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292 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 1. April 1896. das moderne Bauwesen kaum noch eine Bolle, es findet höchstens noch Verwendung für Kunstschmied arbeiten, während das Flufseisen in Gestalt von Trägern und Formeisen aller Art siegreich Einzug gehalten hat. Es trifft dies allgemein, sowohl für Brücken- wie Hochbau zu. Die Erzeugung an gewalztem Handelseisen, Fein- und Formeisen aller Art, beträgt zur Zeit in Deutsch land jährlich rund 900000 t, hiervon entfallen allein auf Träger und Formeisen über 600000 t, so dafs man wohl in der Annahme nicht fehl geht, dafs auch mindestens 'li Million Tonnen schmiedbares Eisen im Bauwesen verbraucht wird. Im wesentlichen ist das Material basisches Flufseisen, welches im Converter- procefs gewonnen wird. Die Meinungsverschiedenheit, welche hinsichtlich der Werthschätzung von Converter material einerseits, und Martinmetall andererseits, entstanden war, hat neuerdings durch umfassende vergleichende Versuche, insbesondere durch diejenigen, welche bei Gelegenheit des Baues der Fordoner Brücke in Rothe Erde bei Aachen stattgefunden haben, eine entschiedene Wendung zu Gunsten des ersteren genommen, so dafs erfahrene deutsche Constructeure jetzt keinen Anstand mehr nehmen, basisches Convertermaterial auch zu Brückenbauten zu nehmen.“ Redner legt sodann die Gründe dar, welche zur Verbilligung dieses basischen Convertermaterials, d. h. des Stoffes, aus welchem der weitaus gröfste Theil des deutschen Bauwerkseisens heute gefertigt wird, mitgewirkt haben. Zu dem Zweck schildert er den Typ eines modernen Stahlwerks, oder richtiger, wie er selbst sagt, Flulseisenwerks. Zu einem solchen Stahlwerk gehören 3 Hochöfen, deren jeder etwa 250 t Roheisen in 24 Stunden, insgesammt also 750000 kg, erschmilzt. Das von den Hochöfen abgestochene Roh eisen wird dann in flüssigem Zustande den Convertern des Stahlwerks zugeführt, hier in wenigen Minuten in Flufsschmiedeisen bezw. -stahl verwandelt und in grofse Blöcke gegossen, welche unter Ausnutzung ihrer Giefswärme in kräftigen Walzenstrafsen auf die ver langten Querschnittsformen heruntergewalzt werden. Die Verbilligung gegen früher liegt nun darin, dafs zunächst der Hochofen an sich viel ökonomischer arbeitet, aufserdem aber auch die aus der Gicht ab ziehenden Gase noch völlig ausgenutzt werden, dals ferner ebenso die Schmelzwärme des Roheisens wie die Giefswärme der Stahlblöcke heute voll ausgenutzt werden, während man früher sowohl das Roheisen wie die gegossenen Blöcke erkalten liefs, ehe man zur Weiterverarbeitung schritt. Ein solch’ modernes Stahl werk arbeitet daher, trotz der es treibenden gewaltigen maschinellen Kräfte, fast ohne Kohle. Nachdem Vor tragender dann noch zum Vergleich mit der Leistung eines solchen Stahlwerks einige Streiflichter auf das Arbeitsvermögen des Puddlers und des Rennmeisters aus vergangener Zeit geworfen und dann die heutigen Erzeugungsmengen der verschiedenen Länder unserer Erde an Hand von Schaulinien besprochen hat, fährt er etwa wie folgt fort: »Ich darf als bekannt voraussetzen, dafs die Ab messungen der zu Constructionszwecken hauptsächlich benutzten Querschnitte durch eine freie Vereinbarung zwischen Constructeuren und Hüttenwerken geordnet sind. Während bis vor etwa 15 Jahren jedes Walz werk seine eigene Profilliste besafs, haben jetzt die Werke alle genau dieselben Profile, die sog. Normal profile, in ihren Walzen eingeschnitten; bei ihrer Bildung ist man den verschiedenen Gesichtspunkten gerecht geworden, nämlich in erster Linie das Material so zu vertheilen, dafs es in Bezug auf Tragfähigkeit möglichst ausgenutzt wird, dafs das Profil gut walz bar und eine genügende Auswahl von Querschnitts formen vorhanden ist. Heber den segensreichen Ein- fluls des deutschen Normalprofilbuchs, welches auch vielfach Anerkennung und auch Anwendung im Aus land findet, herrscht bei allen betheiligten Parteien nur eine Stimme. Was nun die physikalische Beschaffenheit des Materials, die sog. Qualität, anbelangt, so ist dies ein wichtiges Kapitel, das schon zu vielen, zum Theil friedfertigen, zum Theil auch weniger friedfertigen Auseinandersetzungen zwischen Herstellern und Ver brauchern Anlafs gegeben hat, das aber glücklicher weise auch durch freundschaftliche Uebereinkunft zwischen den drei grofsen Vereinen, dem Verein deutscher Ingenieure, dem Verbände deutscher Archi tekten- und Ingenieur-Vereine und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute, geregelt worden ist. In den von diesen drei Vereinen herausgegebenen Normalbedin gungen für die Lieferung von Eisenconstructionen für Brücken und Hochbau sind enthalten die Bestimmungen über das Prüfungsverfahren, über die Güte der ver schiedenen in Betracht kommenden Materialien, nämlich Schweifseisen, Flufseisen, Flufsstahl und Gufseisen, sowie die Bedingungen für Herstellung von Eisenconstructionen und deren Abnahme. Diese Be stimmungen sind bei vielen deutschen Behörden pure angenommen oder ihren Lieferungsbedingungen im wesentlichen zu Grunde gelegt, wie sie auch bei pri vaten Bestellern sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Im besonderen für das Trägermaterial aus Flufseisen ist eine Festigkeit vou 37 bis 44 kg f. d. qcm und mindestens 20 % Dehnung in der Längsrichtung fest gesetzt. Das erste Flufseisen, welches als Baumaterial Verwendung fand, war aus Bessemerstahl und viel härter ; man hat mit diesem Material zuerst theilweise schlimme Erfahrungen gemacht. In erst unerklärlich erscheinender Weise traten plötzlich Sprünge ein, und es war die Folge, dafs man dem Material grofses Mifstrauen entgegenbrachte. Dasselbe ist heutzutage, nachdem man erkannt hat, welche Material-Qualitäten zweckmäfsig für den bestimmten Zweck sind, bis auf wenige Ueberbleibsel verschwunden, und darf man in der That dem auf den deutschen Werken hergestellten Bauwerkseisen allgemein das gröfste Vertrauen be züglich seiner Zuverlässigkeit entgegenbringen. Jene mysteriösen Sprünge waren auf zweierlei Fehler zurückzuführen, nämlich entweder auf eine falsche Materialqualität, oder auf eine fälsche Behandlungs weise des Materials. Was letztere anbetrifft, so ist bekannt, dafs das ursprünglich beste Material durch fälsche Behandlungsweise, sei es durch Verbrennung im Feuer, durch Bearbeitung in der sogenannten Blauwärme, durch die Werkzeugmaschinen oder den Schmiedehammer, geschädigt werden kann, so dafs es die vorherige Zuverlässigkeit einbüfst. Da man aber heutzutage alle diese Fehlerquellen erkannt hat, so ist es auch unschwer, dieselben zu vermeiden. Gegenwärtig sind noch weitere Unterhandlungen zwischen den drei grofsen Vereinen im Gange, um auch allgemein gültige Vorschriften für die Bean spruchung des Eisens aufzustellen, d. h. gewisser- mafsen den Sicherheitsgrad festzusetzen, mit welchem die Construction zu arbeiten hat. Es erscheint dies indessen nicht möglich, ohne gleichzeitig das Be- rechnungsverfahren und die Constructionsgrundsätze im allgemeinen in Berücksichtigung zu ziehen, was natürlich die Einigung wesentlich erschwert. In Bezug auf diese Beanspruchungsgröfsen, für deren Normirung die Anschauungen noch sehr aus einandergehen, ist zwischen Hochbau- und Brücken- bau-Constructionen ein wesentlicher Unterschied zu machen, weil letztere ständig Erschütterungen und stofsweifsem Auftreten der Belastung ausgesetzt sind, während wir bei Hochbauten in der Regel nur ruhende Belastung zu verzeichnen haben, daher auch diese entsprechend höher nehmen können. Die Polizeibehörden in unseren grölseren Städten gehen nach Ansicht sowohl vieler Constructeure, als auch