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völligen Unterjochung der anders denkenden Arbeits willigen ; für diese vernichtet sie die Freiheit der Arbeit mit Stumpf und Stiel und setzt an Stelle der Coalitionsfreiheit den Coalitionszwang. Am meisten vorgeschritten in straffem Zusammenhang im Sinne der Agitatoren sind zur Zeit die Maurer verbände. Sie sind völlig in den Händen der Agitatoren, und diesen selbst ist jedes Mittel recht, um die übrigen, noch aufserhalb der Verbände gebliebenen „freien“ Arbeiter durch Zwang aller Art zu unterjochen und zum Beitritt und zur Entrichtung von tributähnlichen Kassenbeiträgen zu nöthigen. Die Agitatoren mafsen sich an, die Neubauten zu controliren, wozu besondere Vertrauensmänner angestellt werden. Finden diese einen Maurer, der keine Parteipapiere aufweisen kann, so wird einfach an den Bauherrn die For derung gestellt, den Mann zu entlassen, und ihm erklärt, im Weigerungsfälle würde die Arbeit niedergelegt und die Arbeitssperre über den Bau verhängt werden. Der Bauherr kennt nun viel leicht den „freien“ Arbeiter als tüchtig und fleifsig, dieser Arbeiter ist auch vielleicht Familienvater und auf den Ertrag seiner Arbeit dringend an gewiesen: thut nichts, die Agitatoren und ihr von ihnen bereits unterworfener Anhang bestehen rück sichtslos auf ihren Schein: entweder tritt der „freie Arbeiter“ zu ihrem Zwangsverbande über oder er mufs von dem Bauherrn aus Arbeit und Brot entlassen und auf die Strafse gesetzt werden. Der Bauherr selbst aber weifs genau, dafs er grofse Verluste hat, wenn jetzt die Arbeit bei ihm niedergelegt und der Bau ge sperrt wird. Zähneknirschend fügt er sich dem Zwange der Verhältnisse und entläfst den Arbeiter, dessen ganzes Verschulden darin bestand, dafs er sich der Gewaltherrschaft der Arbeiterführer nicht beugen wollte. Der Entlassene aber findet nur schwer anderswo Arbeit. Ueberallhin wirkt die Ueberwachung durch den Verband, und überall stöfst der Arbeitswillige auf die gleichen widrigen Verhältnisse. Fügt sich indessen der Bauherr nicht den unverschämten Anforderungen der Agi tatoren, erklärt er, dafs es sein gutes Recht sei, auf seiner eigenen Arbeitsstelle und für sein eigenes Geld Arbeiter einzustellen und zu beschäftigen nach seinem Belieben, sagt er, dafs er sich darin von Andern keine Vorschriften machen lasse, so wird die Bausperre folgendermafsen verhängt: „Streik posten besetzen die Strafsenenden. Jeder Arbeits willige der zum Bau will, wird aufgeschrieben. Er weifs nun, dafs sich die Streikenden bei nächster Gelegenheit an ihm rächen werden. Weil er dies weifs, arbeitet er nicht, und deshalb genügen ein paar Streikposten, um den ganzen Bau zu sperren. Auch sonst wird jedem „freien“ Arbeiter das Leben durch Stichelreden und Quälereien seitens der Ge nossen nach Möglichkeit sauer gemacht, und so werden die Leute in die Fachvereine hinein gezwungen. Wo bleibt hier die Coalitionsfreiheit, die der Staat seinen Arbeitern gewährleisten will? Was hat der Staat bisher gethan, um die wahre Coalitionsfreiheit zu schützen. Bis jetzt müssen sich sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeiter dem Coalitionszwange ohne weiteres fügen, wenn er nur nicht mit zu grobfälligen Mitteln ins Werk gesetzt wird. Es ist an der Zeit, dafs der Staat die Arbeiter vor einem solchen Zwange in wirksamer Weise schützt, damit die unter dem Drucke der Arbeiterführer leidenden Arbeiter nicht muthlos werden und sagen: Der Staat kann uns nicht schützen, es bleibt uns also nichts weiter übrig, als uns den Zwangsverbänden und ihren Führern zu verschreiben. Das ist der springende Punkt der ganzen Frage: wenn der Staat und die bestehende Rechtsordnung sich nicht mächtig und thatkräftig genug erweisen, um unbekümmert um theoretische Bedenken in diesen praktischen Fragen des täglichen Lebens die jetzige terroristische Kampfweise der Agitatoren durch ausgiebige und brauchbare Strafbestimmungen unschädlich zu machen, dann werden die schutz losen Arbeiter aufhören müssen, zum Staat zu halten und sich insgesammt unter das Parteijoch der Gegner der jetzigen Staatsordnung beugen. Ist es jetzt doch schon so weit gekommen, dafs die Arbeiterfühger die Arbeiter nicht nur zwingen, sich zu coaliren, sondern dafs sie sich sogar darüber die Bestimmung anmafsen, welcher Coalition die einzelnen beizutreten haben.“ M. H., diesem Zwange kann sich die bürger liche Gesellschaft nicht beugen, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Der Schutz der Arbeits willigen gegenüber dem Coalitionszwange ist eine Aufgabe, an der alle staatserhaltenden und wirk lich arbeiterfreundlichen Kreise mit dem gröfsten Eifer und mit allem Ernste mitzuhelfen bestrebt sein sollten. Thun Sie das auch, m. H., und nehmen Sie den nachfolgenden Beschlufsantrag möglichst einstimmig an. „Die Hauptversammlung des Vereins der deutschen Eisengiefsereien erklärt strenge Be stimmungen bezüglich des Schutzes der Arbeits willigen für nothwendig, weil die terroristischen Elemente an die Stelle der Coalitionsfreiheit den Coalitionszwang setzen, der mit der Wahrung der individuellen Freiheit und mit der Aufrecht erhaltung der öffentlichen Ordnung unverträglich ist. Unter voller Wahrung der Coalitionsfreiheit mufs dieser Terrorismus durch gesetzgeberische Mafsnahmen im Interesse des deutschen Arbeiters, des deutschen Arbeitgebers und der deutschen Arbeit bekämpft werden, und die Hauptver sammlung spricht die zuversichtliche Erwartung aus, dafs der Deutsche Reichstag in seiner Herbsttagung zu derartigen geeigneten gesetz geberischen Mafsnahmen seine Mitwirkung nicht versagen werde.“ (Lebhafter, langanhaltender Beifall!) Der Be schlufsantrag wird einstimmig angenommen.