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mancher Eisenhüttenleute mit ihren Ziffern stellen weise zu sicher; während z. B. 750 kg Max. f. d. Quadratcentimeter vorgeschrieben ist, könnte man nach anderweitiger sachverständiger Anschauung ohne jede Gefahr bis 1000 und 1200 kg und unter Um ständen noch höher gehen. Wenn ich dafür eintrete, dafs höhere Bean spruchungsziffern für das Eisen gewährt werden können, als dies seitens der Baupolizei vielfach jetzt geschieht, so bin ich mir wohl bewufst, dafs manche meiner Freunde in der Eisenindustrie, welche ein verzeihliches Interesse daran haben, möglichst viel Eisen in den Bauten verschwinden zu sehen, eine bedenkliche Miene hierzu machen würden; ich stehe aber in dieser Hinsicht auf dem Standpunkt, dafs es nicht nur falsch, sondern auch kurzsichtig wäre, wollte man dasjenige Eisen, welches man verbaut, nicht auch bis zu seiner vollen Tragfähigkeit aus nutzen. Je gröfser diese Ausnutzung ist, um so vortheilhafter stellt sich auch die Verwendung des Eisens gegenüber Holz und Stein, und um so gröfser wird der Verbrauch hierin sein, sobald dies erkannt ist. Um die Verwendung des Eisens in den Bauten populär zu machen, insbesondere auch die an sich complicirten Berechnungen zu erleichtern, besteht ein vorzügliches Mittel: das Musterbuch für Eisen- constructionen (Redner legt dasselbe vor).* Als im vorigen Sommer die berühmt gewordene Abordnung der British Iron Trade Association, welche sich zur Aufgabe gestellt hatte, die Ursache der Zu nahme des deutschen Wettbewerbs auf dem Welt markt zu ergründen, bei uns in Düsseldorf vorsprach, haben wir uns die Freiheit genommen, die Herren darauf aufmerksam zu machen, dafs sie viel ge- scheidter thun würden, den heimischen Consum an Bauwerkeisen zu fördern zu suchen, als deutsche Fabricationsverhältnisse klarzulegen, an welchen nichts klarzulegen sei, da sie bei dem regen inter nationalen Verkehr zwischen den Eisenhüttenleuten aller Länder ohnehin in England bekannt seien. Sie dürfen aber nun, m. H., nicht daraus schliefsen, dafs ich Fanatiker in der Verwendung von Eisen bei Bauten wäre — Fanatiker bin ich in dieser Hinsicht nur insofern, als es sich um zweckmäfsig angebrachte Verwendung von Eisen handelt, und da bin ich aller dings der Ansicht, dafs noch mancher Raum für weitere Verwendung des Eisens in Hochbauten ist. Eine Construction mufs in allen ihren Theilen gleich stark, die constructiven Details überall richtig sein; auch mufs Obacht gegeben werden, dafs eine gewisse Ausdehnung statthaben kann, ohne dafs diese der Construction Nachtheil bringt, auch Theile gegen Einwirkung von Feuer zu schützen. Auf Details ein zulassen mufs ich mir versagen, da dies besondere und lange Kapitel für sich sind. Man kann nun heutzutage im Bauwesen nicht nur von Eisenconstructionen, sondern mit Recht auch von Eisenarchitektur reden. Konnte man dies bereits seit mehr als 40 Jahren von Brücken- und dergl. Bauten — ich erinnere an die zu Anfang der 50er Jahre erbaute Kölner Brücke — sagen, so kann man dies mit eben solchem Recht von Hochbauten über haupt. Als man anfing, der Verwendung des Eisens grölseren Spielraum zu geben, und eiserne Träger — als historisch interessante Notiz möchte ich hier ein schalten, dafs das I-Profil im Jahre 1849 von Zoris erfunden ist — mehr und mehr Eingang fanden, da wurde das als Constructionsmaterial gebrauchte Eisen, vielleicht abgesehen — von Säulen, absichtlich mehr oder weniger versteckt gehalten, wo es erschien, war es zumeist der übrigen Architektur wenig oder mehr nicht angepafst. Wenngleich der Regierungs- und Baurath Prof. Mehrtens bei seiner jüngst in Dresden * Verlag von Otto Spamer. auf der Technischen Hochschule gehaltenen Antritts rede mit Recht sagen konnte, dafs wohl nirgends in der Welt mit gröfserer Sicherheit als in Deutschland und den ihm geistesverwandten Ländern Mitteleuropas gebaut wird, so ist doch andererseits nicht zu ver kennen, dafs auch in der eigentlichen Eisenarchitektur in Deutschland neuerdings Hervorragendes geleistet worden ist — in dieser Hinsicht erinnere ich Sie an Ihren schönen Bahnhof, dem sich zahllose andere Bauten anreihen. Ein wesentlicher Fortschritt ist ferner durch die Pariser Ausstellung von 1889 ein getreten. Ich habe hierbei nicht den Eiffelthurm im Sinn, sondern vor meinem geistigen Auge erscheinen die tim denselben angeordneten Ausstellungshallen, welche für die schönen und freien Künste, für die Maschinen-Ausstellung u. s. w. bestimmt waren. Der Ausstellungs-Palast im Hydepark 1851, ebenso der im Jahre 1854 in München errichtete Glaspalast waren noch aus Gufseisen ; spätere Ausstellungsgebäude, insbesondere die von der Firma Harkort in Duisburg erbaute Rotunde in Wien, waren aus Schmiedeisen, aber bei allen diesen Bauten versuchte man kaum das Eisen an sich architektonisch auszugestalten, oder dasselbe der Architektur anzupassen. Waren vor den Eingängen der Rotunde grofse, im Renaissancestil ausgebildete Portale in Steinimitation ausgeklebt, so liefs doch das Innere, namentlich das offenliegende Dachgerippe, kalt. Wie anders wirkte dagegen die äufsere Beschaffen heit der genannten Ausstellungsbauten von Paris auf den Beschauer. Technisches Geschick und echt künst lerischer Sinn vereinigten sich hier in glücklicher Weise und schufen bis dahin Unerreichtes. Die Aus füllung der Fachwerke mit bunten Terracotten in Verbindung mit dem Farbenspiel der Eisenflächen erzielten einen grofsartigen, wohlthuenden Eindruck, dem Auge des Constructeurs imponirte dabei gleich zeitig das klare Hervortreten der Hauptconstructions- linien. Mit Recht fiel damals der Ausspruch, dafs das Eisen einen Siegeszug in das Gebiet des Bauwesens gehalten habe. Ohne weiteres räume ich den Herren, welche in diesem Kreise Architektur und Bau-Ingenieur-Kunst vertreten, eine überlegene Geschmacksbildung in der Architektur ein; es kann daher nicht meine Aufgabe sein, hier der Eisenarchitektur als solcher das Wort zu reden, aber es war mir doch Bedürfnifs, meine subjective Meinung als dahin gehend hervorzuheben, dafs dort, wo das Eisen nun einmal die Hauptrolle als Constructionsglied spielt, dies auch nach aulsenhin zum Ausdruck gelangen soll und nicht irgend ein anderer fremder architektonischer Charakter geheuchelt werden soll. Der in gewissem Sinne bahnbrechende Vorgang von 1889 hat seitdem vielfach zu Bauten ähnlicher Art in Verbindung mit Feinmauerwerk geführt, ich erinnere an den neuen Cölner Bahnhof und die darin eingebauten Wartesäle, in welchen in hervorragender Weise glacirte Kunststeine mit den von Mannstädt in Kalk eingeführten Ziereisen zu einem harmonischen Ganzen verbunden sind. Durch die genannten Zier eisen, welche in vielen Tausenden Profilen in ver schiedenen Ausführungen jetzt in Kalk hergestellt werden, hat die Ausbildung der eigentlichen Architektur in Deutschland eine sehr wirksame Unterstützung gefunden. In anderer Weise ist die Architektur bei einer Kirche ausgebildet worden, welche von einer griechisch-katholischen Gemeinde vor kurzem durch eine Wiener Firma in Constantinopel errichtet wurde. Ich bin am Schlufs meiner heutigen Mittheilungen, deren von mir zu Eingang des Vortrags angedeuteten Einseitigkeit Sie mir nunmehr bestätigen, im Hinblick auf das schier unerschöpfliche Thema vielleicht aber auch entschuldigen werden. Ich kann mich wohl darin kurz zusammenfassen, dafs heutzutage kein