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15. October 1899. Zur Jubelfeier der Technischen Hochschulein Berlin-Charlottenburg. Stahl und Eisen. 951 während der Aufregungen des Jahres 1848 eine Aenderung der Einrichtungen an der Schule be antragten, welche jede freie und künstlerische Ent wicklung hemmten und nur gegeben schienen, um die angehenden Architekten schon in der Studien zeit an den Zwang der Bureaukratie zu gewöhnen. Im Sommer 1848 übernahm Oberbaudirector Schmid die Leitung der Anstalt, erkrankte aber bald, worauf die Geheimen Oberbauräthe Severin, Busse und Heegen die Directorialgeschäfte führten. Am 1. August 1849 wurde zugleich mit der Be rufung Busses als Director der Name „ Bau akademie“ wiederhergestellt und zugleich ein neues Statut veröffentlicht, kraft dessen die Auf nahmebedingungen erhöht, nämlich das Abiturienten- Examen an einem Gymnasium oder einer höheren Realschule gefordert, und Bauführer-, sowie Bau meisterprüfung eingeführt wurden. Im Jahre 1855 traten nochmals Veränderungen im Prüfungswesen ein. Die Frequenz der wiederhergestellten Bau akademie hob sich beträchtlich. Sie betrug im Wintersemester 1849/50 bereits 313 Studirende und erreichte für diese Periode ihre höchste Ziffer 1859/60 mit 547 Studirenden. Auf Busse folgte 1866 bis 1873 das Directorat Grund, 1873 bis 1877 das Directorat Lucae, letzteres in seinen Anfängen dadurch bemerkens- werth, dafs mit der Trennung der bisherigen Ver bindung von Bauakademie und technischer Ober baudeputation im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zum erstenmal der Director aus der Lehrerschaft hervorging. 1875 wurde in Verfolg dieser Aenderung dem Lehrkörper eine collegialische Organisation gegeben. Die Scheidung des Studienganges für Hochbau und Ingenieur wesen fand, wie schon bei den Prüfungen, so jetzt auch im Unterrichtsplan thatsächliche Durch führung. Unter dem Luca eschen Directorat er langten die auf Vereinigung der Bau- mit der Gewerbeakademie gerichteten Absichten zuerst greifbare Gestalt in dem Plan der räumlichen Vereinigung beider in einem in Charlottenburg zu erbauenden neuen Gebäude. Den Plan des gegen wärtigen Prachtbaues hat Lucae noch selbst ent worfen. Denselben auszuführen, verhinderte ihn der Tod (November 1877). Hitzig und nach dessen Tode Raschdorff, welcher den Bau 1884 vollendete, nahmen dann noch einige Abänderungen an dem Lucaeschen Entwürfe vor, ohne den Charakter desselben im wesentlichen zu verändern. An dem Verschmelzungswerk der Bauakademie mit dem jüngeren Schwesterinstitut hat Lucaes Nach folger Professor Hermann Wiebe einen grofsen An theil gehabt. Er war der letzte Director der Bau akademie und der erste Rector der technischen Hoch schule, als diese am 1. April 1879 ins Leben trat. Die Geschichte der Gewerbeakademie hat einen in der Hauptsache der Entwicklung der Bauakademie parallelen Verlauf genommen. Der Thatkraft und Umsicht des mit Recht als Pfadfinder für die Industrie Preufsens bezeichneten Wilhelm Beuth, seit 1819 Vorsitzender der Gewerbedeputation im Handelsministerium, war es zu verdanken, dafs im Beginn des Jahres 1821 die königliche Ge nehmigung zu einer „technischen Schule“ auf Grund eines von Beuth eingereichten Organisations planes ertheilt wurde. Zugleich konnte derselben ein vom Handelsministerium erstandenes Grund stück in der Klosterstrafse überwiesen werden, das nach mehrfachen Zukäufen während 63 Jahren die Heimstätte der Lehranstalt geblieben ist. Ent sprechend den oben dargelegten, auf das Praktische gerichteten Absichten Beuths war diese Schule anfänglich kaum etwas mehr, als eine Hand werkerschule für Knaben von 12 bis 16 Jahren, die unmittelbar nach Absolvirung einer Elementar schule hier eintreten konnten. Die Eröffnung er folgte am 1. November 1821 mit 13 Schülern. Schon 1822 wurde eine obere Klasse, 1826 eine „Suprema“ hinzugefügt, 1827 die Benennung „Ge werbeinstitut“ gewährt. Damals waren noch alle Schüler Stipendiaten. Mehrere beträchtliche Stif tungen waren der Lehranstalt zugefallen, die trotz ihres sparsam zugemessenen Budgets Erweiterungen der Stipendienverleihungen und die Gewinnung vorzüglicher Lehrkräfte gestatteten. Beuths Ver dienste um diese seine Lieblingsschöpfung, aus der viele später in hervorragenden Stellungen thätige Techniker hervorgingen, ist unbestritten; allein sein Abgang hatte 1845 auch für das Gewerbeinstitut dieselben günstigen Folgen, wie sie oben die Bauakademie betreffend dargelegt sind. Die folgenden Directorate von Pommer- Esche, v. Carnall und Egen waren Uebergänge. Als Reformer, wenn auch zunächst nur in bescheidenem Umfang, erschien am 1. October 1849 Director Druckenmüller in der Leitung des Gewerbeinstituts, der bis 1856 die Geschäfte führte und die grundstürzenden Aenderungen vorbereiten half, welche unter Director Nottebohm (1857 bis 1868) zur Einführung gelangte. Als solche dürfen gelten: der Bruch mit dem System des unent geltlichen Unterrichts, die Erweiterung des Lehr plans, die Verschärfung der Aufnahmebedingungen (Abiturientenexamen) und die Verleihung des aka demischen Charakters an die Lehranstalt durch Gewährung des Titels „Gewerbeakademie“ (1866). Nottebohms Nachfolger, Director Reuleaux (1868 bis 1879), war zugleich der erste aus dem Lehrer collegium hervorgegangene Leiter der Gewerbe akademie und deren letzter Director vor ihrem Aufgehen in der technischen Hochschule. Unter ihm wurde am 1. November 1871 die neue Ver fassung der Lehranstalt eingeführt, deren Grund züge oben in der Entwicklungsgeschichte der Bau akademie erwähnt sind. Auch Director Reuleaux hat gleich dem letzten Leiter der Bauakademie ein grofses Verdienst an der Verschmelzung beider Anstalten zur gegenwärtigen Alma mater der „Technischen Hochschule“.