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Schmelzung der Kranken-, Unfall- und Invaliden versicherung in eine diese drei Zweige der Ver sicherung in sich vereinigende Organisation für unausführbar. Mit dem neuen Entwürfe erkennt sie das Dasein zwingender Gründe für die Herbei führung einer solchen Vereinigung nicht an und mufs sich gegen jeden derartigen Versuch um so mehr ablehnend verhalten, als vorhandenen Mängeln im Rahmen der bestehenden Organisation ab geholfen werden kann. II. Mehrere Bestimmungen des neuen Ent wurfs sind geeignet, eine Reihe von Mifsständen zu beseitigen, die bei der Durchführung des Gesetzes hervorgetreten sind. Zu diesen Be stimmungen können aber die von den Motiven so warm empfohlenen örtlichen Rentenstellen nicht gerechnet werden, gegen deren Einrichtung sich die Industrie mit aller Entschiedenheit er klären mufs. Sie erblickt in der Errichtung derselben eine Förderung der socialdemokratischen Agitation, der durch diese staatliche Einrichtung eine neue Stelle erweiterter Wirksamkeit und vermehrten Einflusses gegeben wird. Aufserdem befürchtet sie von ihnen eine Erschütterung der Einheitlichkeit in der Praxis der Rentenbewilligung und eine Quelle von Conflicten zwischen den Rentenstellen und den Versicherungsanstalten. Die bisher hervorgetretenen Unzuträglichkeiten, die zum Theil in dem seiner Zeit überhasteten Abschlufs des Gesetzes ihren Grund haben, zum Theil sich als Mängel darstellen, die jeder Uebergangsperiode anhaften, werden auch ohne die Errichtung örtlicher Rentenstellen, die übrigens mit unverhältnifsmäfsig hohen Kosten verbunden sein würde, schwinden, je mehr an die Stelle des Uebergangsstadiums feste, normale Verhältnisse treten, und je mehr sich das Gesetz in die weiteren Kreise der Bevölkerung einlebt. III. Die bezüglich des Markensystems und der Erhebung der Beiträge vorgeschlagenen neuen Bestimmungen werden für geeignet erachtet, das Verfahren zu erleichtern und die Erhebung der | Beiträge mehr als bisher sicherzustellen, und es I wird anerkannt, dafs bis auf weiteres die Renten bemessung nach Arbeitsdauer und Lohnhöhe und in Verbindung damit auch das Markensystem beizubehalten sei. IV. Die in Vorschlag gebrachte anderweitige Vertheilung der Rentenlast und die damit ver bundene Auftheilung des Vermögens kann nicht als gerechtfertigt anerkannt werden. Wenn bei einzelnen Versicherungsanstalten das vielleicht nur vorübergehend hervorgetretene Mifsverhältnifs zwi schen dem erforderlichen Deckungskapital und dem vorhandenen Vermögen überhaupt ein dauerndes werden sollte, so darf demselben durch die Gonfiscation eines Theiles des angesammelten Vermögens günstiger situirter Anstalten schon | um deswillen nicht abgeholfen werden, weil | darin eine schwere Beeinträchtigung der ver- | sicherten Arbeiter liegen würde. Auch betritt das vorgeschlagene Verfahren den Weg einer socialistischen Auftheilung des Kapitals, der zu den bedenklichsten Consequenzen führen kann, und insbesondere zu einer verhängnifsvollen Lähmung des Interesses an einer weiteren Vermögensbildung innerhalb der einzelnen Ver sicherungsanstalten zweifellos beitragen würde. V. Gegen die im Entwurf vorgeschlagene ! wesentliche Erhöhung der Grundbeträge der Invalidenrente und die dementsprechende Minderung der Steigerungssätze mufs Einspruch erhoben werden, da einerseits Billigkeitsgründe in keiner Weise für diese Mafsnahme angeführt werden können, andererseits mit der nur der „Gerneinlast“ zufallenden Erhöhung insofern eine grofse Gefahr verbunden ist, als sie das Interesse der einzelnen Versicherungsanstalten an einer weiteren Ver mögensbildung hintanhält. Auch würde die Minderung der Steigerungssätze das Interesse der Versicherten an der richtigen Verwendung der Marken wesentlich abschwächen. Hauptsächlich aber spricht gegen diese Mafsregel, dafs eine grofse Verschiebung in der Gewährung der Renten | eintritt, die dadurch ungerecht wirkt, dafs die jenigen Versicherten, welche verhältnifsmäfsig wenig beigetragen haben, höhere Renten erhalten, die länger und mehr Zahlenden aber weniger bekommen. VI. Gegen die Bestimmung des Entwurfs, nach welcher die Landescentralbehörde bezw. der betreffende Garantieverband befugt sein soll, gegen den von dem Ausschufs der Versicherungs anstalten aufgestellten Entwurf des Voranschlags Anstände zu erheben, und, wenn diese nicht beseitigt werden, den von dem Ausschüsse fost- gestellten Plan entsprechend zu ändern, mufs, wie gegen alle das Princip der Selbstverwaltung ein schränkenden Vorschriften des Entwurfs, Ver wahrung eingelegt werden.“ Der „Gentralverband deutscher Industrieller“, dem diese Beschlüsse überwiesen wurden, eignete sich dieselben nach eingehender Berathung ein stimmig an und fügte nur noch im Absatz IV am Schlufs das Nachfolgende hinzu: „Jene Mifsstände, die bei Errichtung einer von der Industrie seiner Zeit befürworteten Reichs versicherungsanstalt überhaupt nicht hätten hervor treten können, werden auch heute noch durch veränderte Gruppirung oder Zusammenlegung der Versicherungsanstalten innerhalb der in Frage kommenden Bundesstaaten oder durch Errichtung einer Reichsanstalt beseitigt werden können, bei der das angesammelte Vermögen den Anstalten zu belassen und die Beitragshöhe beizubehalten, aber mit einer neuen Deckungskapitalbildung zu beginnen wäre.“ Die Berathung im Reichstag nahm in der 2. Lesung mehrfache Aenderungen an dem Ent wurf vor, die den „Centralverband deutscher