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treue, brüderliche Hilfe ausspreche, die Du mir in schwerer Stunde zu Theil werden ließest." „Es war meine Pflicht," gab Crispin zurück, „ich hätte sic bei jedem Menschen, der in Gefahr schwebte, gethan, also auch bei meinem —" „Bei Deinem Feinde," vollendete Anton, und er seufzte tief auf, da Crispin ihm nicht widersprach. „Ich habe mich heute," fuhr er nach einigem Still schweigen fort, „mit meinem Gott versöhnt. Indem ich diesHthat, ging mir das Herz weit auf und ich gedachte unserer Mutter, Crispin, die uns zu ihm beten gelehrt und die in dem Gedanken glücklich war, daß wir einander innig liebten. Ich konnte daher einen für mich so festlichen Tag nicht zu Ende gehen lassen, ohne den Versuch zu machen, mich auch mit dem Bruder wieder auszusöhnen, selbst auf die Ge fahr hin, daß er nicht in meine ihm brüderlich dar gereichte Hand einschlägt." „Wie kannst Du nur so etwas denken," versetzte Crispin mit gepreßter Stimme, während es heftig um seine Mundwinkel zuckte. Gleichzeitig ergriff er Antons Hand und legte sie auf sein Herz. „Ich habe die schönen Tage unserer Jugend nicht vergessen." „Und ich auch nicht," erwiderte Anton. „Weißt Du noch Bruder," begann Crispin be wegt, „wie Du Deinen zehnten Geburtstag feiertest und eine Armbrust und einen hölzernen Vogel be kamst, und wie wir hinaus auf des Vaters Wiese marschirten und Du dort ein prächtiges Vogelschießen abhicltest?" „Und weißt Du noch," entgegnete Anton gleich falls bewegt, „wie die Mutter mit uns »ach der Residenz fuhr und Du Dich in dem Straßeugewirr verliefst und wir Dich suchten, und wie wir Alle vor Freude Helle Thränen weinten, als wir Dich wieder- fanden?" „Und weißt Du noch . . .", begann Crispin von Neuem — „Und weißt Du noch . . .", fuhr Anton fort, und immer mehr kramte das Brüderpaar seine Jugenderinnerungen aus, bis es schließlich eiuandcr in die Arme sank und die beiden Männer wie die Kinder schluchzten. Sie befanden sich nicht mehr allein. Emerenz war mit Joseph und Else leise ins Zimmer getreten, und hinter ihnen drein kamen Gerold und Afra. Bei dem rührenden Anblick des mit einander auSgesöhnten Brüderpaars blieb kein Auge trocken, und still und innig vollzog sich nunmehr auch die Aussöhnung zwischen Afra, ihren Verwandten und Else. Draußen auf der Dorfgasse stand eine Unmenge neugieriger Mensche», denn wie ein Lauffeuer war die Nachricht durch das Dorf gegangen, daß Anton Jörger mit den Seinigcn in Bruder Crispins Haus gegangen sei und sich mit demselben ausgesöhnt habe. Niemand wollte es glauben, und deshalb wallfahrtete fast das ganze Dorf zu dem stattlichen Hause. Die draußen Stehenden hörten es freilich nicht, als Emerenz zu ihrem Schwager äußerte: „Und weißt Du, wer all' die Wunder voll bracht hat?" Sie sahen auch nicht, wie Antons Weib auf Else deutete und die Worte hinzufügte: „Sie ist unser guter Engel." „Dem ich aber die Flügel verschneiden will," rief Joseph, das schöne Mädchen umarmend, „damit er bei uns bleibt!" „Komm' her, Else," sagte Crispin in bewegtem Tone. „Du bist mehr, als eine Blitzhex, Du bist ein Wettermädel, dem es der Herrgott vergelten wird, was Du an uns gethan!" „Das Wettermädcl soll leben!" rief Joseph be geistert. „Und die Blitzhex daneben!" fiel Gerold fröhlich ein, Afra herzlich an sich drückend, wäbrend die Menge draußen den vernommenen Ruf unter Hütcschwenken lustig wiederholte. Die beiden Brüder aber standen in stummer Rührung da, einander innig umschlungen haltend. Palmen im Zimmer. Zu den haltbarsten Zimmerpflanzen gehören un streitig einige Palmcnarten. Diese von der Natur durch herrlichen Wuchs, durch prächtige Blattbildung so bevorzugten Pflanzen wollen wir zunächst einer kurzen Besprechung hinsichtlich ihrer Pflege und Be handlung in unseren Wohnräumen unterziehen. Mit Recht nennt man sie die Könige der Pflanzenwelt, denn nicht allein ihre Gestalt, auch der ungeheure Nutzen, den sic dem Menschen dadurch bieten, daß alle ihre Theile im täglichen Hanshalt entweder, oder zu manchen nützlichen Sachen und Gegenständen be nutzt werden, muß uns Achtung vor dieser großen Pflanzenfamilie einflößen. Fast täglich kommen wir mit von Palmen stammenden Erzeugnissen in Be rührung. So z. B. ist der von der Hausfrau so oft verwendete Sago ein aus dem Mark einer Palme gewonnenes Produkt, die Matten in unseren Haus fluren, die Läufer in den Korridoren sind aus dem manche Palmenstämme umgebenden Baste verfertigt, die sogenannten Steinnußknöpfe, Oel, Seife, viele Möbel, Spazicrstöcke und Hüte lassen bei genauerem Zusehen leicht die Abstammung von den Palmen er kennen, kurz, ihre Verwendbarkeit erstreckt sich auf fast alle Zweige der Industrie und greift in den mensch lichen Haushalt ein. Wir möchten hoffen, daß dieser Hinweis auf den großen Nutzen der Palmen dazu beiträgt, die Fürsorge und das Interesse der Pflanzen freunde für ihre Pfleglinge aus dieser großen Familie zu erhöhe«. Leider sind deren, die sich zur Zimmerkultur eignen, verhältnißmäßig wenige. Da die Hcimath des größten Theiles der Palmen die tropische und warme Zone ist, so werden sie die Temperatur- und Luftverhält nisse unserer Wohnräume nicht vertragen. Wir müssen uns daher nach solchen umschen, die in weniger warmem Klima oder auf den in der warmen Zone gelegenen hohen Gebirgen wachsen. Es giebt auch deren eine Menge, ja selbst solche, denen Schnee und Frost nicht unbekannt sind. Man achte daher erstens wohl auf das Begießen, denn wenn dieses nament lich zur Zeit des Triebes einmal vergessen werden sollte, so daß der Topf zu sehr austrocknct, so würden sich die üblen Folgen bald zeigen, indem das eben in der Entwickelung begriffene Blatt halb stecken bleibt, d. h. sein Stiel wird nur halb so lang oder doch bedeutend kürzer, als die Stiele der anderen Blätter. Das schöne Aussehen der Pflanze wird durch solches Stcckenbleiben sehr beeinträchtigt. Zwei tens sehe man auf große Reinlichkeit. Es sei jedoch noch darauf hingewiesen, daß unter den manchen Palmen eigenen bastartigen Geweben sich Ungeziefer gern festsctzt. Diesem ist durch wiederholtes Abwaschen mit scharfer Seifevlauge vorznbeugen. Die im Zimmer aufgestellten Palmen im Winter durch zu hohe Tem peratur zum Triebe zu reizen, ist nicht dienlich. Man sollte daher, wenn geeignete Räumlichkeiten zur Ver fügung stehen, den Palmen einen kühlen, etwa 8 bis 10" R. haltenden Winterstandort anweiscn und dann natürlich auch die Bewässerung etwas einschränken. Es werden nämlich die ini Winter im warmen Zimmer hervorgebrachten Blätter meist kleiner, als die im Sommer gezeitigten, und die Pflanze wird durch solche bedeutend an Schönheit cinbüßen. Un schön sind die braunen Blattspitzen, die alle Palmen mehr oder weniger besitzen. Sie sind dann ein Zeichen von Krankheit, wenn schon die ganz jungen Blätter mit ihnen behaftet sind; die Erscheinung be ruht meistens auf der schlechten Beschaffenheit der Wurzeln, deren Gesundheit durch mäßigeres Gießen, oder durch Verpflanzen in kleinere Gefäße wieder her zustellen versucht werden muß. Es sei jedoch gleich bemerkt, daß die Wiederherstellung einer krank ge wordenen Palme im Zimmer eine recht mißliche Sache ist, niemals so geräth, daß die Pflanze wieder ein gutes Aussehen bekommt. Es ist in dem Falle ge rochener, die Pflanze der Pflege des Gärtners anzu- vertrauen, der sie vermittelst Bodenwärme und ge schlossener, feuchtwarmer Luft schneller wieder kurirt. Zum Verpflanzen der Palmen wählt man am besten das Frühjahr oder den Sommer. Sofern man nicht vorzieht, die Pflanzen zur Vornahme dieser Arbeit dem Gärtner zu übergeben, verschaffe man sich doch zum Mindesten von diesem die erforderliche Erde. In die Töpfe wird vor allem eine gute Unterlage von Scherben, welche man dachziegclartig übereinander legt, gebracht, damit das Gießwasser immer schnellen Abfluß findet. Die hinderlichen langen Wurzeln werden mit scharfem Messer abgeschnitten und ebenso die schlechten entfernt. Auf die über der Scherben lage erst ausgebrcitete Erde wird die Palme mit ihren Wurzelballen so aufgesetzt, daß rings um denselben bis zur Topfwand ein gleichmäßig breiter Raum bleibt. Auch darf die Pflanze weder höher noch tiefer zu stehen kommen, als sie bisher gestanden hat. Mit einem flachen Holz wird die Erde rings um den Wurzelballen festgestoßcn, so lange bis der Raum zwischen Topf und Pflanze ausgefüllt ist und die letztere feststeht. Es ist selbstverständlich, daß zur Auf nahme des Gießwassers der nöthige Rand gelassen werden muß. Bei dieser Gelegenheit sei ein gutes Mittel zur Vertreibung der in den stets feuchten Töpfen der Palmen sich namentlich gern aufhaltenden Regenwürmer genannt. Auf eine beliebige Menge von Früchten der Roß kastanie wird ein Wasscraufguß gemacht und das Ganze so lange ziehen gelassen, bis die Flüssigkeit eine braune Färbung angenommen hat. Mit diesem Wasser begießt man die mit Würmern behafteten Töpfe, worauf die Thicre schleunigst hervorkriechen und leicht entfernt werden können. Auch ein Guß von -i- 30" R. haltendem Wasser genügt häufig schon, die Thicre aus dem Boden herauszutreiben. Er wähne» wollen wir noch, daß die Regenwürmer keines wegs durch Anfressen der Wurzeln den Pflanzen schaden, wie häufig angenommen wird, sondern daß sie 'nur, indem sie die Abzugslöcher in den Töpfen verstopfen, schädlichen Einfluß auf das gute Gedeihen der Pflanzen haben. Vermischte Nachrichten. — Der bebrillte Schüler steht zur Zeit auf der Tagesordnung der öffentlichen Debatte. Die Kurzsichtigkeit der Schüler hat in den letzten beiden Jahrzehnten in erschrecklicher Weise zugeuommen, ge wiß zur Freude der Rathenower und einiger anderer Stätten der Brillenindustrie, aber zum Entsetzen aller Menschenfreunde. Es ist schon oftmals auf diese Thatsache hingewiesen worden und neuerdings wurde sie durch die Bemerkungen des Kaisers über die bc- brilllc Jugend wieder recht lebhaft in Erinnerung gebracht. Man soll indessen das Ueberhandnehmen der Kurzsichtigkeit nicht allein der Ueberbürdung der Schüler zuschreiben. Viel trägt zu dem Ucbclstaude allerdings auch die sträfliche Eitelkeit bei. Der Gym nasiast will recht gelehrt aussehen, und dies glaubt er durch ein kinoa-nsr auf der Nase zu erreichen. So tragen sehr viele Schüler höherer Klassen Augen gläser, ohne daß sie durch Kurzsichtigkeit dazu getrie ben werden. Solch kinee-usr kleidet so gut! Da darf man denn nicht allzusehr auf's Auge Rücksicht nehmen. Manche Lehrer, die mit Recht gegen ihre Schüler höhere Pflichten zu haben meinen, achten wohl darauf, daß ihre Schüler sich in dieser Weise ihre Augen nicht unnütz verderben. Leiver aber ge schieht dies nicht genügend von Seiten der Eltern. Augengläser sollten nur auf ausdrückliche ärztliche Anordnung verabreicht werden. — Es giebt keine Kinder mehr. Der 13- jährige Sohn des in der Grünstraße in Berlin woh nenden Kaufmanns M. hatte auf der Eisbahn die Bekanntschaft eines 12jährigen niedlichen Mädchens gemacht und dasselbe zu seinem Bräutchen erkoren. Dagegen hätte sein nicht allzu gestrenger Herr Papa sicher keine Einwendungen gemacht, wenn er nicht zufällig in den Ueberrocktaschen des verliebten Terti aners einen Brief gefunden hätte. Derselbe war von der Hand seiner Angebeteten geschrieben, und diese, die Tochter eines in der Nähe wohnende» Schlächters, gab in dem Schreiben ihre Zustimmung, Willy in die neue Welt zu folgen und bat ihren Geliebten, am Abend ja recht pünktlich auf dem Lehrter Bahn hof zu sei». Der Abend kani heran. Auf dem Bahn hofe befand sich die Herzenskönigin, um ihren Aus erwählten zu erwarten. Lange brauchte die „Dame" nicht zu warten, denn Herr Willy betrat nach weni gen Minuten den Vorsaal. Eben wollte der junge Herr am Schalter Billcts lösen, als ihn eine kräftige Hand am Kragen hatte und eine andere ihm einige schallende Ohrfeigen versetzte. Herr M. war es ge wesen, welcher unbemerkt sich gleichfalls auf dem Rendez-vous-Platze eingefundcn hatte. In der Be hausung angelangt, stellte es sich heraus, daß der Bengel seinem Vater 400 Mark entwendet hatte. — Die Herkunft des Eises hat großen Einfluß auf die mehr oder minder große Gefährlich keit seiner Verwendung. In Paris hat man sich nämlich auf Veranlassung der Polizeipräfekten mit der Frage beschäftigt, welche Arten von Wässern zur Herstellung des Eises verwendet werde». Es hat sich dabei herausgestellt, daß zuweilen zu diesem Zwecke das Wasser von Teichen benutzt wurde, bei denen mias matische Ausdünstungen einen längere» Aufenthalt an dem Ufer zur Unmöglichkeit »lachten. Man kann sich daher leicht verstellen, daß die Benutzung des aus derartigen Teichen gewonnenen Eises infolge der in ihm eingcschlosfenen massenhaften MikroorganiSnien unter Umständen recht schädlich wirken muß. — Kulturhistoriker wollen an dem zarten Geschlecht unserer Tage hier und da eine stark ent wickelte Neigung zum Wirthshauslebeu beobachtet haben. Indessen war diese 'Neigung auch der holden Weiblichkeit früherer Zeiten nicht eben fremd. So wendeten sich im Jahre 1575 „die aus gemeiner Bürgerschaft" — jetzt sagt man Sadtverordnete — zu Borna an den Rath mit dem Gesuch, „daß den Weibern am Abend die Bicrzechen verboten sein sollten, in Ansehung, daß daraus allerhand Unrecht und Beschwerung nicht allein dem Wirthe, sondern auch den Personen, fo die Zeche für sie bezahlen müßten, entständ. Und während die Weiber säßen und zechteten, gings daheim in Haus und Hof übel zu mit dem Gesinde und den Kinblein." Die Chronik fetzt jedoch hinzu: „Es hat aber solches nit diel helfen wollen, und mag wohl derer Weiblein Einrede das Meiste dazu beigetragen haben." Also — cs wurde weiter gekneipt. — Der Schlaue. Jakob Wolff saß in einem besuchten Restaurant bei einem vollen Glase Bier, als ihm das Bedürfniß ankam, seinen Platz auf kurze Zeit zu verlassen. Das war ihm unangenehm, denn der Gedanke machte ihm Pein, daß während seiner Abwesenheit ein Anderer von seinem Bier trinken könne. Da kam ihm plötzlich ein herrlicher Einfall; er riß ein Blatt aus seinem Notizbuche und schrieb darauf« „Ich hab' 'reingespuckt." Dieses Blatt legte er auf sein Glas und beruhigt entfernte er sich. Wer aber befchreibt sein Entsetzen, als er bei seiner Rück kunft unter seiner Aufschrift die Worte fand: „Ich auch!" Druck und Verlag »an L hannebohn in Lidenstock.