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mit dem Bau der ersten Theilstrecke Woosung — Shanghai unter Leitung des preufsischen Regierungs baumeisters P. Hildebrand begonnen und der Bau soweit gefördert worden, dafs die erste Strecke voraus sichtlich Anfang k. J. eröffnet werden kann. Aufser den vorgenannten Eisenbahnlinien haben sich auch noch Engländer und Franzosen Bahn- concessionen in Yunnan und Knangsi zusagen lassen, um Anschlufslinien an das Netz ihrer Eisenbahnen in Indien bezw. Tonking zu bauen. Wenn nun auch bisher die deutsche Industrie bei den chinesischen Bahnbauten nicht ganz leer aus gegangen ist, indem z. B. die Lieferung sämmtlicher eiserner Brücken der Eisenbahn Woosung—Shanghai deutschen Brückenbauanstalten übertragen worden ist, so müssen wir doch der deutschen [Bauzeitung darin beitreten, dafs Deutschland, wenn sich nicht das deutsche Kapital besser rührt, bei der Vertheilung der Eisenbahnbauten in China vollkommen leer aus- gehen wird, trotz aller vorbereitenden Thätigkeit, trotz aller Mahnungen und Anregungen, Bitten und Vorschläge sowohl der in China thätigen, dort hoch angesehenen deutschen Ingenieure, wie auch unserer dortigen politischen Vertretung. Mit Recht macht die deutsche Bauzeitung darauf aufmerksam, dafs es keinen Fleck auf der nun fast ganz vertheilten Erde mehr giebt. wo so günstige Verhältnisse für grolse Eisenbahnbauten und ein so günstiges Absatzgebiet für die Industrie sich darbieten, wie in China. Dafs dies im Auslande anerkannt und ausgenutzt wird, geht u. a. daraus hervor, dafs der Chefingenieur Dufour ny im belgischen Eisenbahnministerium nach China entsandt worden ist, um dort Eisenbahn- concessionen für Belgien zu erlangen. Flüssiges Fluor. Nachdem die in wissenschaftlichen Kreisen schon früher gehegte Vermuthung, dafs es keine absolut per manenten Gase gebe, durch die schnell aufeinander folgenden glücklichen Versuche im letzten Jahrzehnte gekräftigt worden ist, ist die Frage, welche Temperatur- minima erzielt worden sind immermehr in den Vorder grund getreten. Die Sache gewann jedoch ein anderes Aussehen, als sich ergab, dafs mit dem Aggregatwechsel eine Abstumpfung der chemischen Energien bis zur Reactionsunfähigkeit gegeben sein kann. Das Erlöschen der Energien tritt aber nicht, wie man erwarten sollte, gegenüber den verschiedenen Substanzen gleich- mäfsig ein. Das auffälligste Beispiel hierfür hat das Fluor geliefert, dessen Untersuchung übrigens auch die tiefsten Temperaturerniedrigungen, welche bisher zu erzielen gelang, erforderte. Dieses bislang nur als Gas bekannte und auch als solches erst vor nicht allzulanger Zeit isolirte Element in die flüssige Form gezwungen zu haben, ist das Verdienst der Herren H. Moissan und J. Dewar. Nachdem diese von ihren Erfolgen der französischen Akademie bereits am 31. Mai berichtet hatten, gaben ihnen hierzu von neuem (am ll.October)die fortgesetzten Beobachtungen Anlafs, die nicht nur die früheren Ermittlungen er gänzten, sondern auch theilweise berichtigten. Zur Verflüssigung wurde völlig reines, von Fluor wasserstoffsäure ganz freies Fluorgas verwendet, das elektrolytisch aus Fluorwasserstoff und Fluorkalium gewonnen war. Der Apparat bestand aus einem Glas behälter, dem durch Platinröhren Fluorgas oder Luft zu- oder entführt werden konnte; er befand sich in einem cylindrischen, doppelwandigen Glasgefäfse, das flüssige Luft enthielt und einerseits mit einer Luft pumpe, andererseits mit einem Manometer in Verbindung stand. Unter gewöhnlichem Luftdrucke siedender Sauerstoff vermag die zur Verflüssigung des Fluors nöthige Kälte noch nicht zu liefern, wohl thut dies aber da die flüssige Luft; Sauerstoff verlangt dagegen 1.18 zugleich eine Druckverminderung auf 32,5 cm Queck silbersäule. Aus diesen Thatsachen läfst sich, da die Siedepunkte des Sauerstoffs unter verschiedenen Druck verhältnissen vorher experimentell ermittelt waren, fol gern, dafs der Siedepunkt des Fluors bei etwa—187 0 liegt. Das Fluor bildet eine gelbe, sehr bewegliche Flüssigkeit, die äufserst geringe Capillar -Adhäsion aufweist, denn während in einer Capillarröhre Wasser um 22 mm, Alkohol um 14 mm, flüssiger Sauerstoff um 5 mm stieg, that dies das Fluor nur um 3,5 mm. Das specifische Gewicht wurde durch „ Schwimmer“ ermittelt, als welche Stückchen von Ebonit (D = 1,15), Kautschuk (0,99), Holz (0,96), Ambra (1,14) und Methyloxalat (1,15) dienten (dafs diese Gewichtsgröfsen auch für die Temperatur von—200° Geltung haben, auf welche die Stücke zunächst abgekühlt werden mufsten, ist nicht gesagt), und als derjenigen der Ambra (Bernstein?) gleichstehend, also zu 1,14 gefunden. — In etwa 1 cm dicker Schicht spectroskopisch geprüft, zeigte das Fluor kein Absorptionsband, und zwischen den Polen eines Elektromagneten auch keinen Magnetis mus. Man kann das flüssige Fluor in zugeschmolzener Glasröhre längere Zeit unverändert erhalten, wenn man es andauernd kühlt; bei einem Versuche hatte es hierbei sein Volumen, von —187° bis zu —210° abgekühlt, um 'In verringert; sobald aber das Kühlen aufhörte, trat so gewaltige Expansion ein, dafs durch die Explosion der ganze Apparat einschliefslich des doppelwandigen Gefäfses zu Staub verwandelt wurde. Die auffälligste und deshalb auch zunächst hervor gehobene Eigenheit des flüssigen Fluors ist die, dafs es im Gegensatz zum gasförmigen die Glaswandungen nicht angreift. Hierdurch war die leichte Möglichkeit der Beobachtung seines weiteren Verhaltens gegeben. Seine chemische Thätigkeit verleugnete das flüssige Fluor, aufser gegen die, wie oben erwähnt, zu Schwimmern benutzten Substanzen (sowie Kohle und Schwefel), ferner gegen Eis, Quecksilber und Sauerstoff. Mit letzterem schien dasselbe allerdings früheren Beobachtungen zufolge eine bei Erwärmung verpuffende Verbindung einzugehen, die beim Versuche ihrer Gewinnung in erheblicherer Menge sogar den Behälter sprengte; dieselbe entsteht aber nur bei Gegenwart von Feuchtigkeit und ist daher vermuthlich ein Hydrat. In trocknem Sauerstoff dagegen bildet Fluor gar kein Präcipitat, sondern löst sich. in ihm und zwar in jedem Quantitätsverhältnisse, wie die Färbung erkennen läfst, allmählich zu einem gleichmäfsigen Gemenge (ebenso in flüssiger Luft), aus welchem sich bei lang samer Erwärmung der Sauerstoff zunächst verflüchtigt, das Fluor flüssig zurücklassend. Dagegen geht auch das flüssige Fluor, und zwar unter heftiger Wärme- und Licht-Entwicklung, Verbindungen ein mit Wasser stoff, sowie mit gefrorener Terebinthenessenz (Terpen tinöl). Natürlicherweise waren die zu den Versuchen gebrauchten Substanzen erst auf —200° abgekühlt, denn bei nicht genügender Abkältung verbrennen auch die oben als unempfindlich angeführten; aus Unachtsamkeit auf den Fufsboden verspritzte Fluor tropfen z.B. entflammen sofort das Holz und ungenügend gekältete Kautschuk Stückchen schwimmen auf Fluor, wie Natrium auf Wasser, unter intensivster Licht entwicklung; dabei verbrennt Kautschuk ohne jeden Kohlenrückstand, während Terpentinöl einen solchen hinterläfst. Auch in den festen Zustand das Fluor überzuführen, haben sich die genannten Forscher viele Mühe gegeben, bisher aber vergeblich, trotz dauernder Abkühlung desselben auf —120°; doch sind sie noch nicht ent- muthigt und hoffen das Ziel noch zu erreichen, und zwar mit Hülfe des siedenden Fluors (ähnlich wie feste Kohlensäure beim Verdampfen der flüssigen entsteht); das ist ja eben das Kennzeichen dieser Art von Versuchen, dafs jeder Erfolg sich als Vorstufe und Angriffswaffe höheren Zieles darstellt. O. L. 7