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geräthe und landwirthschaftlicher Maschinen nachzu geben. Bekanntlich war vor etwa einem Jahre in St. Petersburg eine Commission von Sachverständigen und Regierungsvertretern zusammengetreten, um über diese Frage zu berathen. Inzwischen ist der Absatz deutscher Maschinen und Eisenwaaren nach Rufsland nicht unerheblich zurückgegangen. Während der Werth dieser Ausfuhr 1896 auf etwa 77 Millionen Mark sich belief, betrug er 1897 nui noch ungefähr 70 Millionen Mark. Der Rückgang tritt hauptsächlich bei Locomobilen und Locomotiven sowie bei anderen Maschinen hervor. 1896 lieferte Deutschland für ungefähr 9 Millionen Mark Locomobilen und Locomotiven nach Rufsland, 1897 nur noch für 6 Millionen. Der Grund hierfür dürfte in dem neuerdings mit besonderer Schärfe auftretenden Wettbewerb der Amerikaner auf dem russischen Markte sowie in dem Umtande zu suchen sein, dafs die russischen Staatsbahnen nur selten gröfsere Aufträge nach Deutschland gelangen lassen. Auch die deutschen Handelskammerberichte für das abgelaufene Jahr betonen übereinstimmend, dafs die Eisen- und Stahlindustrie auf dem Auslandsmärkte mit einem starken Wettbewerb, insbesondere von Seiten Amerikas, zu rechnen habe. Der Locomotiven- Export der Vereinigten Staaten hat sich in den letzten vier Jahren dem Werthe nach verdreifacht; er belief sich 1894 auf 142 Stück im Werthe von 1028 300 8, 1895 auf 252 Stück im Werthe von 2379 500 $, 1896 auf 261 Stück im Werthe von 2 512 300 $ und 1897 auf 338 Stück im Werthe von 3 225 800 S. Wie die „New Yorker Handelszeitung“ meldet, nehmen die ausländischen Bestellungen von Locomotiven in den Vereinigten Staaten gegenwärtig 10 % der Maximalleistungsfähigkeit der amerikanischen Fabriken in Anspruch; allein zwei New Yorker Firmen hätten innerhalb weniger Wochen von fünf Auslands- Regierungen die Lieferung von zusammen 71 Ma schinen in Auftrag erhalten. Innerhalb der letzten sechs Wochen seien bei amerikanischen Firmen Auf träge aus dem Ausland für 200 Locomotiven ein gegangen und russische Ingenieure seien auf der Reise nach New York begriffen, um Aufträge für 400 Loco motiven für die transsibirische Bahn zu vergeben. Die gröfste amerikanische Locomotivbauanstalt, zugleich die grölste der Welt, sei imstande, bis zu 1000 Loco motiven im Jahr zu liefern. Einer stärkeren Loco- motivenausfuhr der Vereinigten Staaten habe früher die Preisfrage im Wege gestanden, denn solange Eisen und Stahl in Amerika ansehnlich mehr kosteten als in England, hätten die amerikanischen Fabricanten nur schwer gegen England und das Festland in Wett bewerb treten können. Jetzt jedoch, wo im Preise des Rohmaterials wenig oder gar kein Unterschied mehr bestehe, sei es den amerikanischen Locomotiv- bauern nicht mehr schwer, dem europäischen Wett bewerb Aufträge zu entziehen, und es lägen gute Anzeichen für eine weitere ansehnliche Steigerung der ausländischen Aufträge vor. In Japan sind die Amerikaner bereits seit dem japanisch-chinesischen Krieg in Wettbewerb mit den Engländern getreten, und neuerdings scheint Rufsland das Hauptabsatzgebiet für die amerikanischen Loco- motivenbauer werden zu sollen. In den drei Jahren 1894 bis 1896 lieferten die Vereinigten Staaten nach Brasilien . Chile . . . Cuba. . . Mexico . . Japan . . Rufsland . 1894 1895 1896 26 Stück 138 Stück 84 Stück 24 „ 8 „ 22 „ 33 „ 36 „ 4 „ 6 „ 7 „ 23 „ Die Lieferungen nach Rufsland, die 1895 erst begannen, hatten sich 1896 bereits auf 76 Stück ge steigert. Die 1896er Lieferungen waren zum gröfsten Theil durch das Moskauer Krönungsfest veranlafst. Die russische Staatsbahn brauchte damals zur Beför derung der Volksmassen 60 Locomotiven und bot den Auftrag, mit einer zweimonatlichen Lieferfrist, zuerst englischen Firmen an; es gelang aber schliefslich amerikanischen Fabricanten, die Lieferung zu erhalten, die dann innerhalb sechs Wochen ausgeführt wurde. Und auch die grofsen Bestellungen für die trans sibirische Eisenbahn scheinen von der russischen Regierung amerikanischen Firmen zugewandt zu werden. Wie noch vor kurzem aus St. Petersburg gemeldet wurde, glaubte man, dafs angesichts der durch den grofsen Maschinenbauerstreik verminderten Leistungs fähigkeit der englischen Firmen, die Lieferung deutschen Fabriken übertragen werden solle. Anscheinend haben aber die amerikanischen Firmen ihre deutschen und englischen Wettbewerber in den Preisen unterboten. Auf Veranlassung der russischen Regierung hat sich eine amerikanische Locomotivbauanstalt bereits ganz in Rufsland etablirt. Wenn man amerikanische Fachblätter und Con- sulatsberichte liest, so könnte man zu dem Glauben veranlafst werden, dafs die amerikanische Industrie in ihren Leistungen jede Concurrenz hinter sich lasse, und dafs lediglich hierin der gesteigerte Export be gründet sei. Eine originelle Probe dieser Auslassungen finden wir in einem amtlichen Berichte des amerika nischen Consuls in Warschau, worin die „harmlosen“ russischen Abnehmer geradezu bemitleidet werden, weil sie, anstätt ausschliefslich „echtes amerikanisches Fabricat“ zu kaufen, sich immer noch „europäischen Schund“ aufbinden lassen. „Während einzelne amerika nische Fabricate“ — so heifst es in dem Bericht —, „welche durch die directen Anstrengungen der betr. Fabricanten in Rufsland gut eingeführt sind, u. a. Ackerbaugeräthe, Eisenkurzwaaren, Messerwaaren, Fahrräder u. s. w., von Importeuren und Consumenten als die besten ihrer Art anerkannt werden, sind amerikanische Fabricate im allgemeinen in Rufsland sowohl discreditirt, als auch im Vertriebe behindert. Die Einführung neuer Artikel ist aus folgenden zwei Gründen aufserordentlich schwierig: 1. Euro päische, namentlich deutsche Fabricanten über schwemmen den russischen Markt mit minderwerthigen Waaren, welche als »American« gestempelt und mit Handelsmarken versehen sind. Dieser Schund wird von den harmlosen Russen als echtes amerikanisches Fabricat acceptirt, discreditirt jedoch unsere Erzeug nisse in solchem Grade, dafs die gröfsten und an dauernden persönlichen Anstrengungen gemacht werden müssen, um neue amerikanische Massenartikel in Rufsland einführen zu können. 2. Der zweite Grund, welcher die Einführung amerikanischer Fabricate erschwert, sind die langen Credite, welche englische, französische, deutsche und sonstige Fabricanten ge währen, Credite, welche auf die Berichte ihrer Agenten basirt sind, welche Rufsland nach allen Richtungen bereisen und genau wissen, bis zu welcher Höhe Credite ohne Risico gegeben werden können. — Behufs Beseitigung der vorerwähnten Uebelstände werden gegenwärtig von der Exporters Association of America, deren Hauptquartier sich in New York befindet, zeit- gemäfse Mafsregeln ins Werk gesetzt. Besagte Asso ciation steht nämlich im Begriff, in Warschau eine Musterausstellung von amerikanischen Fabricaten, sowie eine Agentur für deren Einführung und Verkauf in ganz Rufsland zu etabliren. Man erwartet davon grol'se Vortheile für die russischen Importeure und Consumenten sowohl, wie auch für die emerikanischen Fabricanten.“ Wenn der Bericht von echten amerikanischen Fabricaten redet, die durch europäische Schund- waaren discreditirt würden, so möchten wir die echt amerikanische Unverschämtheit betonen, welche in