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1. December 1898. Veber den Arbeitermangel. Stahl und Eisen. 1095 Washington zeigen, aller Anstrengungen bedürfen, um dem drohenden Wettbewerbe Nordamerikas entgegentreten zu können, das aufser dem Reich thum seiner Mineralschätze in Bezug auf den Ersatz der Handarbeit durch mechanische Arbeit am weitesten vorgeschritten ist, zur Zeit beim Bergbau nahezu dieselben Lohnsätze zahlt wie in unseren westlichen Bergwerks-Revieren,* und durch die Einschränkung der Handarbeit leichter die Schwankungen der Erzeugung ertragen kann. Während indessen unsere Industrie, insbesondere die Grofsindustrie, sich voll bewufst ist, dafs es eine gebieterische Nothwendigkeit ist, fortdauernd die Verminderung der Selbstkosten im Auge zu behalten, und dafs das Hauptziel dieses Bestrebens auf die Verminderung der Eisenbahnfrachten bei Anfuhr der Rohmaterialien und Abfuhr der Fabricate, sowie auf die Einschränkung der Ausgaben für Löhne gerichtet sein mufs, hat bisher das ganze Transportgewerbe und zwar sowohl Eisenbahnen wie Wasserstrafsen theils gar nicht, theils nur in geringem Mafse an den Bestrebungen theil genommen, die Handarbeit durch mechanische Unter solchen Umständen ist es erklärlich, dafs die höheren Löhne, die überdies in neuerer Zeit sehr zurückgegangen sein sollen, die Concurrenzfähigkeit der amerikanischen Industrie nicht beeinträchtigen. Der durchschnittliche Arbeitsverdienst eines in dustriellen Arbeiters wird berechnet in den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf 348 Dollar Grofsbritannien 204 , Frankreich 175 „ Belgien 165 „ Deutschland . 155 Schweiz 150 , Oesterreich-Ungarn 150 Spanien 120 „ Rufsland 120 , Die Concurrenzfähigkeit der amerikanischen In dustrie soll aber aufser in der gröfseren Leistungs fähigkeit des Arbeiters hauptsächlich auch in einer umfassenden Heranziehung maschineller Hülfskräfte ihren Grund haben, und zwar wird die Kraft der in der Industrie arbeitenden Maschinen berechnet in den Ver. Staaten auf 18 Mill. Pferdekr. Grofsbritannien. . . 12 , „ Deutschland .... 9 „ „ Frankreich 5 „ „ Oesterreich-Ungarn . 2,5 , Rufsland 2,5 , Belgien 1 » » Wenn auch diese Zahlen auf grofse Genauigkeit keinen Anspruch machen können, da z. B. für Deutsch land eine industrielle Bevölkerung von 5 300 000 Per sonen angenommen ist, während nach der letzten Zählung von 1895 diese Zahl 8300000 beträgt, so verdienen diese Zahlen gleichwohl Beachtung, da sie, wenn auch nur in grofsen Umrissen, Verhältnisse kenn zeichnen, von deren weiterer Entwicklung die fernere Gestaltung des Weltverkehrs zum Theil abhängt. * Das in New York erscheinende „Engineering and Mining Journal“ stellt im Hinblick auf die 1897 im deutschen Kohlenbergbau gezahlten Löhne fest, dafs zwar möglicherweise der Durchschnittstagelohn der pennsylvanischen Kohlenbergleute höher als in Arbeit zu ersetzen und dadurch den Arbeitermangel zu vermindern. Die Landwirthschaft, welche sich über den letzteren am meisten beklagt, sieht ruhig zu, dafs in der Zeit der Rüben- und Kartoffel ernte sowie der Feldbestellung, kurz in einer Zeit, in welcher die Arbeitskräfte der Landwirthschaft aufserordentlich in Anspruch genommen sind, die ganze Rübenernte — im Jahre 1896/97 7 192 721 t — durch Handarbeit in zeitraubender und kost spieliger Weise in Eisenbahnwagen geladen und aus denselben wieder entladen wird. Selbst der Umstand, dafs der Rübentransport in der Regel mit dem gröfsten Wagenmangel zusammenfällt und zur Steigerung desselben beiträgt, hat bisher nicht vermocht, auch nur einen Versuch zu einer die Handarbeit einschränkenden und billigeren Be- und Entladung zu machen, obgleich die Mittel und Wege zur Abhülfe so einfach sind, dafs wir glauben auf ein näheres Eingehen verzichten zu können. Eine noch auffallendere Erscheinung ist es freilich, dafs wir jetzt am Ende des 19. Jahr hunderts in Bezug auf die Entladung der offenen Eisenbahn-Güterwagen noch auf demselben Stand punkt stehen, wie beim Beginn der Eisenbahn periode, und dafs ungeachtet aller Fortschritte, welche im Laufe dieses halben Jahrhunderts im Eisenbahnwesen gemacht worden sind, ungeachtet der fortgesetzten Anregungen, welche seit dem Jahre 1874 von dem Unterzeichneten auf Ein richtung der offenen Güterwagen zur Selbstentladung gemacht worden sind, und ungeachtet der an erkannt musterhaften, und von allen Seiten zur Nachahmung empfohlenen Ladeeinrichtungen Nord amerikas, Alles beim Alten geblieben ist. Obgleich in dem halben Jahrhundert seit Er öffnung der ersten Eisenbahnen der Arbeitslohn Deutschland sei, beim Jahresverdienst das Verhältnifs indessen entgegengesetzt ist. Für den Anthracit- bergbau in Pennsylvanien wurde im vorigen Jahre unter Eid festgestellt, dafs ein Bergmann unter Um ständen 7,35 bis 8,40 pro Tag verdienen könne, ihm hierzu jedoch in den seltensten Fällen die Mög lichkeit gegeben ist, so dafs thatsächlich sein Jahres verdienst infolge von Feierschichten und verkürzter Arbeitszeit sich auf 890 K beläuft, in den west pennsylvanischen Kokskohlengruben 966 «, in Ohio 806 und in Virginien als höchster Satz 1184 •K erreicht. Nun betrugen in Preufsen beim Steinkohlen bergbau die Durchschnittslöhne sämmtlicher Arbeiter, und zwar die verdienten reinen Löhne nach Abzug aller Arbeitskosten sowie der Knappschafts-, der Invaliditäts- und Altersversicherungsbeiträge im ersten mithin Halbjahr 1898 jährlich Jl •6 in Oberschlesien 368 736 in Niederschlesien 390 780 im Oberbergamtsbezirk Dortmund 558 1116 in Saarbrücken 492 984 im Aachener Bezirk 486 972 Nach diesem Vergleich kann allerdings die bis noch vor kurzer Zeit geltende Annahme, dafs die Arbeitslöhne in den Vereinigten Staaten wesentlich höher al in Deutschland seien, nicht länger aufrecht ei halten werden.