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15. October 1899. Der Schutz der Arbeitswilligen. Stahl und Eisen. 973 barkeit der Lagermetalle aus. Verzögert man die Erstarrung durch Einsetzen eines zur beginnenden Rothgluth erhitzten eisernen Bolzens, so erhält man ungemein grobkörnig-krystallinisches Gefüge bei wenig Grundmasse, deren Härte noch unter der des Bankazinns liegt. Künstlich beschleunigte Erstarrung ertheilt dagegen z. B. dünnen Platten auffällige Glätte, Steifheit, gröfsere Härte, fein körnigen Bruch und helle Resonanz (beim An schlägen) ; die Ausscheidung von Kry stall würfeln ist in solchen Massen ganz unterdrückt und die von Bronzenadeln eingeschränkt. Bei normalem Gefüge, das man bei Güssen um einen auf 100° erwärmten Kern erhält und das die Tauglichkeit als Achsenlager bedingt, sind sowohl die Bronze nadeln als auch die weifsen Würfel gut, aber nicht ungewöhnlich grofs ausgebildet, so dafs zwischen Würfeln von 0,18 bis 0,24 mm Gröfse noch viele kleinere (von 0,03 bis 0,08 mm) liegen. Heifsgelaufene Lager besitzen vorzugs weise entweder die an Krystallbildungen arme, auf überschnelle Erstarrung deutende Structur, oder sie zeigen eine auffällige Anhäufung un gewöhnlich grofser Krystallwürfel neben einigen Hohlräumen und Oxydeinschlüssen. Dieser an Krystallen reiche Bestand ist aber, wie die Ver suche lehrten, ein secundärer, erst durch die hohe Temperatur beim Heifslaufen erzeugter, indem bei solcher, und zwar meist unter Austropfen des Zinns, eine Rekrystallisation der abgeschreckten Metallmasse eintritt. Doch können natürlich bei übergrofser Belastung auch die Lager von anderem Gefüge heifs laufen, insbesondere leicht die wegen verzögerter Erstarrung grobkrystallinischen. Mög lichst hintangehalten wird das Heifslaufen durch Glätte der Achse bei Unebenheit der Lauffläche, deren regellos vertheilte kleine Vertiefungen eine gleichmäfsige, ununterbrochene Schmierung sichern und zugleich den Metallflitterchen, die der Cen- trifugalkraft folgend von der Achse fortgetrieben werden, Ablagerungsräume bieten, so dafs die Achse in nahezu reinem Oele läuft. 0. L. Der Schutz der Arbeitswilligen. Von Dr. Wilhelm Beumer.* M. H., der Gesetzentwurf, betreffend die Rege lung des gewerblichen Arbeitsverhältnisses, hat ein sehr merkwürdiges Schicksal gehabt. Angekündigt durch das kaiserliche Wort in Bielefeld: „Schutz der nationalen Arbeit aller productiven Stände und Kräftigung eines gesunden Mittelstandes, rück sichtslose Niederwerfung jedes Umsturzes und die schwerste Strafe dem, der sich untersteht, einen Nebenmenschen, der arbeiten will, an freiwilligem Arbeiten zu verhindern“, und das andere in Oeyn hausen: „Der Schutz der deutschen Arbeit, der Schutz desjenigen, der arbeiten will, ist von mir im vorigen Jahre in der Stadt Bielefeld feierlich versprochen worden; das Gesetz naht sich seiner Vollendung und wird den Volksvertretern in diesem Jahre zugehen, worin Jeder, er möge sein, wer er will, und heifsen, wie er will, der einen deut schen Arbeiter, der willig wäre, seine Arbeit zu vollführen, daran zu hindern versucht oder gar zu einem Streik anreizt, mit Zuchthaus bestraft werden soll“, liefs der Gesetzentwurf selbst so lange auf sich warten, dafs er schon unter dem Hohn der ihm abholden Parteien zu leiden hatte, bevor er noch erschienen war. Und als er schliefslich dem bereits in der „Ferienstimmung“ befindlichen Reichstage vorgelegt wurde, da fiel man unter * Vortrag, gehalten in der XXXI. Hauptversamm lung des „Vereins deutscher Eisengiefsereien" zu München am 26. September 1899. Anklammerung an die Bestimmungen des § 8: „ist infolge des Arbeiterausstandes oder der Ar beiteraussperrung eine Gefährdung der Sicherheit des Reiches oder eines Bundesstaates eingetreten oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder das Eigenthum herbeigeführt worden, so ist auf Zuchthaus bis zu 3 Jahren, gegen die Rädels führer auf Zuchthaus bis zu 5 Jahren zu erkennen,“ in der links stehenden Presse und in Versamm lungen derartig über die „Zuchthausvorlage“ her, dafs man den eigentlichen Kernpunkt der Sache, den wirksamen Schutz der Arbeitswilligen, völlig aus dem Auge verlor und nur noch von der Ver letzung der Coalationsfreiheit und der Gewifsheit des Zuchthauses für coalirte Arbeiter redete. Nicht sehr erbaulich hatte sich die Behandlung der Vor lage im Reichstage gestaltet; man wollte der Vorlage keine Gommissionsberathung gönnen, für die nur die conservativen Parteien zu haben waren. Von der nationalliberalen Partei kam nur Herr Bassermann zum Wort und verurtheilte, ob wohl innerhalb der Fraction niemals festgestellt worden ist, dafs die Mehrheit derselben gegen die Gommissionsberathung sei, und obwohl bei der betreffenden Abstimmung im Plenum von den 24 anwesenden Nationalliberalen nur genau die Hälfte gegen die Gommissionsberathung stimmte, ich sage, Hr. Bassermann verurtheilte die Vorlage in einer Weise, die Ihnen Allen noch genügend in