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legung der Arbeit mit Bruch des Arbeilsvertrages nur dann strafbar ist, wenn sie auf die Herbei führung einer bewufsten Auflehnung gegen das Gesetz gerichtet ist, nicht aber, wenn sie nur die Herbeiführung der dem Gesetze widersprechenden Handlung bezweckt. Diese Auslegung macht die Strafbarkeit von der in den seltensten Fällen möglichen Feststellung der Absicht des Auf fordernden abhängig. Man ersieht aus dem Bei spiel, dafs die jetzige Fassung des Strafgesetz buchs nicht überall genügt. Sodann aber werden bei der jetzigen Bechtslage von der Strafe nur diejenigen ereilt, welche eigentlich als Opfer einer Verführung angesehen werden müssen. Wenn der Strafrichter einschreitet, so thut er es gegen diejenigen Ausständigen, welche die Vergehen oder Verbrechen begangen haben, jedoch die eigent lichen Anstifter, d. h. diejenigen Agitatoren, welche zum Streik gehetzt und den Ausständigen die Auffassung beigebracht haben, als erfüllten sie mit der Arbeitsniederlegung eine sittliche Aufgabe und könnten zur Durchführung der letzteren alle nur möglichen Mittel anwenden — diese Agi tatoren gehen frei aus. Wenigstens hat man in der politischen Presse fast niemals etwas davon zu lesen bekommen, dafs die Gerichte auf diese Agitatoren als mittelbare Anstifter zu Verbrechen oder Vergehen hätten zurückgreifen können; es fehlte eben die Handhabe zum Einschreiten. Hier ist eine Lücke in der Gesetzgebung und es mufs versucht werden, eine gesetzliche Bestimmung zu formuliren, durch welche Abhülfe geschaffen wird. Auf welchem Wege dies geschieht, ob durch die Gewerbeordnung oder durch das Strafgesetz buch selbst, ist schliefslich gleichgültig, die Haupt sache bleibt, dafs endlich einmal ein energischer Versuch zur Herstellung anderer Verhältnisse ge macht wird. Anfang der 90er Jahre hatten die verbündeten Begierungen einen solchen Vorstofs be absichtigt. In der Gewerbeordnungsnovelle, welche nachher unter dem Datum des 1. Juni 1891 Gesetz wurde, war auch eine Aenderung des § 153 der Ge werbeordnung vorgesehen. DieserParagraph lautete bis dahin und auch gegenwärtig noch, wie folgt: Wer Andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrver letzungen oder Verrufserklärungen bestimmt oder zu bestimmen versucht, an Verabredungen zum Behufe der Erlangung günstigerer Löhne und Arbeitsbedingungen theilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder Andere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit Gefängnifs bis zu 3 Monaten bestraft, sofern nach dem allgemeinen Strafgesetz nicht eine härtere Strafe eintritt. Die verbündeten Regierungen hatten in ihrer Novelle dem Reichstage vorgeschlagen, den Para graphen folgendermafsen abzuändern: Wer es unternimmt, durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzungen oder durch Verrufserklärungen: 1. Arbeiter oder Arbeitgeber zur Theilnahme an den erwähnten Verabredungen zu bestimmen oder am Rücktritt von solchen Verabredungen zu verhindern, 2. Arbeiter zur Einstellung der Arbeit zu be stimmen oder an der Fortsetzung oder An nahme der Arbeit zu hindern, 3. Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitern zu bestimmen oder an der Annahme von Arbeitern zu hindern, wird mit Gefängnifs nicht unter einem Monat bestraft. Ist die Handlung gewohnheitsmäfsig begangen, so tritt Gefängnifs nicht unter einem Jahre ein. Die gleichen Strafvorschriften finden auf Denjenigen Anwendung, welcher Arbeiter zur widerrechtlichen Einstellung der Arbeit oder Arbeitgeber zur widerrechtlichen Entlassung von Arbeitern öffentlich auffordert. Mit dieser Neuerung war einmal beabsichtigt, Remedur dafür zu schaffen, dafs nach der alten Bestimmung die Abhaltung von der Fortsetzung der Arbeit durch die erwähnten Mittel nur dann mit Strafe bedroht war, wenn sie erfolgte, um andere Arbeiter zu nöthigen, an Verabredungen zur Einstellung der Arbeit theilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten. Die Versuche, andere Arbeiter zur Einstellung der Arbeit zu nöthigen, erfolgen auch vielfach, ohne dafs eine Verabredung statt gefunden hat oder nachgewiesen werden kann. Deshalb sollte in der Novelle der verbündeten Regierungen die Strafe auch unabhängig von einer solchen Verabredung vorgesehen werden. Die zweite Neuerung bezog sich auf die Erschwerung der Strafe für die Leute, die aus der Verhetzung zur Arbeitsniederlegung ein Geschäft machen, und die dritte Neuerung schliefslich bedrohte die öffent liche Aufforderung zum Bruche des Arbeitsvertrags mit Strafe. Es ist gut, sich dieser Vorschläge aus dem Anfänge der 90er Jahre zu erinnern, denn es ist ziemlich sicher, dafs in der neu zu erwartenden Vorlage auf sie zurückgegriffen werden wird. Es ist aber auch ferner sicher, dafs sie erweitert und ergänzt werden dürften. Denn gerade die Vorgänge in den 90er Jahren haben gezeigt, wie aufserordentlich nothwendig einVorgehen gegen den Terrorismus der Socialdemokratie auf diesem Gebiete geworden ist. Natürlich wird die Coalitions- freiheit der Arbeiter nicht beschränkt werden. Alle Aeufserungen, welche dies als wahrscheinlich oder auch nur möglich hinstellen, sind einfach Schwindel, erfunden, um der grofsen Menge Besorgnifs vor den nächsten Schritten der Regierung beizubringen. Es wird nichts weiter beabsichtigt, als wider rechtliche Handlungen mit der ihnen zu kommenden Strafe zu bedrohen, und dafs dies für Leute, welche ein ruhiges Gewissen haben, XX 11.13