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Es ist bekannt, dafs grofse Ladungen an amerikanischen Schienen, Draht und Drahtfabricaten Und gufseisernen Röhren nach den südamerikanischen, australischen und ostasiatischen Ländern gegangen sind und fortwährend gehen, dafs amerikanische Schienen England in dessen indischen Colonien erfolgreichen Wettbewerb machen, und dafs in Liverpool und anderen englischen und belgischen Häfen amerikanisches Roheisen, Halbzeug u. a. mehr fortwährend eingeht. Auch in Hamburg und Ruhrort sind amerikanisches Roheisen, Bandeisen, Gufsheizkörper u. a. mehr aufgetaucht, neuerdings auch schmiedeiserne Röhren, wenn auch bisher, wie unsere Reichsstatistik nachweist, nicht in Mengen, welche absolut als erheblich zu bezeichnen sind, insbesondere nicht, wenn man sie in Vergleich mit der mächtigen englischen Ausfuhr stellt; unsere deutsche Ausfuhr an Eisen- und Stahlfabricaten hat an Werth heute noch das Vielfache der amerikanischen Ausfuhr. Trotzdem stehen wir hier vor einer Thatsache, welche einen vollständigen Umschwung des bisherigen Verhältnisses zwischen der alten und neuen Welt bedeutet, und zwar einen Umschwung, der mit einer solchen Plötzlichkeit eingetreten ist, wie es sonst in der Geschichte des Welthandels selten zu sein pflegt. Der Unterschied ist so auffällig grofs, dafs er nicht nur Aufklärung der Ursache wünschenswert!! erscheinen läfst, sondern vorab die Frage nahelegt, ob der Wechsel dadurch hervorgerufen ist, dafs Umwälzungen in den Grund lagen der amerikanischen Eisendarstellung vor sich gegangen sind, ob wir etwa mit solchen Aende- rungen zu rechnen haben, wie sie durch Uebergang von Holz- zur Steinkohle seinerzeit eintraten, der z. B. zu einer Krise in der schwedischen Eisenindustrie führte. Diese Frage ist an sich mit „Nein“ zu beantworten, wenn man nicht als substantielle Aenderung in besagten Grundlagen die Aufschliefsung ausgedehnter und mächtiger Eisenerzlager in dem nörd lichen Seengebiet gelten lassen will, deren Abbau wesentlich billiger als auf den benachbarten älteren Gruben ist. Die erst im Jahre 1892 eröffnete Mesabi-Grube,* die jüngste ihrer nördlichen Schwestern, hat in der Saison verflossenen Jahres es auf nicht weniger als 4 280 873 tons gebracht, d. h. auf nahezu ein Drittel der 12 215 645 tons betragenden Gesammtförderung jenes Jahres (1896: 9 934 828 tons). Die durch diese Umwälzung im Gebiet des Oberen Sees hervorgerufene Ver billigung der Erze macht jedoch nur einen Bruchtheil der Gesammtverbilligung aus, welche die amerikanische Eisendarstellung seit 1890 erfahren hat. Im übrigen ist diese fortschreitende Ver billigung, auf welcher der Erfolg der amerikanischen Eisenindustrie schliefslich beruht, lediglich auf Ausbildung der vorhandenen Grundlagen zurückzuführen. Sehen wir uns zunächst die Veränderungen in den Preisen an, welche die beiden wichtigsten grundlegenden Rohstoffe und Halbfabricate seit Anfang der achtziger Jahre erlitten haben, wobei ich vorausscllicken will, dafs ich es heute nicht als meine Aufgabe ansehe, auch die Fertigfabrication hier und drüben in Vergleich zu stellen. Zu dem Zweck habe ich die Notirungen für die mafs- gebenden Zwischenfabricate, nämlich Bessemerroheisen und Stahlknüppel, für genannten Zeitraum aufgestellt, und wenngleich die Einzelziffern auch nicht absolute Richtigkeit beanspruchen können, so dürfte das Bild, welches die Schaulinie (Abbild. 1) zeigt, doch im allgemeinen zutreffend sein. In demselben fällt zunächst die Unstetigkeit, dasselbe jähe Auf und Nieder auf, auf das ich bereits in meinem vor zwei Jahren an dieser Stelle stattgehabten Bericht über die amerikanischen Roheisen erzeugung hingewiesen habe. Wegen der Übeln Folgen, welche solche heftigen Wellenbewegungen für das gesammte wirthschaftliche Leben eines Staates haben, beziehe ich mich auf meine damaligen Ausführungen. Die Schaulinie zeigt noch eine zweite charakteristische Erscheinung, und das ist die, dafs bei jedem geschäftlichen Niedergang, der in dem Zeitraum eingetreten ist, der Preisstand einen tieferen Punkt als vorher einnimmt, so dafs, abgesehen von den Sprüngen, die Linie eine ausgesprochen starke Bewegung nach abwärts zeigt. Um die Antheile nachzuweisen, welche bei der Verbilligung des Roheisens für die Rohstoffe mafsgebend gewesen sind, habe ich in derselben Schaulinie, unten, die Preise für die Erze vom Lake Superior (loco Stapelplätze an den Unteren Seen) und für Gonnelsville Koks ab Ofen als die der Menge nach weitaus bedeutendsten Materialien zugefügt. Der Einflufs der Erz Verbilligung in Amerika dürfte thatsächlich noch gröfser gewesen sein, als er in dem Bild zum Ausdruck kommt, weil die Preise die Marktpreise loco Hafen Cleveland sind, während bekanntlich Carnegie in neuerer Zeit selbst die Mesabi-Erze abgräbt und seine Unkosten hierbei auf nicht mehr als 1,05 bis 2,50 geschätzt werden; nach gütiger Angabe eines soeben von Amerika zurückgekehrten Freundes sollen dieselben neuerdings bei Anwendung der grofsen, ungefähr 10000 t in 24 Stunden leistenden Dampfbagger, sogar nur 46 bis 59 © betragen. Aehnliches trifft für den Koks zu, da auch hier die Gontrole in den Händen Carnegies liegt; betreffs desselben wird mir von gleicher Seite mitgetheilt, dafs die Kohlen f. d. Tonne Koks sich auf 3,70 * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1893 Nr. 9, 1896 Nr. 1.