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202 Stahl und Eisen. Industrielle Ern hat nun in häufigen Fällen die Waaren derselben dadurch zu discreditiren gesucht, dafs sie bei ihrem Angebot die Behauptung aufgestellt hat, die Firma C. Friedr. Ern versende deutschen, d. h. minder- werthigen Stahl, während sie selber echt englischen Stahl für ihre Messer in Anwendung brächte. Da aus Lieferung und Bezug des Rasirmesserstahls weder von der Bergischen Stahlindustrie, noch von der Firma C. Friedr. Ern jemals der geringste Hehl gemacht worden ist, so ist auch den Verbreitern jener Schmähung die Beziehung zwischen den genannten Firmen be kannt gewesen. Erschwerend für einzelne Fälle dürfte der Umstand sein, dafs die Verbreiter jener Behauptung den in Frage stehenden deutschen Stahl nur darum nicht verwenden, weil er theurer ist, als der bei ihnen in Anwendung kommende englische Stahl. Die beiden Firmen haben sich aus diesem Grunde ent schlossen, gemeinsam gegen die Schädiger ihres Ge schäftes auf Grund des § 6 des Gesetzes zur Be kämpfung des .unlauteren Wettbewerbs“ vorzugehen. Es ist bedauerlich, dafs das Vorurtheil für die bessere Rundschau. 15. Februar 1898. Qualität des englischen Stahles in weiteren Kreisen noch so viel Boden hat, dafs Fabricanten dasselbe zu unlauteren Machenschaften ausnutzen können. Aber welche Thorheit liegt in solchem Vorgehen seitens der Fabricanten; machen sie doch damit die beste Heclame nicht allein für den englischen Stahl fabricanten, sondern auch für den englischen Messer fabricanten. Wie nahe liegt das Argument im Con- currenzkampf der englischen mit der deutschen Industrie: „Wenn der Deutsche eingestandenermafsen keinen guten Stahl machen kann, dann ist auch nicht anzunehmen, dafs er ihn verarbeiten kann.“ Es existirt leider noch vielfach ein wahrer Rattenkönig von uncorrecten und unpatriotischen Waarenbezeich- nungen, und es wäre sicher als ein verdienstvolles Beginnen der beiden Firmen zu bezeichnen, wenn sie einmal herzhaft diesem Rattenkönig zu Leibe gingen; es ist zu wünschen, dals dieselben dabei die Unterstützungen weiterer Kreise finden, insbesondere durch Angabe von Personen, welche die oben charak- terisirte Behauptung aufgestellt haben. Industrielle Rundschau. Westfälische Drahtwerke in Langendreer. Der Bericht der Direction lautet in der Haupt sache : „Am 1. Juli 1896, von welchem Tage an der Betrieb für Rechnung der neu gegründeten Actien- gesellschaft geführt wurde, traten wir mit verhältnifs- mäfsig guten Aussichten in das neue Geschäftsjahr ein, da der Hoffnung Ausdruck gegeben werden durfte, dafs bei der viel versprechenden Geschäftslage der gesammten Eisen- und Stahlindustrie auch die dar niederliegende Drahtindustrie bessere Zeiten sehen würde. Leider hielten die Preise der Drahtwaaren aber nicht gleichen Schritt mit denen der Rohstoffe. Dabei trat eine unerwartete, äufserst scharfe Con- currenz der nordamerikanischen Industrie, welche mit wesentlich billigeren Rohstoffpreisen als wir rechnen konnte, auf, und zwar in dem Mafse, dafs der deutschen Drahtindustrie mehrere gute Auslandmärkte ganz ent rissen wurden und der bisherige Absatz derFabricate auf andern Märkten auf das schwerste gefährdet ist. Diese Concurrenz machte sich seit Anfang 1897 bemerkbar und hatte zur Folge, dafs die Preise un serer Fabricate, namentlich für Drahtstifte, auf den ausländischen Märkten stark geworfen wurden. Die hierdurch naturgemäfs den Drahtwerken wegfällenden Mengen machten sich sofort in einem stärkeren An gebot auf dem Inlandmarkte bemerkbar, so dafs die sämmtlichen Preise für Drahtfabricate in stetem Rückgang begriffen waren, und jetzt nachgerade einen Stand erreichten, der eine Arbeit mit Nutzen ganz unmöglich macht. Angesichts dieser Thatsachen durften die Roh stoff- und Halbzeugverbände sich der Nothwendigkeit nicht verschliefsen, ihrerseits der nothleidenden Draht industrie zu Hülfe zu kommen. Seitens der Kohlen- und Roheisen-Syndicate sowie des Halbzeugverbandes wurde denn auch bei wiederholten gröfseren Knüppel abschlüssen eine Ausfuhrvergütung gewährt, welche allerdings den exportirenden Werken ermöglichte, einen Theil der verlorenen Ausfuhr wiederzugewinnen, aber in ihrer Höhe keineswegs hinreichte, die Ver luste zu decken, welche im Kampfe mit der aus ländischen Concurrenz auf dem Weltmärkte den Draht werken entstehen mufsten. Eine durchgreifende Wendung der Verhältnisse kann bei den bestehenden Verhältnissen im Rohstoff markte nur von festen Verkaufsvereinigungen der Drahtwerke, welche zugleich eine Regelung der Er zeugung mit sich bringen, erwartet werden. Das Deutsche Walzdrahtsyndicat ist seit Juli 1897 in Wirk samkeit, und die Vorarbeiten zur Gründung eines Verbandes deutscher Drahtstiftfabricanten sind weit vorgeschritten und führen hoffentlich zu gutem Erfolg, wenn auch augenblicklich noch Schwierigkeiten zu überwinden sind. Auch ist die Gründung eines Ver- kaufssyndicats für gezogene Drähte in Sicht, doch wird noch einige Zeit vergehen müssen, bis diese Bestrebungen greifbare Gestalt annehmen werden. Während der ersten Hälfte des verflossenen Ge- sehäftsjahres war unser Werk gut und voll beschäftigt, jedoch trafen uns erhebliche Unfälle und Schäden durch Bruch der Maschine unserer Drahtstiftenfabrik und durch die vollständige Zerstörung unserer Küferei durch Brand im Februar 1897. Seit Beginn des Jahres 1897 wurde es infolge der ausländischen Concurrenz und der rückgängigen Bewegung des Marktes von Tag zu Tag schwerer, unserm Werke die nöthigen Aufträge zur vollständigen Aufrechterhaltung des Betriebes zu beschaffen, so dafs in den letzten Monaten des Geschäftsjahres manche Feierschichten eingelegt werden mufsten. Ari Halb- und Fertigfabricaten wurden in sämmt lichen Betrieben unseres Werkes hergestellt insgesammt 25185 t, während der Versand unserer Fabricate sich während des Geschäftsjahres 1896/97 auf 26334616 kg stellte. Die am 30. Juni 1897 abgeschlossene Bilanz schliefst in Activis und Passivis mit 2 982194,71 JI und er- giebt nach Einstellung der Vorräthe mit 498917 J(, einen Betriebsgewinn von 152570,12 JI. Den nach Abzug der Abschreibungen im Gesammlbetrage von 121656,19 verbleibenden Reingewinn von 30913,93. beantragen wir nach Zuweisung von 1515,66=5% an den Reservefonds und nach Abzug der vertrag lichen Tantiemen von 1468,40 Jt, mit 27 899,87 JI. auf neue Rechnung vorzutragen.