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zweifelhaft, dafs bei Ausbruch eines Krieges Eng lands mit einer europäischen Grofsmacht unser telegraphischer Verkehr mit den deutschen Colonien so gut wie ganz aufhören würde. Für die Folgen einer solchen Unterbrechung bietet der amerikanisch spanische Krieg ein lehrreiches Beispiel. Das von Spanien benutzte französische Kabel landet in Santiago de Cuba, von dort führten Landlinien nach dem 500 km entfernten Havana, sowie Küstenkabel nach Cienfuegos und Batabano ; erstere befanden sich in Händen der Aufständigen, letztere waren der Gefahr des Durchschnitten werdens ausgesetzt; trat dies ein, dann war Havana, der eigentliche Kriegsschauplatz, sowohl von San tiago wie vom Mutterlande abgeschnitten. Um dem vorzubeugen, versuchte Spanien sich andere Verbindungen von Süden her zu verschaffen, je doch erst dann, als die Feindseligkeiten mit Amerika bereits begonnen hatten und es zur Herstellung neuer Linien schon zu spät war. Die Amerikaner entwickelten im Gegensatz zu den Spaniern vom Tage der Kriegserklärung an eine äufserst rührige Thätigkeit, unterwarfen den telegraphischen Verkehr auf allen unter ihrem Einflufs stehenden Linien einer strengen Censur und nahmen Besitz von allen Kabeln zwischen Florida und Havana. Alle Telegraphenstationen, auch wenn sie nur mittelbar mit dem Kriegs schauplatz in Verbindung standen, wurden mili tärisch besetzt. Alle Telegramme der spanischen Regierung, wie überhaupt alle Telegramme in Chiffern oder verabredeten Zeichen und solche feindseligen Inhalts gegen die Vereinigten Staaten wurden unterdrückt. Ein Schiff des amerikanischen Blockadegeschwaders nahm eins der Kabel zwischen Florida und Havana an Bord und bildete so eine schwimmende Telegraphenstation für den Verkehr zwischen dem commandirenden Admiral und der Regierung in Washington. Um die Insel Cuba vom telegraphischen Verkehr ganz abzuschneiden, erhielten drei Schiffe den Auftrag, die in Santiago landenden drei Kabel, von denen die beiden eng lischen von Jamaika kommen, das dritte, ein französisches, von Haiti herüberläuft, zu durch schneiden. Aber die wochenlangen Bemühungen der drei Schiffe zum Aufgreifen der Kabel blieben erfolglos, weil die cubanische Küste sehr steil bis zu bedeutender Tiefe in das Meer abfällt. Als es endlich dem St. Louis, fast unter den Kanonen eines spanischen Forts, gelang, ein Kabel zu heben und zu zerschneiden, hatte man ein unbrauchbares Kabelstück erfafst, das bei Instand setzungsarbeiten fortgeworfen worden war. Da gegen gelang es einem kühnen Unternehmen, mitten im feindlichen Feuer an der Küste von Cienfuegos die beiden Kabel aufzunehmen und unbrauchbar zu machen, die Cienfuegos mit San tiago und Batabano verbinden. Dadurch war Marschall Blanco von dem mit seiner Flotte im Hafen von Havana eingeschlossenen Admiral | Cervera abgeschnitten. Später glückte es auch, das französische Kabel zu unterbrechen, aber die englischen Kabel nach Jamaika blieben während des ganzen Krieges im Betrieb, weil alle Versuche fehlschlugen, sie aufzufischen. Wir haben bei der Schilderung dieser Unter nehmungen etwas länger verweilt, weil sie zeigen, dafs das Aufgreifen und Durchschneiden von Tief seekabeln schwieriger auszuführen ist, als man nach weit verbreiteter Ansicht anzunehmen pflegt. Am leichtesten zerstörbar sind die Kabellandungs stellen. Es wird sich daher empfehlen, diese gefährdetsten Punkte, die man heute noch be sonders leicht von weitem kenntlich zu machen pflegt, möglichst unauffällig einzurichten oder zu verbergen, um ihr Auffinden zu erschweren und sie aufserdem in derselben Weise durch Anlagen von Küstenbefestigungen vertheidigungsfähig zu machen, wie bei Seeminensperren in Hafen einfahrten und auf Rheden geschieht. Zufolge internationalen Abkommens sollen zwar die Kabel innerhalb der Küstenzone unverletzlich sein, aber die Praxis verschafft dieser Vereinbarung erst dann Gültigkeit, wenn die Kanonen ihr wirksamen Nach druck verleihen, indem sie den Feind an der Aus führung solcher Absichten verhindern. Die Ameri kaner wurden ebensowenig durch das oben erwähnte Glückwunschtelegramm ihres Präsidenten im Jahre 1858 moralisch, als durch die unwirksamen Kanonen der Spanier physisch von ihren Versuchen zur Zerstörung der Kabel innerhalb der Küstenzone abgehalten. Die Erfolglosigkeit der von den amerikanischen Schiffen beharrlich fortgesetzten Versuche ist zwar ein Beweis für die Schwierigkeit des Auffischens von Kabeln in tiefer See, die Instandsetzungs arbeiten der Kabeldampfer beweisen jedoch anderer seits, dafs die Schwierigkeiten sich durch Uebung und Erfahrung abschwächen lassen. Das eng lische Beispiel, Kriegsschiffe zu Uebungszwecken mit Vorrichtungen zum Aufgreifen von Seekabeln auszurüsten, dürfte daher Nachahmung verdienen. Denn .einstweilen ist nicht abzusehen, wie es gelingen sollte, den unterseeischen Telegraphen kabeln den wirksamen Schutz der Neutralität durch ein internationales Abkommen zu verschaffen, wie ihn ihrerseits die Genfer Convention gewährt. Die Bedeutung der telegraphischen Verbindung für die Kriegsleitung ist viel zu grofs, als dafs die kriegführenden Parteien nicht von dem Mittel Gebrauch machen sollten, dem Gegner diese Lebensader zu durchschneiden. Der amerikanisch spanische Krieg hat gezeigt, dafs der Kriegswerth einer Flotte durch den Verlust aller telegraphischen Verbindungen auf ein verschwindendes Mafs herab gedrückt werden kann. Ein englisches Blatt sagte deshalb sehr treffend: »Die Summe von 100 Mil lionen Mark, die zur Herstellung von Seekabeln aufgewendet wird, würde allerdings zum Bau von 5 Panzerschiffen ausreichen, aber man mufs be-