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15. Februar 1900. Bericht an die am 5. Febr. 1900 abgehaltene Hauptversammlung etc. Stahl und Eisen. 195 zugänglich gemacht worden. Wir werden in aller nächster Zeit an dieBerathung desselben herantreten. Wie im Vorjahre sind uns wiederholt beim Herrn Minister für Handel und Gewerbe eingegangene Anträge, betreffend die zollfreie Einfuhr von Halbstoffen zur Wiederausfuhr nach stattgefun dener Veredlung, mit dem Ersuchen um Abgabe eines Gutachtens übersandt worden. Das letztere hat in keinem einzigen Falle ein zustimmendes sein können. Mafsgebend für unsere ablehnende Stellung nahme war wie im Vorjahre die Ansicht, dafs jede Gewährung einer derartigen zollfreien Einfuhr eine Durchbrechung unseres Zollsystems bedeuten würde. Angesichts der durchaus günstigen Ent wicklung aber, die unsere Industrie unter dem System der Herrschaft mäfsiger Schutzzölle ge nommen hat, ist, wie wir glauben, die Pflicht erwiesen, dieses System in vollem Umfange und unverkürzt aufrecht zu erhalten, da es die ge- sammte vaterländische Arbeit vermehrt und ge hoben hat. Unserer Meinung nach sollten die industriellen Werke mit der Stellung derartiger Anträge namentlich da völlig zurückhaiten, wo es sich, wie wir mehrfach haben feststellen können, nur um ganz geringe Mengen einzuführender Halb erzeugnisse handelt; denn in allen solchen Fällen können doch auch nur verhältnifsmäfsig unbe deutendere Ausfuhrinteressen und -Gewinne in Frage kommen, die weit zurückstehen müssen hinter der mit einer Durchbrechung unseres Wirthschafts- und Zollsystems verbundenen Gefahr. Im übrigen hat die Gruppe durchaus nicht die Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten verkannt, mit denen zeitweilig die halbzeugverbrauchenden Werke zu kämpfen hatten und die im wesentlichen auf die ganz aufsergewöhnlichen Verhältnisse des inländischen sowohl wie des ausländischen Marktes zurück zuführen waren. Diese Schwierigkeiten und Un- zuträglichkeiten zu mildern ist die Gruppe mit Ernst bestrebt gewesen. Auf dem Gebiete des Ausstellungswesens hat die Gruppe das Vorhaben einer Industrie- und Gewerbeausstellung in Verbindung mit einer nationalen Kunstausstellung in Düsseldorf 1902 nach besten Kräften zu fördern gesucht. Die Vor bereitungen zu diesem Unternehmen sind in vollem Gange. Zahlreiche Anmeldungen aus allen In dustriezweigen lassen es schon heute als gewifs erscheinen, dafs die Bedeutung dieser Ausstellung eine aufserordentlich umfassende und hervorragende sein wird. Wir benutzen die Gelegenheit dieses Jahresberichts, um an diejenigen Geschäftsunter nehmungen, welche für das Jahr 1903 neue gröfsere Maschinenanlagen bedürfen, noch einmal die Bitte zu richten, dafs sie die letzteren schon jetzt in Auftrag geben, damit dieselben von den Maschinenfabriken als Ausstellungsobjecte benutzt werden können. Mit der Organisation der Wasserbau verwaltung sich zu beschäftigen hatte die Gruppe wiederum Veranlassung, weil der „Deutsche Handelstag“ diesen Gegenstand auf die Tages ordnung seiner Vollversammlung gesetzt hatte. An unserem Beschlufs von 1898 festhaltend, stimmten wir auch auf dem Handelstage gegen die etwanige Uebernahme dieser Verwaltung durch das landwirthschaftliche Ministerium. Auch unserer Ansicht nach ist die gefahrlose Abführung des Wassers, welche bezüglich des Ausbaues der natürlichen Gewässer die nächstliegende Aufgabe der Wasserbauverwaltung bildet, eine allgemeine, keineswegs vorwiegend landwirthschaftliche An gelegenheit. Am Verkehr auf den natürlichen und künstlichen Wasserstrafsen sind Industrie, Handel und Schiffahrt in erster Linie betheiligt. Die grofsen Aufgaben, welche die Wasserbau verwaltung hierbei zu erfüllen hat, verlangen, dafs sie einer Behörde anvertraut werden, welche die Gewähr dafür bietet, die Förderung des Ver kehrs nicht hinter den einseitigen oder vermeint lichen Interessen eines einzelnen Berufsstandes zurücktreten zu lassen. Dieser Bedingung ent spricht das Landwirthschaftsministerium nicht. Sein Zweck ist in erster Linie die Förderung der Landwirthschaft, und bei einem Widerstreit der Interessen oder Anschauungen der Landwirth schaft auf der einen und der Industrie und des Handels auf der anderen Seite wird es leicht ge neigt sein, die Partei der Landwirthschaft zu er greifen. Von einer Uebertragung der gesammten Wasserbauverwaltung auf das genannte Ministe rium ist daher zu befürchten, dafs mangels der erforderlichen Initiative der Ausbau der natür lichen und künstlichen Wasserstrafsen zum schweren Schaden unserer wirthschaftlichen Entwicklung vernachlässigt und der Industrie, dem Handel und der Schiffahrt in der Wasserbauverwaltung diejenige Berücksichtigung versagt wird, die sie bei einer den verschiedenen Berufsarten gewisser- mafsen neutral gegenüberstehenden Behörde zu finden erwarten dürfen. Aus diesen Gründen halten wir es nicht für thunlich, dafs die ge- sammte Wasserbau Verwaltung dem Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten über tragen werde. Was das Verkehrswesen anbelangt, so stand im Vordergrund sowohl der politischen als der wirthschaftlichen Erörterung die Vorlage der Staatsregierung betreffend den Bau eines Schiff fahrtskanals vom Rhein bis zur Elbe. Selten ist dem Landtage eine in allen Theilen so vorzüglich begründete und mit einer nach jeder Richtung hin so vortrefflichen Denkschrift be gleitete Gesetzesvorlage zugegangen, wie diese. Welche Gründe für die gleichwohl erfolgte Ab lehnung mafsgebend waren, soll hier nicht erörtert werden; aber einige wenige Punkte bedürfen doch an diesem Orte der Klarstellung. Wiederum ist bei dieser Gelegenheit vom „begehrlichen Westen“ die Rede gewesen. Worin besteht nun unsere