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1. Januar 1900. Ersparnisse in der Bewegung der Rohstoffe für die Eisendarstellung. Stahl und Eisen. 9 Jahre 1878 veranstalteten Enquete ist erinnerlich, dal's, während bei uns die Frachten rund 28 % der Gestehungskosten des Roheisens ausmachten, die englischen Hochöfen nur mit 10 % zu rechnen hatten, eine Erscheinung, deren Erklärung man sofort findet, wenn man einen Blick auf den Clevelander Bezirk wirft, wo Kohle und Erze in nächster Nähe an Seehäfen Vorkommen. Wenn es seit jener Zeit, in der die Verhältnisse sich nicht viel verschoben haben, trotz dieses mächtigen Wettbewerbs der deutschen Hochofenindustrie gelungen ist, sich in der bekannten Stetigkeit erfreulich zu entwickeln, so haben wir dies zum einen Theil dem im Anschlufs an die damalige Enquete eingeführten mäfsigen Schutzzoll, zum andern Theil der Energie unserer Eisenhüttenleute zu verdanken, welche, sich den Verhältnissen anpassend, unsere Eisenindustrie in einer eigenartigen, von derjenigen des Auslandes durchaus verschiedenen Richtung entwickelten. Dies im einzelnen darzulegen, würde mich hier zu weit führen; ich erinnere nur daran, dafs, während der Tonnen gehalt der bei uns erbauten Schiffe noch nicht 1/s der englischen Bauten erreicht, * die deutsche Formeisenerzeugung, das deutsche Drahtgewerbe u. a. m. sich in solcher Weise entwickelt haben, dafs die Erzeugnisse dieser Art vor der Thür der britischen Hütten Absatz finden. Wenn der amerikanische Wettbewerb seit einiger Zeit uns beunruhigt hat, so liegt dies an Gründen, über welche ich die Ehre hatte, vor zwei Jahren an dieser Stelle zu berichten. Das durchschlagende Moment der mit erstaunlicher Plötzlichkeit in die Erscheinung getretenen, selbst Sachkennern unerwarteten Wendung der amerikanischen Eisenindustrie in ihrem Verhältnifs zum Weltmarkt war, wie ich damals darlegte, auf die durch beispiellose Ermäfsigung der Frachtkosten erfolgte Ueberbrückung der Entfernungen zwischen Erzlagerstätten und Kohlenfeldern sowie den Seehäfen zurückzuführen. Der in den beliebt gewordenen Vergleichen zwischen hiesigen und amerikanischen Verhält nissen häufig erklingende Vorwurf, die deutschen Hütten hätten sich durch die Amerikaner hinsichtlich der mechanischen Handhabung der Rohstoffe überflügeln lassen, ist mit Vorbehalt zu nehmen. Die Leistungen der Amerikaner auf diesem Gebiete sind unbestritten hervorragender Eigenart, sie finden ihre Erklärung durch die Arbeiterverhältnisse und die glücklichen natürlichen Vorkommen, aber auch den frischen Wagemuth, mit welchem der Amerikaner vorhandene Einrichtungen zum alten Eisen wirft, sobald er sie durch bessere zu ersetzen vermag. Die in mächtigen Lagern anstehenden Erze fallen gleichmäfsig, sie lassen sich zum Theil mit Baggermaschinen abgraben, während die Kohle hart und von gleicher Korngröfse ist, Umstände, welche die maschinelle Handhabung wesentlich erleichtern. Die Eisenbahnlinien, welche die Erzlager mit den oberen Häfen verbinden, sind ebenso wie das Wagenmaterial zumeist für den Erztransport eigens gebaut, dasselbe ist bei den Schiffen der Fall, und bei den vielen Eisenbahnen, welche die unteren Häfen mit den Hüttenplätzen verbinden, herrscht lebhafter Wettbewerb, welcher für die neuesten Fort schritte sorgt. Durch die neuerliche Bildung der mit riesigen Kapitalien ausgerüsteten Gesell schaften, welche Hochöfen, Stahl- und Walzwerke, Erz- und Kohlenfelder, sowie Schiffs- und Eisenbahnbesitz in einer Hand vereinigen, ist der glücklichen Lösung der Transportfrage natürlich weiterer Vorschub geleistet, der den amerikanischen Eisenwerken vor den unsrigen einen beträcht lichen Vorsprung sichert, denn wenn durch die bei uns zu Tage getretenen Consolidationsbestrebungen auch manches Hochofenwerk mehr sich seine Erze und Kohlen gesichert hat, so fehlt ihnen allen infolge des Staatsmonopols das Transportmittel als das Bindeglied zwischen den, in grofsen Massen und unter hohem Kostenaufwand zu bewegenden Rohstoffen. -— Wenn wir nun bei der Umschau auf den Umlade- und Lagerplätzen unserer Hütten, trotz der im besten Zug befindlichen Fortschritte, uns des Gedankens nicht zu erwehren vermögen, dafs dort noch manche Tonne Kohle, Eisen- und Kalkstein von Hand geschaufelt und umgeschaufelt und dadurch eine Unsumme von menschlicher Arbeit verrichtet wird, deren Ersatz durch Anwendung maschineller Einrichtungen recht gut möglich ist, so bedarf es bei dem Umstand, dafs der weitaus gröfste Theil dieser Materialien durch Eisenbahnwagen herbeigeschafft wird, keiner weiteren Auseinandersetzung, dafs deren zweckmäfsige Beschaffenheit unerläfsliche Vorbedingung für die Einführung rationeller Bewegung der Rohstoffe ist. Ihre heutige Normalform, welche ausgiebige Anwendung der Handschaufel bedingt, wenn man nicht den ganzen Wagen kippt, kann den Anspruch auf eine solche Beschaffenheit nicht erheben, darüber ist sich Jedermann ebenso klar, wie es andererseits schwierig ist, eine den Bedürfnissen der Bestellei’ in jedem einzelnen Fall gerecht werdende Form zu finden. Einen beachtenswerthen Anfang nach dieser Richtung hat die Wagenbauanstalt von Gust. Talbot & Co. in Aachen durch den Bau von seibstentladenden Fahrzeugen vermittelst geneigter aufklappbarer Gleitbleche gemacht;** dem Vernehmen nach ist die Einstellung einiger Hundert dieser Wagen, * Im Jahre 1898 erbaute Deutschland 114 Schiffe mit 168400 t, Grofsbritannien (ohne Colonien) dagegen 761 Handelsschiffe mit 1367570 Registertonnengehalt, dazu noch 41 Kriegsfahrzeuge mit 191555 t Wasser verdrängung. ** Vergl. „Stahl und Eisen“ 1899 8. 126; Zeitschrift des „Vereins deutscher Ingenieure“ 1899 8. 1251.