Volltext Seite (XML)
188 Stahl und Eisen. Bericht an die am 5. Febr. l!)00 abgehaltene Hauptversammlung etc. 15. Februar 1900. Industrieller“ veranlafsten, in einer am 3. Juni zu Berlin abgehaltenen Delegirtenversammlung noch einmal Stellung zu der ganzen Frage zu nehmen. Wir stimmten in dieser Versammlung den nachfolgenden Beschlulsanträgen zu: , I. Mit Bezug auf die Beschlüsse der Commission und die bisherigen Ergebnisse der zweiten Lesung, betreffend den Entwurf eines Invalidenversicherungs gesetzes, im Reichstage, hält der Centralverband im allgemeinen an den von der Delegirtenver sammlung am 28. Februar 1899 gefafsten Be schlüssen fest. II. Der Centralverband erkennt dabei an, dafs durch die dem § 20 a gegebene Fassung und durch die Beseitigung der in dem § 21a des Entwurfs enthaltenen Bestimmungen, unter Ver meidung der von ihm beanstandeten Auftheilung der Vermögen der Versicherungsträger, ein gang barer Weg zur Gesundung der anscheinend nolhleidenden Versicherungsanstalten beschritten wird. Der Centralverband erachtet jedoch nach wie vor, dafs derselbe Zweck in Verbindung mit wesentlichen anderen Verbesserungen der In validen- und Altersversicherung vollkommener hätte erreicht werden können durch die Errichtung einer Reichsversicherungsanstalt, bezw. durch Zu sammenlegung oder andere Gruppirung der Ver sicherungsanstalten in den betreffenden Bundes staaten. III. Die in § 1 Ziff. 2 vorgenommene Er weiterung der Versicherungspflicht und ganz besonders die in § 8 beschlossene Ausdehnung der freiwilligen Versicherung (Selbstversicherung) auf giofse, nicht zu den Arbeitern gehörende Schichten der Bevölkerung, erachtet der Central verband als eine weitere Durchbrechung des der Arbeiterversicherung überhaupt zu Grunde liegen den Princips, gegen die Verwahrung einzulegen er sich um so mehr verpflichtet hält, da die betreffenden Bestimmungen ernste Schädigungen der Versicherungsanstalten und damit der Interessen der betheiligten Arbeiter zur Folge haben müssen. IV. In dem vom Reichstage angenommenen Anträge* der Abgeordneten Stötzel und Genossen zu § 5 erblickt der Centralverband einen durchaus unberechtigten und daher entschieden zurückzu weisenden Eingriff in die Gesetzgebung der Einzel staaten, wie insbesondere in die Organisation und Verwaltung der Knappschaftskassen. Der Central- * „In § 5 als Ziffer la einzuschieben: Bei der Verwaltung der Kassen müssen die Versicherten mindestens nach Mafsgabe des Verhältnisses ihrer Beiträge zu den Beiträgen der Arbeitgeber durch in (sic !) geheimer Wahl gewählte Vertreter betheiligt sein. Als Ziffer 3a einzuschieben: Wenn für die Ge währung der reichsgesetzlichen Leistungen besondere Beiträge von den Versicherten erhoben werden oder eine Erhöhung der Beiträge derselben eingetreten ist oder eintritt, so dürfen die reichsgesetzlichen Leistungen an Kassenmitglieder nur zu dem den Reichszuschufs übersteigenden Betrage auf die Kassenleistungen für diese Mitglieder angerechnet werden.“ verband würde es beklagen, wenn durch Aufrecht erhaltung dieses Beschlusses die segensreiche Wirksamkeit der Knappschaftskassen eingeengt und in denselben der socialdemokratischen Agitation ein weiteres Gebiet eröffnet werden sollte. V. Die örtlichen Rentenstellen, auch wenn sie nach den vorläufig in zweiter Lesung gefafsten Beschlüssen nur facultativ eingerichtet werden sollten, hält der Centralverband für überflüssig, da nichts dafür bürgt, dafs sie die ihnen zu gewiesenen, im Rahmen des bisherigen Gesetzes liegenden Aufgaben besser erfüllen würden, als die bisher mit ihnen betrauten Organe, und für i schädlich, da sie die Quelle schwerer Mifsstände bilden können und gleichfalls eine sichere Grund lage für die Stärkung und Vermehrung der socialdemokratischen Agitation sein würden. Der Gentralverband spricht sich daher wiederholt entschieden gegen alle Bestimmungen aus, durch welche die Errichtung der örtlichen Rentenstellen ermöglicht werden könnte. VI. Die Commission will durch die Einfügung i der §§ 130 a ff. die Versicherungsanstalten zu ' dem Erlafs von Schutzmafsregeln und zur Ueber- wachung der Ausführung solcher ermächtigen. Da bereits fünf mit jenen Befugnissen ausgestattete, nebeneinander stehende, theils vom Reich, theils von den Einzelstaaten eingesetzte Instanzen be stehen, so erachtet der Centralverband in jenen | Bestimmungen nicht nur eine durchaus unbegründete und überflüssige Belastung der Versicherungs- j anstalten und Belästigung der Betriebsunternehmer I und Gewerbetreibenden, sondern auch die Ursache von Conflicten und anderen Unzuträglichkeiten, die durch Ausscheidung jener Paragraphen ver mieden werden sollte.“ Leider hat der Reichstag nur in Bezug auf den Erlafs von Schutzmafsregeln dem Wunsche der Industrie entsprochen und die betreffenden Vorschläge der Commission abgelehnt, dagegen ■ den schwerwiegenden Bedenken bezüglich der Ausdehnung der freiwilligen Versicherung, bezüglich des Antrages Stötzel und Genossen sowie bezüglich der örtlichen Rentenstellen, nur zum Theil durch Abschwächung der Commissionsbeschlüsse Rech nung tragen zu sollen geglaubt. Wir glauben nicht, dafs die in Rede stehenden Bestimmungen der Novelle die segensreiche Wirksamkeit des | Gesetzes fördern werden, und vermuthen, dafs I die Zeit kommen wird, in der man — wie schon so oft — nachträglich einsehen wird, dafs die Industrie mit ihren Vorschlägen durchaus das Richtige getroffen hat. Wenn bei der Berathung dieser Novelle wiederum Vieles und durchaus Unzutreffendes über die Verschmelzung der drei Versicherungsarten (Kranken-, Unfall- und In validitätsversicherung) in eine einzige Versicherung geredet wurde, so müssen wir demgegenüber unsere bezüglich einer solchen Verschmelzung | hervorgehobenen Bedenken durchaus aufrecht er-