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100 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 15. Januar 1898. Das von einer Versammlung dieser Industrie gewählte Comite ist mit der Regierung in Fühlung getreten und läfst eine dieser Industrie würdige Vertretung in Paris gewärtigen. Die Delegirtenconferenz der montanistischen Vereine Oesterreichs hat auch im ablaufenden Jahre die unseren Bergbau im allgemeinen berührenden An gelegenheiten in den Kreis ihrer Berathungen gezogen. Sie richtete Petitionen an das Ackerbauministerium, betreffend die im Abgeordnetenhause eingebrachte Regierungsvorlage über die Erhöhung der Mafsen- und Freischurfgebühren, und hofft, dafs die von ihr diesbezüglich gegebenen Anregungen in einer neu zu unterbreitenden Vorlage Berücksichtigung finden werden. Die Delegirtenconferenz unterbreitete dem Acker bauministerium ein Gutachten über die Abschreibungen der Substanzverluste infolge der neuen Steuergesetze und ersuchte die Ministerien des Innern und des Acker baues in einer Petition um Versagung des von der Stadtgemeinde Karlsbad angestrebten Ansuchens um erweiterten Heilquellenschutz, da ein solches unbe rechtigt sei und die Interessen des Bergbaues und der darauf gegründeten Industrien beeinträchtigen würde. Immer mehr und mehr zeigte sich in den Be rathungen der Delegirtenconferenz die Nothwendigkeit einer strammen Organisation der Bergbauindustriellen und wurden die diesbezüglichen Berathungen der Ostrauer Directorenconferenz, welche eine Versamm lung der Bergwerksbesitzer Oesterreichs proponirte, um dieses Ziel zu erreichen, mit Sympathie begrüfst. Am 24. December v. J. wurde die constituirende General versammlung des Centralvereins der Bergwerksbesitzer Oesterreichs abgehalten, welche berufen ist, an die Stelle der Delegirtenconferenz der montanistischen Vereine zu treten. Ein aus Mitgliedern des Niederösterreichischen Gewerbevereins und des „Industriellen Club“ zu sammengesetztes Comite wurde mit der Aufgabe be traut, die Reform des Actiengesetzes anzustreben, und hat unseren Verein zur Mitwirkung eingeladen. Hr. J. Weinberger wurde ersucht, in unserem Namen bei dieser Aufgabe zur Lösung einer der wichtigsten wirth- schaftlichen Fragen mitzuwirken. In dem Bericht über die geschäftliche Lage unserer Industriezweige können wir leider im ablaufenden Jahre auf keine grofsen Fortschritte verweisen, welche in Bezug auf erhöhten Absatz oder auf gesteigerte Preise unserer Erzeugnisse zu Tage getreten sind. Wohl ist die Ursache, welche unsere vorjährige günstige Situation hervorrief, — nämlich die günstige Conjunctur in Deutschland, welche das dortige Angebot auf unseren Markt minder lebhaft und drückend machte —, dieselbe geblieben, aber die gleiche Wirkung trat nicht ein, und während im Deutschen Reiche die Industrie sich in fortdauernd aufsteigender Linie bewegt, ist hier in manchen Zweigen Abschwächung eingetreten. Betreffend die einzelnen Zweige der in unserem Verein vertretenen Industrien bemerken wir, dafs die Kohlen- und Kokswerke eine Vermehrung ihrer Er zeugung vornehmen konnten und die Preise in vielen Fällen nicht nur behauptet, sondern auch mäfsig er höht wurden. Die Roheisenerzeugung erfuhr gegen das Vorjahr eine wenn auch nicht bedeutende Erhöhung und fand dieselbe schlanken Absatz zu erhöhten Preisen. Auch in diesem Jahre fanden beträchtliche Mengen aus ländischen Roheisens ihren Eingang, welche, wie bis her, zumeist in Giefsereiroheisen bestanden. Be- merkenswerth erscheint das stetige Steigen der Ein fuhr amerikanischen Roheisens, welches sieh in den ersten drei Quartalen mit rund 200000 Metercentner bezifferte. Zu dem wesentlich gesteigerten Bedarf an Giefsereiroheisen trugen insbesondere die Robgiefsereien bei, welche seit Jahresfrist hauptsächlich durch die in Wien in Ausführung begriffenen Bauten in forcirtem Betriebe stehen. Der Markt in Handelseisen war während des Berichtsjahres still und weisen die diesbezüglichen Erzeugungsziffern keine Steigerung auf, was ins besondere der durch die diesjährige Mifsernte hervor gerufenen mifslichen Lage der Landwirthschaft zu geschrieben werden mul's. Im Gegensatz zu der während des ganzen Jahres in Deutschland in Handels eisen herrschenden günstigen Conjunctur zeigte sich auf diesem Gebiet eine ungünstige Entwicklung der seit geraumer Zeit in Ungarn herrschenden Ver hältnisse. Infolge der Lage der Landwirthschaft und der Vollendung der mit der Millenniumsfeier in Zu sammenhang gebrachten grofsen Arbeiten stellte sich dort auf den meisten Gebieten der Eisenindustrie eine allgemeine Erschlaffung ein. Dieser Unbelebtheit auf diesem Marktgebiete entsprechend, weisen die Preise des Handelseisens keine Besserung auf, wiewohl zur selben Zeit der für unsere Preisverhältnisse mafs- gebende deutsche Markt unter dem Zeichen einer be sonders günstigen Preislage stand. Weitaus lebhafter und noch lebhafter als im Vor jahr war die Erzeugung und der Absatz von Con- structionseisen, in erster Linie von Doppel-T-Trägern und Waggonträgern, wozu die in Wien in Ausführung stehenden grofsen öffentlichen und privaten Bauten beitrugen, sowie auch die regere Thätigkeit, welche in den Waggonfabriken herrschte. Eine empfindliche Verschlechterung der Ver hältnisse zeigte sich im Absatz von Grobblechen. Während die Erzeugung von Feinblechen, wenn auch zu sehr gedrückten Preisen, eine Steigerung erfuhr, weist der Verbrauch von Grobblechen eine bedeutende Abnahme auf, ein Umstand, welcher insbesondere auf den Mangel neuer Anlagen in der Zucker- und Pe troleum-Industrie zurückzuführen ist. Die Herstellung von Eisenbahnschienen und sonstigen Eisenbahnbaumaterialien bewegte sich an haltend auf einem höheren, wenngleich die Leistungs fähigkeit der Eisenwerke noch lange nicht absorbirenden Niveau. Die Brückenbau- und Eisenconstructions-Werk- statten waren beständig in befriedigender Weise be schäftigt. Bei den Locomotivfabriken stellte sich während des Berichtsjahrs eine gute und regelmäfsige Beschäftigung ein, welche sich auch im folgenden Jahre noch erhalten dürfte. Die Thätigkeit der Waggonfabriken war insbesondere in der ersten Hälfte des Betriebsjahres eine lebhafte, schwächte sich jedoch in den letzten Monaten merklich ab. Es ist dies um so bedauerlicher, als der beständige Wagenmangel auf den österreichischen Bahnen, ungeachtet aller bisherigen Vermehrung des Wagenparkes, noch immer besteht und eine vermehrte Beschäftigung der Waggon fabriken ermöglichte. Was die Maschinenfabriken anlangt, so fanden dieselben nur sehr schwer genügende Beschäftigung zur regelmäfsigen Aufrechterhaltung ihrer Betriebe. Es findet dies seine Erklärung in der schon früher erwähnten unbefriedigenden Lage der Landwirthschaft und der Verschlechterung der Verhältnisse der Textil industrie, sowie in dem bemerkten Mangel weiterer Investitionen der Zuckerindustrie, endlich in der voran gegangenen Fertigstellung der gröfseren Anlagen der Petroleumindustrie. Bezüglich des Schiffbaues mufs bemerkt werden, dafs derselbe, speciell was den Bau von Handels schiffen betrifft, nach wie vor keinerlei Entwicklung aufweist und dafs sich auch der Bau von Kriegs schiffen nur in bescheidenen Grenzen bewegt. Dieser Zustand ist um so bedauernswerther, .als er im leb haftesten Gegensatz zu der mächtigen Entwicklung dieses Industriezweiges in anderen Staaten steht.