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15. März 1898. Der amerikanische Wettbewerb und die Frachtenfrage. Stahl und Eisen. 277 Arbeiter heute noch ebensoviel oder nahezu ebensoviel verdienen wie vor fünf Jahren, aber nur durch weit gröfsere Anstrengung!“ So schreibt ein in Pennsylvanien ansässiger Fabricant, während ein anderer aus dem Pitts burger Revier u. a. bemerkt: „Im Jahre 1893 reducirten die meisten Fabriken die Löhne um 20% ; seit jener Zeit sind überall weitere Reductionen um 20 bis 4-0 % vorgenommen worden. Im allgemeinen möchte ich sagen, dafs der Arbeiter heute 2/3 von dem Lohn erzielt, welchen er im Jahr 1893 verdiente.“ Die Bezahlung der gewöhnlichen Handarbeit ist nach anderer Nachricht in den Fabrikdistricten Pennsylvaniens auf 10 Cents für die Stunde bei lOstündiger Arbeitszeit zurückgegangen. „Die Erzbergleute an der Oberen Seegegend“, so heifst es in einem dritten Schreiben, „sind in der letzen Zeit arg beschnitten worden in ihren Löhnen, und Streiks folgten rasch aufeinander. Aber solange in der Mesabi-Range das Erz mit Dampfschaufeln gegraben wird, müssen eben die Marquette-, Vermillion- und Gogebic-Ranges nachhinken, so gut es geht. Dafs das nicht zur Festigung der Löhne beiträgt, ist klar.“ Bezeichnend für die derzeitige Lage der Verhältnisse ist ein in der zweiten Hälfte des Januar gegenüber Ausstandsgelüsten erlassener Warnungsruf an die Gewerkvereine; seien auch, so heifst es dort, die Werke so mit Aufträgen überhäuft wie nie zuvor, so seien die erzielten Preise derartig niedrige, dafs der geringste Aufschlag im Material oder in den Löhnen den kargen Gewinn, soweit er überhaupt noch erzielt werde, in directen Verlust umwandeln werde. Die Beschäftigung ist, nebenbei bemerkt, auf manchen Stahlwerken so dringend, dafs dieselben auch an den Sonntagen durchlaufen, d. h. dafs man von einer gesetzlichen Vorschrift über Einschränkung der Betriebe wegen Sonntagsruhe nichts zu kennen scheint; der einzige, seitens der Amalgamated Association erhobene Einspruch wird um so mehr nur als eine Formalität bezeichnet, als den Arbeitern die Gelegenheit, ihren Verdienst zu erhöhen, nicht unwillkommen sei. Obige, von im Fabricationsleben stehenden, zuverlässigen Männern gemachte Angaben bestätigen, dafs in den letztverflossenen fünf Jahren die Löhne in Amerika nicht unwesentlich gesunken sind. — Leider ist es mir nicht möglich gewesen, die Schaulinien, welche sich auf die Erz- und Koks preise beziehen, auch auf die auf je eine Tonne entfallenden Frachtkosten auszudehnen. Aber ein zelne Angaben sind bekannt, welche über den Einflufs dieses Factors sicheren Anhalt geben. In seinem Buch „Principles of the manufacture of iron“ giebt Sir Lowthian Bell die Transport kosten, welche im Jahre 1884 auf den zur Herstellung einer Tonne Roheisen erforderlichen Mate rialien loco Pittsburg lasteten, zu 40 sh 6 d an, darunter figurirt das Eisenerz vom Oberen See mit 23 sh für die Tonne, während heute für dieselbe Menge auf dieselbe Entfernung nicht mehr als 61/2 bis 81/2 Mark Transportkosten zu rechnen sind. Im Jahr 1870 kostete der Transport einer Tonne Erz von Marquette nach Erie 12,60 Mark f. d. Tonne zu Schilf, heute 1,70 Mark bis 2,50 Mark! • Carnegie hat für den Transport der Mesabi erze bis Carnegie-Hafen am Eriesee einschliefslich zweimaligen Umladens nach neuester Nachricht nicht mehr als 55 Cents = 2,31 Mark zu rechnen. Dazu kommt noch der billige Eisenbahntrans port bis Pittsburg. Die Umwälzung auf diesem Gebiete, welche sich ziffermäfsig dadurch ausdrückt, dafs die Ver frachtung der Erze bis zum Hüttenplatz heute nur 1/4 bis 1/6 von dem kostet, was sie vor zwanzig Jahren gekostet hat, fordert unsere volle Bewunderung heraus. Hinsichtlich weiterer thatsächlicher Angaben über die Höhe der amerikanischen Frachttarife mufs ich mich auf frühere Veröffentlichungen in unserer Vereinszeitschrift beziehen* und mich hier darauf beschränken, daran zu erinnern, dafs in den Ver. Staaten die Frachttarife für Rohstoffe bis auf 0,8 und sogar 0,64 Pfg. f. d. Tonnen kilometer, und für Fertigfabricate bis auf 1,2 Pfg. heruntergegangen sind, aber man darf hierbei nicht übersehen, dafs die kein Frachtmonopol kennenden amerikanischen Unternehmen zu noch wesentlich niedrigeren Sätzen befördern. Das Mittel, durch welches die Amerikaner diese Verbilligung erreicht haben, ist in der zweckmäfsigen Einrichtung der Massenverkehrsmittel und darin zu suchen, dafs sie die Tarife nach kaufmännischen Grundsätzen bilden, d. h. die Selbstkosten der Massentransporte festsetzen und ohne Rücksicht auf den andern Verkehr die Tarife berechnen. Bei Aufstellung der Selbstkosten fällt aber weiter unzweifelhaft schwer ins Gewicht, dafs man die Ladefähigkeit der Eisenbahnwagen vergröfsert, das Verhältnifs der todten zur Nutzlast günstiger gestaltet hat, und bei den Ein- und Ausladevorrichtungen arbeitsersparende Fortschritte eingeführt worden sind. * Insbesondere 1897 S. 874 u. 954.