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1. November 1898. BIsmarck-Todtenfeier der Oberscklesischen Montanindustrie. Stahl und Eisen. 1001 Bismarck-Todtenfeier der Oberschlesischen Montanindustrie. Zu Gleiwitz fand am 16. October in dem stimmungsvoll ausgeschmückten grofsen Saale des Theater- und Goncerthauses eine Bismarck-Todten- feier statt,, die von der Oberschlesischen Montan industrie veranstaltet und von etwa 1250 Theil nehmern besucht war. Das Ehrenpräsidium hatte Graf Guido Henckel von Donnersmarck übernommen. Die Feier wurde durch den Beet- hovenschen Trauermarsch aus der III. Symphonie eingeleitet; es folgten mehrere Ghorgesänge a capella und die Trauerchöre aus Händels „Samson“. Sodann hielt Hr. Generaldirector Kollmann die nachfolgende Gedächtnifsrede: Verhallt sind die Klagetöne des Trauerchors, welche Herz und Gemüth ergriffen, aber in ihren Schlufsaccorden uns wiederum eine zuversichtliche Hoffnung für die Zukunft gestatten; die weihevollen Klänge rufen in uns wach die Erinnerung an den 30. Juli d. J., an den Tag, an dem aus dem Sachsenwalde die erschütternde Kunde durch ganz Deutschland, über den ganzen Erdball ging, dafs der gröfste deutsche Mann sein irdisches Dasein vollendet. Der letzte der Paladine des grofsen Kaisers ' war sanft entschlafen! Ueberall in den deutschen Gauen, vom Niemen im Osten bis zu den Höhen des wiedergewonnenen Wasgaus im Westen, von der wieder deutsch gewordenen Königsau im Norden bis zu den fernen Spitzen des Watzmanns im Süden erschütterte diese Trauerbotschaft die Herzen aller derer, die deutsch denken und deutsch fühlen! Mutter Germania trauerte um ihren gröfsten und besten, um ihren treuesten Sohn! Der Held, der, nach einem langen Leben voller Mühe, Arbeit und Kampf, in stiller Ab geschiedenheit seinen Lebensabend im Sachsen walde unter seinen alten Eichen und Buchen ver brachte, war und blieb die Verkörperung des deutschen Gewissens, der Repräsentant deutschen Denkens und deutschen Fühlens! Zwar seit 8 Jahren nicht mehr an der Stelle thätig, von welcher aus er so lange die Geschicke des Vaterlandes mit unvergleichlichem Erfolge ge leitet, dabei des Ruhmes Kränze alle, aber mehr noch als dies — seines Volkes Herz — gewonnen, stand er immer noch als Pilot und bewachte den Gurs des deutschen Staatsschiffes und lehrte und warnte vor den Klippen und Sandbänken auf dem stürmisch wogenden Meere der Staatskunst. War es doch Fürst Bismarck, der, nach allen ihm vorangegangenen vergeblichen Versuchen, endlich, mit Aufbietung von fast übermenschlicher Kraft, nach Ueberwindung aller Feinde im In- und Auslande, den Traum unserer Väter, das | Dichten und Sehnen der Besten unseres Volkes, den Gedanken der Wiedererrichtung des deutschen Reiches verwirklicht hat; der unter dem grofsen kaiserlichen Bauherrn als kühner Baumeister aus dem zerrissenen Deutschland, das nur noch ein geo graphischer Begriff gewesen, ein grofses, mächtiges, den Frieden der Welt wahrendes Staatsgebilde geschaffen. Und nun sind auch wir hier, im südöstlichen Winkel des Vaterlandes, zusammengetreten, wie dies überall der Brauch, um unserer Trauer um den grofsen Todten Ausdruck zu geben; wir denken seiner in Wehmuth, in Liebe und Treue, und schmücken heute seine Urne mit dem Eichenkranz. Bei dieser Gedächtnifsfeier aber sollen wir uns vor die Seele führen, was Fürst Bismarck seinem Volke gewesen, was er geleistet; wir sollen uns seiner Thaten freuen und feierlich geloben, in Liebe und Treue, mit Zähigkeit und Kraft, das zu be wahren, was er geschaffen, das zu pflegen, was er gesäet! Vergegenwärtigen wir uns deshalb in kurzen Zügen den Bismarck der Geschichte. Wie sein ganzes Leben stets erfüllt war von glühender Vaterlandsliebe, wie er das Wohl und das An sehen des Vaterlandes hoch über alle kleinlichen Parteibegriffe stellte, dafür spricht schon sein erstes Auftreten im öffentlichen Leben, am 17. Mai 1847 ; im Ersten Vereinigten Landtage hatte der Abgeordnete von Saucken an diesem Tage ge legentlich gesagt, des preufsischen Volkes Er hebung von 1813 sei nicht nur aus dem Hasse gegen die Napoleonische Fremdherrschaft hervor gedrungen, sondern sei zum gleichen Theil auf die Hoffnung einer zu erlangenden Verfassung zurückzuführen. Darauf erwiderte der junge Ab geordnete von Bismarck, „er fühle sich gedrungen, dem zu widersprechen, was auf der Tribüne so wohl, als aufserhalb des Saales so oft laut ge worden ist, als von Ansprüchen auf Verfassung die Rede war: als ob die Bewegung des Volkes von 1813 anderen Gründen zugeschrieben werden müfste, und es eines anderen Motivs noch bedurft hätte, als der Schmach, dafs Fremde in unserem Lande geboten. Es heifst meines Erachtens, der Nationalehre einen schlechten Dienst erweisen, wenn man annimmt, dafs die Mifshandlung und Erniedrigung, die die Preufsen durch einen fremden Gewalthaber erlitten, nicht hinreichend gewesen seien, ihr Blut in Wallung zu bringen und durch den Hafs gegen die Fremdlinge alle anderen Ge fühle übertäubt werden zu lassen.“ Als dann später, im März 1848, nach dem Barrikaden kampf in Berlin, die aufrührerische Menge vor das königliche Schlofs zog und als erste Forderung XXI.18