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i. October 1898. Zuschriften nn die Redaetion. Stahl und Eisen. 911 mit dem Meifsel entfernen, wenn man durchaus den Zugversuch nach den Vorschriften der Con- ferenzen herzustellen hat. Aber es bleibt zu be achten, dafs beim gewöhnlichen Giefsereiroheisen diese Bedenken praktisch zurücktreten, denn der Stab wird aus 30X30 mm Querschnitt auf 20 mm Durchmesser ahgedreht; es kommen also auch von den Seitenflächen noch Krusten von 5 mm Dicke zum Fortfall. Zu den eben beregten Uebelständen kommt noch, dafs die Stäbe beim Zugversuch, wenn das Material einigermafsen spröde ist, leicht an den Köpfen oder in den konischen Uebergängen zum Kopf reifsen; die Einspannung mufs also mit be sonderer Vorsicht geschehen. Hier liegt eine Reihe von Uebelständen vor, die Anlafs zum Nachdenken und zu verschiedener Meinung giebt. Es fragt sich aber, ob die Vor schläge von Dr. Moldenke nicht ganz ähnlichen Bedenken begegnen. Zur weiteren Anregung möchte ich daher Folgendes anführen. Der Zerreifsversuch mit Gufseisen wird immer seine Schwierigkeiten haben, und es wäre wohl der Erwägung werth, ob man ihn, abgesehen von besonderen Fällen, nicht überhaupt entbehren kann, da ja zur Beurtheilung der Festigkeit und auch der Formänderungsfähigkeit des Gufseisens der Biegeversuch schon Anhaltspunkte giebt. Jedenfalls kann man an Stäben, die nach den gebräuchlichen Rundstabformen gegossen sind, nicht zuverlässig die Festigkeit mit der Gufshaut bestimmen, weil sie stets krumm und unvollkommen im Querschnitt, sowie ungenau in den Anlage flächen der Köpfe ausfallen. Gute Einspannung ist fast unerreichbar, auch wenn die Anlageflächen nachgedreht werden, denn in diesem Falle erhöht sich die Gefahr des Abreifsens am Kopf. Das Herausdrehen aus einem stärker ge gossenen Rundstabe ist scheinbar dem Heraus drehen aus dem Quadratstabe überlegen; aber man bedenke, dafs auch dann nur die Festigkeit des Kernmaterials gewonnen wird. Will man indessen dieses Verfahren für eine einheitliche Prüfungsweise einführen, so sollte man weiter gehen und sollte auch den Biegeversuch an einem Stabe von Kreisquerschnitt ausführen, um dann die Bruchenden zur Herstellung der Zugprobe körper benutzen zu können. Man würde dabei den Anschlufs an die bisherigen Erfahrungen frei lich aufgeben, da die Stabform einen Einflufs auf das Ergebnifs des Biegeversuches ausübt, der beim Gufseisen aus naheliegenden Gründen nicht blofs von den geometrischen Abmessungen bedingt ist, also durch Erfahrungszahlen aus den geometrischen Abmessungen allein auch nicht ausgeschieden werden kann. Die Bedenken, dafs Materialänderungen wegen der voraufgehenden Beanspruchung das Ergebnifs beeinflussen könnten, haben meines Erachtens deswegen praktisch wohl wenig Bedeutung, weil die beim Zugversuch in Frage kommenden Quer schnitte bei 1 m Freilage des Biegeprobestabes nicht übermäfsig beansprucht sind. Dr. Moldenke schlägt mit Rücksicht darauf, dais ein wiederholt zerrissener Stab bei der Wieder holung gröfsere Werthe für die Festigkeit liefert, vor, dafs man die langen Zugprobestäbe in der Mitte mit einer Einschnürung versehen möge.* Dagegen läfst sich fragen, erzielt man denn auf diese Weise einen sichereren Aufschlufs über die Zugfestigkeit des Materials? Das ist, abgesehen von anderen Gründen,** aus praktischer Ueber- legung nicht wahrscheinlich, weil es ganz unmög lich sein wird, den Stab so herzustellen und ein zuspannen, dafs keine Biegungsspannungen ent stehen, die das an sich schon wenig dehnbare Material bei der sehr geringen, die Formänderungs arbeit leistenden Versuchslänge uncontrolirbar überanstrengen. Hierbei will ich noch ganz ab sehen von der gezeichneten, auch nicht einwand freien Einspannung. Ich möchte also nochmals auf die Bedeutung der Frage hinweisen, ob es überhaupt zweck- mäfsig ist, den Zugversuch bei Gufseisen als mafsgebend anzusehen? Die Durchbiegung beim Biegeversuch sollte stets festgestellt werden, denn sie ist ein wich tiger Factor für die Beurtheilung des Materials. Dagegen will es mir nicht ganz unbedenklich erscheinen, Vorschriften über die Grenz werthe der fremden Beimengungen zu machen, wennjaauch unzweifelhaft der grofse Werth feststeht, den die Kenntnifs der chemischen Analyse für die Material- beurtheilung hat. Da der Giefserei und dem Abnehmer die häufige Feststellung der Thatsache, dafs die Vorschriften über die chemische Zusammen setzung auch wirklich erfüllt sind (und nur die häufige Controle vermag meines Erachtens prak tischen Erfolg zu erzielen), Schwierigkeiten oder mindestens arge Weitläufigkeiten bereitet, so sollte man versuchen, ob man nicht ohne diese Vorschrift in befriedigender Weise an das praktische, noth wendige Ziel kommt, um brauchbares und sicheres Material zu erreichen. Ich glaube, dafs dies wohl möglich ist, wenn man in Ergänzung der Biegeprobe noch eine Schlagbiegeprobe vorsehen wollte, die aller dings bisher sehr gebräuchlich ist. Sprödes Gufs eisen liefse sich auf diese Weise schnell und mit einfachen Mitteln erkennen, wenn man bei etwa 200 mm Freilage Schläge von bestimmter Schlag- * In „Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing.“ 1882 S. 146. machte ich ähnliche Vorschläge, die ich später fallen liefs. (Vergl. Handbuch der Materialien kunde, Abs. 154.) ** A. Martens: „Handbuch der Materialien kunde“, Abs. 100 bis 104, 153 und 154. — Berlin 1898, Verlag von Julius Springer.