Volltext Seite (XML)
15. Februar 1898. Wagenmangel und Geleise-Ericeiterung auf den Preu[s. Staaisbahnen. Stahl und Eisen. 167 den verschiedensten Geschwindigkeiten, Exprefs-, Schnell-, Eil- und Personenzüge, Güterexprefszüge für Eilgut und die gewöhnlichen Güterzüge. Mit diesem System ist ein vielfaches Warten und Ueberholen gewisser Züge untrennbar verbunden. Selbstverständlich kommen dabei die gewöhnlichen Güterzüge am schlechtesten fort, da sie am häufig sten liegen bleiben und am längsten warten müssen. Dieser Uebelstand wird auf den Preufsischen Staatsbahnen dadurch zu einer Nothlage, dafs wegen Mangels an ausreichenden Nebengeleisen die Aufnahme der Güterzüge nicht auf einer ge nügenden Anzahl von Stationen erfolgen kann. Wir glauben daher annehmen zu dürfen, dafs durch die Erweiterung und den entsprechenden Ausbau der hierbei in Frage kommenden Stationen die Umlaufszeit der Güterwagen verkürzt und die Güterbewegung im allgemeinen beschleunigt werden kann. Nur beiläufig wollen wir hier darauf hinweisen, dafs bei den geschilderten Verhältnissen die un genügende Ausgestaltung vieler Stationen als Ur sache vieler Zugverspätungen anzusehen ist. Jede Zugverspätung erfordert aber eine gesteigerte Auf merksamkeit des Betriebspersonals und bedeutet daher eine Gefährdung der Betriebssicherheit. Die vorerwähnten Verhältnisse beziehen sich in der Hauptsache auf den Verkehr in weiteren Entfernungen; wir glauben jedoch in der Annahme nicht fehl zu gehen, dafs das Hauptgewicht auf den schnelleren Verkehr der Güterwagen in den Industriebezirken und besonders in den Kohlen bezirken selbst zu legen ist. Zu dieser Annahme werden wir geführt durch Betrachtung der Ver hältnisse im Oberbergamtsbezirk Dortmund, dem bedeutendsten Industriebezirk Deutschlands. Von den rund 40 Millionen Tonnen Kohlen, die im Oberbergamtsbezirk Dortmund in den letzten Jahren gefördert worden sind (im Jahre 1897 ist die Förderung gröfser gewesen), bleibt etwa die Hälfte im Kohlenrevier selbst oder in dessen un mittelbarer Nachbarschaft (Düsseldorf, Elberfeld, Wesel, Emmerich) bezw. in den Häfen Ruhrort, Duisburg, Hochfeld behufs Weitertransports auf dem Rhein, ein Viertel verbleibt in einem Bezirk, dessen Grenzen etwa durch die Orte Cleve, Venlo, Aachen, Bonn, Goblenz, Mainz, Wetzlar, Arnsberg, Detmold, Münster und Rheine bestimmt werden, und ein viertes Viertel endlich gelangt auf wirklich weite Entfernungen, nach den norddeutschen See plätzen und dem diesen vorliegenden Binnenlande und nach Süddeutschland zur Versendung. Diese Darlegungen entsprechen im grofsen und ganzen den thatsächlichen Verhältnissen. Wir hören, dafs die Güterwagen, die im Kohlen reviere beladen werden, bis zur Rückkehr im Durchschnitt eine Umlaufszeit von etwa 31/2 Tagen erfordern. Sollten diese Angaben über die Umlaufszeit der Güterwagen im Kohlenrevier den Thatsachen entsprechen, so würden die bestehenden Mängel klar zu Tage liegen. Dafs die langsame Bewegung der Güterwagen, leer oder beladen, auf den Mangel von Locomotiven zurückzuführen sei, wird von mafsgebenden Stellen entschieden in Abrede gestellt. Demgemäfs kann die Erklärung nur in dem Umstande gesucht werden, dafs die im rheinisch - westfälischen Industriebezirk durch den bestehenden Verkehr aufs schwerste überlasteten Bahnhöfe und Strecken sowohl wie die eigens für den Sammel- und Rangirdienst geschaffenen Bahnhöfe, nach Zahl und Ausdehnung den Ansprüchen des Personen- und Güterverkehrs, ganz besonders aber dem, für den letzteren so überaus wichtigen Rangirdienst im weiten Umfange nicht mehr gewachsen sind. Daher kann es beispielsweise vorkommen, dafs eine gröfsere Anzahl von leeren Güterwagen, trotz des dringenden Bedarfs der umliegenden Gruben, längere Zeit leer auf ihrem Standorte gebannt bleiben, weil es unmöglich ist, sie auf den voll gefahrenen Geleisen in den freien Verkehr zu bringen. Solche Zustände rechtfertigen unsere Behaup tung, dafs die Ursache des Wagenmangels weniger in der zu geringen Zahl der Güterwagen, als in der ungenügenden Bewegungsfähigkeit derselben zu erblicken ist. Wenn die Umlaufszeit der im Industriebezirk verkehrenden Wagen nur um die Hälfte verkürzt werden könnte, würde voraus sichtlich allen Ansprüchen in demselben genügt werden können. Da ferner anzunehmen ist, dafs ähnliche Verhältnisse auch in den anderen Mittel punkten der Industrie und des Kohlenbergbaues obwalten, so dürfte mit Sicherheit darauf gerechnet werden können, dafs durch geeignete Mafsnahmen so viel Güterwagen freigemacht werden könnten, um auch in den Zeiten des stärksten Andranges dem saisonmäfsigen Bedarf der Zuckerindustrie und des Handels mit Kartoffeln zu entsprechen. Unter den hier dargelegten Verhältnissen kann das im wesentlichen auf die Vergröfserung des Wagenparks gerichtete Streben, auch wenn, wie gezeigt, sehr erhebliche Summen darauf ver wendet werden sollen, Abhülfe allein nicht schaffen. Nach unserem Erachten ist vor Allem in den Industrie- und Kohlenbezirken, vornehmlich in dem rheinisch-westfälischen Bezirk, die Erweiterung der betreffenden Bahnhöfe, die Neuanlage genügend grofser und in jeder Beziehung best ausgestatteter Sammel- und Rangirbahnhöfe, die Vermehrung der Geleise auch auf den Strecken, und, wo sich dieses Mittel als unzureichend oder unausführbar erweisen sollte, der Bau von Parallelbahnen dringend erforderlich. Gleichzeitig müfste auch auf den dem Fernverkehr dienenden Bahnen der Ausbau derjenigen Stationen erfolgen, deren Erweiterung für einen weniger behinderten Lauf der Güter züge geboten erscheint. Dazu werden freilich aufsergewöhnlich grofse Mittel erforderlich sein; der Staat aber wird