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In nächster Nähe der Stadt mufs sich die Milch- wirthschaft und der Gemüsebau entwickeln, müssen diejenigen Erzeugnisse hervorgebracht werden, welche eine längere Transportdauer nicht ver tragen. Ich schicke voraus, dafs dies Buch zu einer Zeit geschrieben ist, in der es noch keine Eisenbahnen gab. Dieser Kreis der sogenannten Kräuterdörfer im Umkreis grofser Städte, in dem Milchwirthschaft und Gemüsebau und der Anbau von Futterpflanzen, Klee u. s. w., um das Milch vieh zu ernähren, geboten war, machte die Stall- Fütterung zur unbedingten Nothwendigkeit, und der Dungbezug aus der Stadt ermöglichte die intensivste Wirthschaft. Es trat ferner hinzu der Anbau von Speisekartoffeln für den Consum der Stadt. Charakteristisch ist, dafs da damals die Kohle noch nicht wesentlich in Betracht kam, Thünen die Erzeugung nicht nur von Bau-, sondern auch von Brennholz, welches die Stadt nicht entbehren konnte, bereits in den zweiten Wirthschaftskreis verlegt. Denn da dies Bedürfnifs befriedigt werden mufste, das Holz aber bei seinem hohen Gewicht einen längeren Transport mit der Achse nicht vertrug, so mufste die Holzversorgung des Mittel punktes aus der Nähe erfolgen. Der dritte, vierte und fünfte Kreis dienen dann dem eigentlichen Körnerbau, und zwar je nach der steigenden Entfernung nimmt die Intensität der Wirthschaft ab, erst Fruchtwechselwirthschaft, dann Koppelwirthschaft, zuletzt Dreifelderwirth- schäft. In dem nächsten, dem sechsten Kreis, erfolgt die Erzeugung des eigentlichen Schlacht viehes, die Zucht des Jungviehes für die inneren Kreise zur Mast und zum landwirthschaftlichen Betriebe. Dieser Kreis konnte deshalb so fern liegen, weil es möglich war, das Vieh heran zutreiben und weil infolgedessen die Transport kosten nicht so hohe waren. In den äufsersten Kreis fällt die Viehzucht, welche nicht wegen des Schlachtviehes oder der Milchwirthschaft betrieben wird, sondern wegen hochwerthigerer Erzeugnisse, die einen längeren Transport vertragen, z. B. die Schafzucht der Wolle wegen, Rindviehzucht der Häute, Klauen, Hörner u. s. w. wegen, endlich tritt hier der Kartoffelbau zur Spirituserzeugung ein, welch letzterer ein zum Werth verhältnifsmäfsig geringes Gewicht hat, schliefslich Handelsgewächse von höherem Werthe, wie Flachs, welcher, geröstet und gehechelt, auch leicht transportabel ist. Diese grundlegende Untersuchung des Ein flusses, welchen die Frachtkosten auf das wirth- schaftliche Leben ausüben, hat für uns heute insofern nur einen historischen Werth, als selbst in der Landwirthschaft jetzt mit ganz anderen Factoren gerechnet wird, als mit dieser Wirth- schaftsweise unserer Altvorderen. Und doch ent wickeln sich aus diesem Experiment vonThünens die Grundsätze nicht nur über den Verkehr der Güter, sondern auch über deren Erzeugungsbedingungen. Das erste Gesetz, was von Thünen entwickelt hat, betrifft die Transportfähigkeit der Güter, das heifst die Möglichkeit, ein Gut auf eine bestimmte Entfernung zum Absatz zu bringen. Und da ergiebt sich aus der Thünenschen Untersuchung klar: je höher wert big ein Gut ist, um so gröfser ist seine Transportfähigkeit, und je geringwerthiger es ist, auf um so kleinere Entfernung kann es trans- portirt werden. Es giebt aufserordentlich nutzbare Dinge, z. B. Seeschlick, ein Düngemittel von hoher Brauchbarkeit, wenn in grofser Menge dem Boden zugeführt; es kann aber nur auf kurze Strecken verfrachtet werden, weil es im Verhältnifs zu seinem Nutzungswerth zu schwer ist. Aehnlich liegt es mit Torf, Kies, Mergel, Erde, Ziegelsteinen. Das sind alles Dinge, die nur ein eng begrenztes Absatzgebiet haben können, weil das Verhältnifs zwischen ihrem Werthe und ihrem Gewichte zu ungünstig ist, demnach die Frachtkosten sich zu hoch stellen. Speciell in unserem Fache, in der Eisenindustrie, ist, wie Sie wissen, die Transportfähigkeit der Eisenerze sehr verschieden je nach ihrem Gehalte, ihrem Werthe. Das Erz von Grängesberg und Gellivara kann auf ungeheure Entfernungen ver frachtet werden, unsere armen oberschlesischen Erze dagegen nur im ganz engen Bezirk. Alle diejenigen Stoffe, die einen höheren Eigen- werth besitzen, z. B. kostbare Seidenstoffe, Gold, Edelsteine u. s. w., haben eine fast unbegrenzte Transportfähigkeit. Die Transportfähigkeit, d. i. die Möglichkeit, ein Gut innerhalb eines Gebietsumfanges zum Absatz zu bringen, ist abhängig einmal von den Erzeugungskosten am Versandtorte oder, sagen wir, den Gestehungskosten am Erzeugungsorte, was in den meisten Fällen auf dasselbe hinaus kommt; ferner von dem Preise, den die Waare im Absatzgebiet, am Gonsumorte selbst hat, und drittens von der Höhe der Fracht, die nothwendig ist, um die Waare vom Erzeugungs- zum Consum- orte zu bringen. M. H.! Die Erzeugungskosten setzen sich aus den verschiedensten Dingen zusammen: aus dem Werth des Rohmaterials, den Arbeitslöhnen, den Hülfsmaterialien u. s. w. Aber selbst wenn wir die Erzeugungskosten eines Artikels ansehen, von dem man gewöhnlich annimmt, dafs da für die Fracht nur eine geringe Bedeutung hätte, sagen wir z. B. die Steinkohle am Erzeugungsorte, so stellt sich doch heraus, dafs selbst hier die Frachtkosten einen wesentlichen Einflufs auf die Erzeugungskosten ausüben. Die Kohlen müssen aus dem Schoofs der Erde geschafft werden; dazu sind grofse Anlagen nothwendig, die im wesentlichen durch Menschenhände geschaffen werden. Nun hängt der Lohn des Arbeiters zum grofsen Theile ab von den Kosten der Fracht für alle seine Lebensbedürfnisse. Sie