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zu sehen wünscht. (Lebhafte Zustimmung.) General- secretär Bueck-Berlin macht auf die Wichtigkeit der Zolltarifschemas aufmerksam; bei sämmtlichen Unter- abtheilungen seien Sachverständige zu hören, was das Reichsammt des Innern zugesagt habe. (Lebhafter Beifall.) Director Majert-Siegen berichtet darauf über den vom „Verein deutscher Ingenieure“ aufgestellten Entwurf: „Grundsätze und Anleitung für die Unter suchungen an Dampfkesseln und Dampfmaschinen zur Ermittlung ihrer Leistungen“ und empfiehlt die Annahme dieses Entwurfs mit Hinzufügung einer Be stimmung betreffend die Wärmebilanz der Dampf maschinen und unter Stellungnahme zu den Anträgen, welche auf eine Erhöhung der Dampfgarantie hin zielen. Dieser Antrag findet einstimmige Annahme. Baurath Ri epp el-Nürnberg bespricht die Aufstellung von Sonderlieferungsbedingungen für Dampfmaschinen, worauf die aufserordentlich anregend verlaufenen Verhandlungen durch den Vorsitzenden geschlossen werden. 71. Versammlung deutscher Natur forscher und Aerzte zu München. Wie auf der vorjährigen Versammlung in Düssel dorf beschlossen wurde, fand die diesmalige Zusammen kunft der deutschen Naturforscher und Aerzte in der Zeit vom 17. bis 23. September in München statt. Die erste allgemeine Sitzung wurde im königl. Hof theater abgehalten. Die dichtgedrängte Menge — das Hoftheater hat wohl kaum je ein solch „ausverkauftes“ Haus aufzuweisen gehabt —, in der das auswärtige Element überwiegend vertreten war, bewies deutlich, dafs München nicht blofs als Kunststadt, sondern auch als Stätte in naturwissenschaftlicher und medicinischer Forschung starke Anziehungskraft ausübt. Vom Hofe waren erschienen Prinzessin Therese, Prinzessin Ludwig Ferdinand, Prinz Rupprecht, Prinz Alfons und Dr. med. Prinz Ludwig Ferdinand, letzterer sowohl in Ver tretung des Prinz-Regenten als auch in seiner Eigen schaft als erster Ehrenpräsident der Versammlung. Der zweite Ehrenpräsident, der ebenso wie Prinz Ludwig Ferdinand schon lange Jahre als erprobter Arzt im Dienste der leidenden Menschheit thätige Herzog Karl Theodor, war durch Krankheit am Er scheinen verhindert. Als Ehrengäste waren anwesend: Cultusminister Dr. v. Landmann als Vertreter der Regierung, Erster Bürgermeister v. Borscht mit Com- merzienrath Seyboth, Vorstand des Gemeindecollegiums, beide als Vertreter der Stadt und der Gemeindebehörden, Prorector Prof. Dr. Heigel von der Ludwig-Maximilians- Universität, Geh. Rath Director v. Hoyer vom Poly technikum, Präsident der königl. Akademie der Wissen schaften Prof. Dr. v. Zittel, Geh. Rath Prof. Dr. F. v. Winckel, Wirkl. Geh. Admiralitätsrath Prof. Dr. Neu mayer aus Hamburg, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Virchow aus Berlin, Geh. Rath Prof. Dr. v. Esmarch- Kiel, Geh. Rath Prof. Dr. v. Bergmann-Berlin u. a. m. Wenige Minuten nach 11 Uhr eröffnete der erste Geschäftsführer der Münchener Versammlung, Geh. Rath v. Winckel, die Festversammlung mit einer Be- grüfsungsrede, in welcher er die Bedeutung der Natur forscher- und Aerzteversammlungen darlegte und die er mit einem Hoch auf Se. königl. Hoheit den Prinz regenten Luitpold von Bayern und Se. Majestät den Deutschen Kaiser und König von Preufsen, Wilhelm II, schlofs. Mit aufrichtiger Begeisterung fand das Hoch der vieltausendköpfigen Versammlung seinen Wieder hall in den mächtigen Räumen. Sodann erhob sich Prinz Ludwig Ferdinand zu folgender An sprache : Hochverehrte Anwesende! Herzlichen Dank für die schönen einleitenden Worte, die der Hr. Geheim- rath Dr. v. Winckel an uns gerichtet hat. Ich habe vor allem im Allerhöchsten Auftrag meines aller gnädigsten Oheims, Sr. königl. Hoheit des Prinzregenten an die Versammlung die Allerhöchsten Grüfse zu überbringen. Se. königl. Hoheit der Prinzregent haben stets dem Aufblühen der Wissenschaft und der Kunst das allergröfste Interesse entgegengebracht. Darum ist es Allerhöchstdemselben auch eine grofse Freude, Sie hier in seiner schönen Haupt- und Residenzstadt versammelt zu wissen. Leider ist es meinem lieben Vetter Herzog Karl Theodor wegen Unwohlseins nicht vergönnt, an dieser schönen Festfeier theilzunehmen. Er hat mich be auftragt, sein Nichterscheinen bei Ihnen zu entschul digen und seinen wärmsten Dank und seine besten Grüfse auszusprechen. Er bedauert heute lebhaft, nicht in unserer Mitte sein zu können. Mir aber gereicht es zur grofsen Freude, Sie zu gleich als geehrte Coliegen begrüfsen zu können. Zahl reich sind Sie erschienen; viele haben eine weite Reise nicht gescheut, um hier in unserm lieben München im Dienste der Wissenschaft zusammenzukommen. M. H.l Gehen wir jetzt frisch an die Arbeit. Hiermit erkläre ich die Sitzung und den Congrefs für eröffnet. Auch diese herzlichen Begrüfsungsworte wurden mit langanhaltendem Beifall entgegengenommen, worauf Cultusminister Dr. v. Landmann namens der königl. bayer. Staatsregierung die 71. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Bayerns Haupt stadt herzlich willkommen hiefs. Bürgermeister v. Borscht überbrachte unter jubeln dem Beifall namens der Stadt das „Willkommen in München“. Seitens der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften richtete deren Präsident Geh. Rath Prof. Dr. v. Zittel Worte der Begrüfsung an die An wesenden. Es sprach hierauf der Prorector der Münchener Universität, Prof. Th. v. Heigel. Namens der Technischen Hochschule sprach Geh.-Rath Prof.v. Hoyer. Damit waren die Begrüfsungsreden beendet. Der Vorsitzende des Congresses, Wirkl. Geheimer Admirali tätsrath Dr. Neumayer, wies noch in kurzen, markigen Worten auf den Wandel hin, der im Laufe der Zeit bezüglich der Verhandlungen der Versamm lung eingetreten ist. Einen weiteren Wandel in der Naturforschung selbst brachte der politische Auf schwung Deutschlands. Jetzt werden deutsche Ex peditionen hinausgesandt zur Erforschung der Tief see, zur Mitwirkung in der internationalen Polar forschung u. s. w. In den deutschen Colonien hat sich ein neues Feld für naturwissenschaftliche Arbeit gebildet. Redner gedachte dann in warmen Worten des kürzlich verstorbenen Bunsen und wies auf die Feier des 150jährigen Geburtstags Goethes hin, in dem er hervorhob, welch hohe Bedeutung gerade grofse Naturforscher Goethe beimessen. Von stürmischem Beifall der imposanten Ver sammlung begrüfst, trat nunmehr Dr. Fridtjof Nansen, der kühne Nordpolforscher, auf den sich das Hauptinteresse des Tages concentrirte, auf die Rednertribüne. Er führte in seinem Vortrage, der durch eine Reihe äufserst anschaulicher Projections- bilder erläutert wurde, etwa Folgendes aus: Es mag etwas gewagt sein, wenn ich jetzt einen Versuch machen soll, eine Uebersicht über die wissen schaftlichen Resultate unserer Expedition zu geben. Die Resultate sind nämlich noch nicht genügend be arbeitet, um sie gut zu übersehen. Da aber die Ein ladung durch unsern hochverehrten Herrn Präsidenten Neumayer an mich kam, konnte ich nicht »nein« sagen, zumal ja die Gelegenheit eine äufserst günstige war, in directe Fühlung mit der deutschen wissenschaftlichen