Volltext Seite (XML)
KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Donnerstag, den 30. November 1967, 19.30 Uhr Sonnabend, den 2. Dezember 1967, 19.30 Uhr Sonntag, den 3. Dezember 1967, 19.30 Uhr 3. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Läszlö Mezö, VR Ungarn, Violoncello Etienne-Nicolas Mehul 1763-1817 Sinfonie g-Moll Allegro Andante Menuett Allegro agitato Zum 150. Todestag des Komponisten am 18. Oktober 1967 Darius Milhaud geb. 1892 Konzert Nr. 1 für Violoncello und Orchester Nonchalant Grave Joyeux Erstaufführung Zum 75. Geburtstag des Komponisten am 4. September 1967 PAUSE Ludwig van Beethoven 1770-1827 Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 Poco sostenuto—Vivace Allegretto Presto Allegro con brio LÄSZLÖ M E Z ö wurde 1939 in Szeghalom (Ungarn) gebo ren. Seine ersten musikalischen Unterweisungen erhielt er als Zehnjähriger zunächst im Kla vier- und Violinspiel. 1951 be gann seine systematische Aus bildung im Violoncellospiel. Von 1954 an studierte er an der Budapester Musikfachschule, und 1957 setzte er seine Studien als Schüler von Prof. Antal Friss an der Budapester Musikhochschule im dritten Studienjahr fort. Im gleichen Jahr errang er beim „Pablo-Casals-Wettbewerb" in Paris die Goldmedaille. Beim Internationalen Violoncello- Wettbewerb „Pablo Casals" in Budapest 1964 erhielt der Künstler gemeinsam mit dem sowjetischen Cellisten Michail Chomitzer den 1. Preis und die Goldmedaille. Mit besonderer Liebe widmet sich Läszlö Mezö auch dem kammermusikalischen Spiel. Hier konnte er als Mit glied des Komlos-Quartetts beim „Joseph-Haydn-Wettbewerb" in Budapest 1959 den 2. Preis ge winnen. LOTHAR SEYFARTH, seit Beginn der neuen Spielzeit 1967/68 als Nachfolger Gerhard Rolf Bauers Dirigent der Dresd ner Philharmonie, wurde im Jahre 1931 in Bernsbach/Erz- gebirge geboren und erhielt seit dem siebenten Lebensjahr Musikunterricht. Nach dem Abi tur studierte er 1950 bis 1955 an der Hochschule für Musik in Leipzig zunächst Klavier, dann Dirigieren bei den Professoren Egon Bölsche und Franz Jung. 1955 ging er als Solorepetitor und Kapellmeister an das Thea ter der Werftstadt Stralsund. 1962 wurde er als musikalischer Oberleiter an das Theater der Altmark Stendal berufen. 1964 bis 1967 wirkte er als Chef dirigent des DEFA-Sinfonie- orchesters in Potsdam-Babels berg. Gastdirigate führten ihn bisher an das Große Rundfunk orchester Leipzig, an das Ber liner Städtische Sinfonieorche ster und zur Dresdner Philharmonie. Neben seiner di rigentischen Tätigkeit kompo nierte er Schauspiel- und Bal lettmusiken, Songs und Film musiken. ZUR EINFÜHRUNG Von der musikwissenschaftlichen Forschung wird immer umfassender der Einfluß der französischen Revolutionsmusik auf das sinfonische Schaffen Beethovens nachgewiesen. Wie der Geist der Französischen Revolution das Weltbild und die Ideale des großen deutschen Komponisten wesentlich mitbestimmt hat, so hat auch die kämpferische und vorwärtsdrängende Musik dieser Epoche ihre Ein drücke auf Beethoven nicht verfehlt. Es ist aus diesem vergleichenden Blickwinkel besonders interessant, ein bedeutendes Werk dieser Zeit zu hören: die Sin fonie g-Moll von Etienne-Nicolas Mehul. Der im Jahre 1763 geborene Komponist (gestorben 1817) darf wohl neben Gretry (1742—1813), Gossec (1734—1829) und Cherubini (1760—1842) als bedeutendster Vertreter der französischen Revolutionsmusik gelten. In Paris als Organist, später als Musiklehrer tätig, Inspektor des Conservatoire und Akademiemitglied, schrieb Mehul zahlreiche Opern, sinfonische Werke, Festmusiken und Chöre für das „Fest des höchsten Wesens", dazu auch Massenlieder wie beispielsweise den berühmten „Chant du Deport". Von den insgesamt sechs Sinfonien ist die g-Moll-Sinfonie das deutlichste Beispiel für die „Einfachheit, Größe und Ent schlossenheit, die den demokratischen Künstler charakterisieren soll", wie Mehul selbst forderte. Das Werk entstand im selben Jahr, in dem Beethovens fünfte Sinfonie zur ersten Aufführung gelangte — 1808. In vollkommener Unabhängig keit voneinander entstanden, müssen gewisse Ähnlichkeiten im Wesen der Werke, aber auch in Details um so mehr frappieren, Ähnlichkeiten, auf die schon Robert Schumann hingewiesen hat und die ein bedeutsames Licht auf Beethovens geistige Nähe zur Französischen Revolution werfen. Andererseits aber überrascht die musikalische Größe, die Eindringlichkeit der thematischen Erfindungen, die dramatisch-sinfonische Verarbeitung der Themen in der an sonsten an überragenden Werken vor Berlioz nicht gerade reichhaltigen fran zösischen sinfonischen Literatur. Ohne Einleitung setzt im ersten Satz (Allegro) das aus Holzbläsern, Strei chern und Pauken bestehende Orchester klar und bestimmt mit dem aus Drei klangsbrechungen und großen Sprüngen gebildeten ersten Thema ein. Eine kreisende Achtelbewegung gehört zu diesem Themenkreis genauso wie ein fanfarenartiges Quartsprungmotiv und abschließend eine kadenzierende Zwei unddreißigstelfigur. Gesanglich gibt sich das zweite Thema, in seinen geraden Tonleiterausschnitten deutlich gegen die Sprunghaftigkeit des ersten Dreiklang themas abgesetzt. Schon in der Exposition, weitaus dramatischer aber noch in der Durchführung, werden diese gegensätzlichen Themen, ihre einzelnen Motive gegeneinander geführt. Der Verehrer der französischen Barockmeister zeigt hier sein kontrapunktisches Können. Ist die Durchführung wiederum mit den Zwei unddreißigstelkadenzen abgeschlossen, beginnt Mehul die Reprise mit dem zweiten Thema, das erst ziemlich weit entwickelt wird, ehe das erste Thema zu seinem Recht kommt. Auch die Coda ist noch reich an kämpferischer Stirn-' mung. Harmlos — inhaltlich wie formal - zeigt sich der zweite Satz (An dante). Der freundliche Liedsatz erfährt erst einmal eine Wendung nach Moll. Dann, wieder in B-Dur angelangt, folgt eine Reihe von Figurationen des Liedthemas, die aber eine wirkliche Vertiefung nicht mit sich bringen. Von großer Bedeutsamkeit erweist sich das Menuett, das große Ähnlichkeiten mit dem Scherzo der Beethovenschen „Fünften" zeigt. Nicht nur die Dreiklangsbrechungen im Auf- und Abstieg, auch das Pizzikato der Streicher, eben die ganze düstere und dumpfe, unheilschwangere Stimmung ist der des Beethovenschen Scherzos verwandt. Die Ähnlichkeiten setzen sich im Trio fort: hier wie dort nun in der Dur-Parallele die rollenden Läufe in der tiefen Lage. An der Wiederholung des Menuett-Teiles beteiligen sich auch die Holzbläser. Schließlich lassen sich eben falls im Finale (Allegro agitato) Parallelen zu Beethovens Schicksals sinfonie feststellen, dieses Mal zum ersten Satz und dessen bekanntem Klopf motiv. Denn auch das Hauptthema des Mehul-Finales wird beherrscht durch klopfende Tonwiederholungen, die nur an wenigen Stellen den Satz verlassen.