram“ hergestellt werden. Alle Mann an Bord mufsten bei springen, um diese lange Lothleine heraufzuziehen. Soweit waren wenigstens diese Arbeiten bequem vor zunehmen, als Platz genug auf dem Eis vorhanden war. Die gröfste Tiefe, die wir gemessen haben, ist 3850 in. Vermöge des Verfahrens, das wir uns con- struirten, sind wir sicher, dafs unsere Messungen wenigstens auf etwa 50 m stimmten. Wir wissen also ziemlich genau, wie tief das Polarbecken ist, aber leider kennen wir dessen Ausdehnung nicht. In der letzten Zeit konnten wir nicht viele Lothungen machen, zumal wir fürchten mufsten, die Apparate zu verlieren. Bei 3000 m haben wir nie Boden ge funden. Bei Spitzbergen fanden wir wieder flache See. Wir haben eine Brücke von Spitzbergen nach Grönland, eine submarine Brücke, welche ungefähr 800 bis 900 m tief sein mufs, so dafs also die grofse Tiefe des Polarmeeres nicht in directer Verbindung mit der grofsen Tiefe des nordatlantischen Meeres steht. Es ist eine besondere geschlossene Einsenkung. Ich glaube, dafs diese grofse Einsenkung vielleicht auch aus der Jurazeit stammt, dafs sie zu derselben Zeit entstanden ist, wie die grofsen Ausflüsse von Franz Josephs-Land, von Spitzbergen, Karls-Land. Wir haben auf dem Boden Proben gefunden, welche jetzt untersucht sind; es hat sich, was ich schon so fort annahm, bestätigt, dafs diese Proben ungewöhn lich wenig organische Substanzen enthalten, Kohlen säure ist nur 1/2 bis 1 % da. Es existirt kein anderer Boden, der so wenig Kalk enthält; weiter westlich wird der Kalkgehalt etwas gröfser, er beträgt un gefähr 11/2 %, aber sofort steigt dessen Höhe bis zu 4,6 %, weiter nördlich sogar bis zu 20, 40 und 50 %. Es handelt sich hier um Schalen von Kalkthieren. Das Meer enthält sehr wenig organisches Leben dieser Art. Unsere Bodenproben enthalten merkwürdig viel Mangan. Ueber dem Polarmeer haben wir auch Pendelbeobachtungen gemacht. Das Eis ist ein aus gezeichneter Boden für wissenschaftliche Forschungen. Im Sommer, wenn das Eis zerbrochen ist, lassen sich die Beobachtungen allerdings nicht so leicht anstelien. Auf zehn verschiedenen Stellen haben wir die Schwere durch Pendelablesungen bestimmt. Zwei davon sind besonders gut ausgefallen, die eine Ende April 1896 auf dem 84., die andere im November 1895 auf dem 85. Grad. Die Herren wissen, dafs man auf Grund früherer Beobachtungen angenommen hat, dafs die Schwere über dem Meere gröfser sei. Es zeigt sich aber, dafs die Schwere über dem Polarmeer jedenfalls ganz normal ist. Professor Schötz in Christiania hat berechnet, dafs die Beschleunigung der Schwere auf dem 86. Grad 9,83168 ist, die normale Beschleunigung soll aber absolut dieselbe sein. Auf dem 84. Grad haben wir eine Beschleunigung von 9,83128, die nor male sollte sein 9,83136, — also eine ganz geringe Differenz. Das Polarmeer selbst ist ja schon bekannt; es ist von einer grofsen Eisfläche bedeckt, welche überall nördlich vom 77. und 78. Grad gefunden wird. Die Trift dieses Eises war es ja, welche von unserer Expedition benutzt werden sollte. Meine ursprüng liche Theorie ging bekanntlich dahin, dafs das Eis von den neusibirischen Inseln weggetrieben werden soll. Das Eis wird aber nicht in einer geraden Linie getrieben, es entstehen vielmehr viele Krümmungen. Der ganze Weg, den die „Fram“ in der Zeit vom 24. September 1893 bis 30. September 1895 im Eise zurückgelegt hat, wurde auf 1490 Seemeilen berechnet. Während dieser Zeit haben wir aber nur 380 See meilen vorwärts gemacht. Die schlimmste Zeit war die vom 14. Mai bis 27. August 1894, da haben wir insgesammt 306 Seemeilen zurückgelegt, sind aber nur 8 Seemeilen vorwärts gekommen. Im anderen Jahre ist es ungefähr ebenso geblieben. Im Sommer ist es immer am schlimmsten gewesen, das Eis wird geschmolzen und nimmt dann verschiedene Formen an, theils infolge des Einflusses des warmen Golf stromwassers, theils unter dem Einflufs der Sonnen strahlen. Man kann das Alter der Eisberge an ver schiedenen Markirungen ersehen. Im Winter steckte die „Fram“ vollständig im Eise und zwar so, dafs die Eismassen die Bordhöhe erreichten. Im Sommer