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duction mit Bezug auf ihre Gestehungskosten auf die ausländische Concurrenz Rücksicht zu nehmen hat. Erwünscht war es jedenfalls, dafs die neue Unfallversicherung die Lücke ausfüllte, welche bisher zwischen ihr und der Krankenversicherung bestand. Es ist nämlich häufig zu beobachten gewesen, dafs Unfallverletzte, welche in der Zeit vor der 14. Woche geheilt, aber nicht erwerbs fähig waren, ohne jede Unterstützung blieben. Die Krankenkasse hat nur die Aufgabe, den Ver letzten zu heilen, die Berufsgenossenschaften hatten nicht die Pflicht, ihm vor Beginn der 14. Woche irgend eine Unterstützung zukommen zu lassen. Diese Lücke in der Fürsorge für die erwerbsunfähigen Arbeiter ist nunmehr ausgefüllt. Ein Mifsstand, welcher während der 80er und 90er Jahre bei der Unfallversicherung zu be obachten war, bestand darin, dafs vielfach ganz kleine Renten ausgezahlt werden mufsten. Bei ganz leichten Unfällen, die dauernde Folgen hatten, war dieser Mifsstand nicht zu vermeiden. Man hat nunmehr durch das neue Gesetz auf zwei Wegen dem beizukommen gesucht. Einmal können Versicherte, welche diese kleinen Renten beziehen, sie statt wie bisher in Monatsraten, in gröfseren Beträgen abheben. Sodann aber ist es künftig den Rentenberechtigten gestattet, statt der Rente eine Kapitalabfindung sich zahlen zu lassen. Der Gedanke, die Kapitalabfindung in die Unfallversicherung einzuführen, war schon anfangs der 80er Jahre vorhanden. Man nahm davon Abstand, weil man sich ganz mit Recht sagte, dafs der Gedanke, im vollsten Umfang durchgeführt, nicht in das System einer Fürsorge pafst, welche den Arbeiter durchaus für die Zeit seiner Erwerbsunfähigkeit sicher st eilen will. In einer gewissen Beschränkung kann die Idee aber ihre Berechtigung haben, und so ist sie nunmehr Gesetz geworden. Die Kapitalabfindung kann eintreten, wenn bei theilweiser Erwerbs unfähigkeit eine Rente von 20 °/o oder weniger der Vollrente festgestellt ist. Man wird abzu warten haben, ob von dieser Ermächtigung in um fassender Weise Gebrauch gemacht werden wird. Jedenfalls sind die Berufsgenossenschaften bevoll mächtigt worden, für eine gewisse Zeit gegebenen Falls die Reservefonds in Anspruch zu nehmen, wenn solche Abfindungen beantragt werden. Bezüglich der Reservefonds ist durch das neue Gesetz eine Aenderung bestimmt worden, welche die Beiträge der Berufsgenossen in den nächsten Jahren beträchtlich in die Höhe bringen wird. Das alte Gesetz hatte bekanntlich be stimmt, dafs in den ersten 11 Jahren nach dem Beginn der Thätigkeit der Berufsgenossenschaften von diesen Jahr für Jahr in bestimmten Procenten Zuschläge zu den Entschädigungen erhoben und diese in die Reservefonds abgeführt werden sollten. Die Berufsgenossenschaften, welche am 1. October 1885 ihre Thätigkeit eröffnet hatten, waren Ende 1896 mit der Steigerung des Reservefonds durch besondere Zuschläge fertig. Soweit sie Beträge angesammelt hatten, welche die doppelte Jahres ausgaben erreichten, waren sie sogar seit 1897 in der Lage, die Zinsen des Reservefonds mit zur Deckung laufender Ausgaben zu verwenden. Nunmehr werden sie wieder an die Erhöhung der Reservefonds durch Zuschläge gehen müssen. Das Gesetz schrieb vor, dafs auf eine Reihe von Jahren hinaus dem Reservefonds bestimmte Procente zuzuschlagen sind. In den ersten 3 Jahren belaufen sich diese auf je 10 °/o. Da die Eisen- und Stahlberufsgenossenschaften gegenwärtig etwa 20 Millionen Mark in ihren Reservefonds besitzen, so würden demnach in den ersten Jahren je 2 Millionen für die Reservefonds seitens der Berufsgenossen aufzubringen sein. Wenn man bedenkt, dafs im Durchschnitt der ersten 11 Jahre 1,8 Millionen für die Reservefonds erhoben worden sind, so wird man die Gröfse der neuen Last richtig abzuschätzen wissen. Gerade gegen diese Neuerung hatte sich eine scharfe Opposition geltend gemacht. Man wies mit Recht darauf hin, dafs die jetzt schon bestehenden Reserve fonds genügten, dafs es durchaus nicht angängig sei, die staatliche Arbeiterversicherung nach Merk malen der privaten Versicherung auszugestalten. Es half alles nichts. Die Reichstagsmehrheit wollte nun einmal gröfsere Garantien für die Gewährung der Arbeiterentschädigungen haben, und da die Einführung des Kapitaldeckungs verfahrens an dem Widerstande der verbündeten Regierungen scheiterte, so suchte sie wenigstens auf dem Wege der Erhöhung des Reservefonds zu ihrem Ziele zu gelangen und hat dies denn auch erreicht, nachdem die Regierung eine voll kommen abwartende Haltung diesem Punkte gegenüber eingenommen hatte. Die deutschen Arbeitgeber, soweit sie in Berufsgenossenschaften vereinigt sind, werden die Folgen dieser Gesetz gebung zu tragen haben. Wie schon einmal gesagt, sind alle diese Neuerungen an und für sich und einzeln ja nicht von allzu schwerer Bedeutung. Wenn sie aber in so grofser Zahl auftreten, wie noch bei jedesmaliger Umgestaltung eines Versicherungszweiges geschehen, so werden in Deutschland namentlich für die Industrie die Lasten so grofs werden, dafs die Concurrenz- fähigkeit gegenüber dem Auslande auf die Dauer darunter leiden mufs. Auch in der inneren Verwaltung der Berufsgenossenschaften ist manche Aenderung getroffen. Wir sehen davon ab, sie hier einzeln anzuführen, da sie weniger die Allgemeinheit als die Vorstände der Berufsgenossenschaften an gehen. Nur eine Neuerung möchten wir hervor heben, und zwar die, dafs, während bisher den Sectionen der Berufsgenossenschaften das Recht zustand, bis zu 50 °/o der Entschädigungen selbst aufzubringen, nunmehr das Recht bis zu 75 °/o erweitert ist. Wird davon in denjenigen Berufs genossenschaften, welche Sectionen haben, in