Volltext Seite (XML)
1. April 1895. Ueber amerikanische Balkenbrücken der Neuzeit. Stahl und Eisen. 317 felder grofser Träger erhält indefs vielfach aus den verticalen Lasten so geringe Beanspruchungen, dafs die aus den Horizontalkräften herrührende Druckspannung gröfser sein kann als die Zug spannung, welche sie bei unbelasteter Brücke aufzunehmen hat. In diesem Falle mufs die untere Gurtung in den Endfeldern steif con- struirt werden. Wenn es sich dabei nur um kleine Druckspannungen handelt, so befähigt man die Flacheisenstäbe durch Einziehen von Steh bolzen zur Aufnahme derselben; sind die Druck spannungen aber bedeutend, so mufs man Quer schnitte wählen, wie sie im folgenden Abschnitt besprochen werden. Herstellung der gedrückten Constrnctionstheile. Die bei den neueren Brücken angewandten Querschnitte weichen in ihrer Zusammensetzung von den bei uns üblichen nicht wesentlich ab. Die Umstände, welche die Wahl eines Quer schnitts für gedrückte] Constructionstheile beein flussen, sind: Rücksichten auf Billigkeit in der Herstellung, auf den Preis der einzelnen Profil eisen und auf die Fähigkeit des Querschnitts, den in der Festigkeitslehre entwickelten Ansprüchen zu genügen, welche au die Querschnitte gedrückter Stäbe gestellt werden. Sodann mufs der ge wählte Querschnitt sich dem in Aussicht ge nommenen Trägersystem und seiner Detailaus bildung gut anpassen. Für die obere Gurtung wendet man hauptsächlich die in Fig. 27 bis 30, für die Verticalen die in Fig. 31 bis 35 ge zeichneten Querschnitte an. Dabei gelten auf einzelnen Constructionsbureaus bei Bestimmung der verschiedenen Abmessungen des in Fig. 36 dargestellten sehr häufig wiederkehrenden Profils folgende praktische Regeln: Die Stärke der oberen Lamelle soll nicht weniger betragen als 1/40 des Abstandes der Nietreihen, durch welche sie auf die Winkel geheftet ist; die Dicke des Steh blechs mufs mindestens 1/30 der Entfernung der beiden Nietreihen sein, welche die Stehbleche mit den Winkeln verbinden; die Schenkelstärke der Winkeleisen soll wenigstens 8/4 der Dicke des stärksten Bleches betragen, welches mit ihnen vernietet ist. Die Entfernung der Stehbleche voneinander mufs etwa 8/4 bis 7/8 ihrer Höhe sein, und die freie Länge eines gedrückten Stabes darf höchstens 50 mal so grofs sein, als seine geringste Breite, oder höchstens 150 mal so grofs, als der kleinste Trägheitshalbmesser. Diese Regeln beziehen sich indefs nur auf den Fall, dafs die Kräfte durch Laschen auf den Drehbolzen über tragen werden und nicht durch Berührung der stumpfen Enden der Gurtstäbe von Stab zu Stab, indem in letzterem Falle den Platten eine etwas gröfsere Dicke gegeben werden mufs. Kurz erwähnt müssen auch einige Formen werden, welche früher im amerikanischen Brücken bau eine grofse Rolle gespielt haben, jetzt aber nicht mehr bei Brücken angewandt werden, wo gegen sie für andere gedrückte Bautheile, wie z. B. Säulen in Gebäuden, nach wie vor werth- voll sind. Dahin gehört zunächst die sogenannte Phönixsäule, eine schmiedeiserne Röhre, deren Querschnitt aus mehreren Segmenten besteht, welche nach aufsen vortretende Rippen haben und durch Vernietung dieser Rippen untereinander verbunden sind (Fig. 37). Die Zahl der Segmente beträgt je nach der Gröfse des Profils 4, 5, 6, 7 oder 8. Die Knotenpunktverbindungen ge stalteten sich bei diesem Profil recht einfach, es wurde ihm aber mit Recht der Vorwurf gemacht, dafs es einen Hohlraum einschliefse, der un zugänglich sei, in welchem man daher die Rost bildung nicht überwachen könne, and so ist es etwas in Mifscredit gekommen. An den oberen Knotenpunkten schaltete man kurze Gufsstücke ' ein, welche den beiderseitigen Abschnitten der I oberen Gurtung sowie den Verticalen eine ge- j nügende Auflagerfläche boten und dieselben durch kurze in den Hohlraum dieser Stäbe eingreifende cylindrische Zapfen in ihrer Lage sicherten. Fig. 36. Durch diese Gufsstücke wurden die Knotenpunkt bolzen, an denen auch die Diagonalen und Gegen diagonalen angriffen, hindurchgesteckt. Für die Quersteifen der Windverstrebung, welche wiederum als kleine Phönixsäulen hergestellt wurden, ent hielt das Gufsstück ebenfalls eine Auflagerfläche und einen Zapfen, während die Diagonalen der Windverstrebung durch dasselbe hindurchgesteckt j wurden und in einfachster Weise in Schrauben und Muttern endigten. Einen Nachtheil hatten | diese Gonstructionen mit Phönixsäulen noch, J woran letztere aber weniger schuld waren als die Detailconstruction der Knotenpunkte: die aufserordentliche Länge der Gelenkbolzen, welche bei einigen Brücken bis 1,8 m betrug. Der Phönixsäule eng verwandt ist die Keystone- säule, bei welcher die einzelnen Segmente nicht rund, sondern eckig ausgebildet sind und bis weilen durch einen schmalen Zwischenraum ge trennt werden, welcher die Erneuerung des An strichs im Innern ermöglicht (Fig. 38). Infolge eines Processes, den die Phönixville Works gegen die Keystone-Gesellschaft anstrengten und ge- j wannen, mufste letztere die Anfertigung solcher Querschnitte unterlassen und führte dafür einen | andern ein, bei welchem die Verbindung der I einzelnen Theile unter gänzlichem Ausschlufs der