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Wunsch als mafsgebend betrachtet, die einheit liche Organisation der gesammten Arbeiterver sicherung zu fördern. Ob das nun thatsächlich, nachdem der Reichstag die Bestimmungen über die neuen Schiedsgerichte auch angenommen hat, der Fall sein wird, mufs abgewartet werden (erscheint uns aber sehr zweifelhaft. Die Red.). Es hatte sich eine ganz bedeutende Opposition gegen diesen Vorschlag der verbündeten Regierungen mit Recht geltend gemacht. Trotzdem ist er Gesetz ge worden. Danach werden künftig die für die Invalidenversicherung bestehenden Schiedsgerichte auch die Entscheidung in den Berufungssachen der Unfallversicherung erhalten. Diese Schieds gerichte werden künftig den Namen „Schieds gerichte für Arbeiterversicherung“ haben. Die bei den bisherigen Gerichten schwebenden Streitig keiten gehen dann auf die neuen Schiedsgerichte über und sind von diesen zu erledigen. Da man indessen sowohl bei den verbündeten Regierungen wie bei der Mehrheit des Reichstages einsah, dafs gerade infolge der jetzigen Organisation der Schiedsgerichte die Thätigkeit der letzteren so segensreich gewesen ist, so hat man sich entschlossen, eine Einrichtung der alten Institute auf die neuen zu übernehmen. Es müssen bei den Verhandlungen Beisitzer aus den Berufs zweigen zugezogen werden, in denen die Unfälle vorgekommen sind. Ausnahmen sind davon nur in ganz besonderen Fällen zulässig. Damit ist also in gewissem Sinne das Vorhandensein von specieller Sachkenntnifs bei der Beurtheilung der einzelnen Fälle gewährleistet, und man kann gerade deshalb vielleicht mit etwas weniger Unruhe dem neuen Experiment zusehen. Die Berufsgenossenschaften werden nur darauf zu achten haben, dafs sie nicht etwa bei der Ver- theilung der Kosten zu sehr benachtheiligt werden. Die Kosten für die neuen Schieds gerichte werden natürlich zwischen Invaliden versicherungsanstalten und Berufsgenossenschaften getheilt werden, und zwar wird beim Vertheilen das Verhältnifs zu Grunde gelegt werden, in welchem die Zahl der Berufungen, die für einen Theil in einem Jahre erledigt sind, zu der ge sammten Zahl der erledigten Berufungen steht. Dies Vertheilungssystem sieht sehr einfach aus; wie aber die Erfahrung lehrt, kommen gerade bei so einfachen Anordnungen Streitigkeiten vor, und es wird Sache der Berufsgenossenschaften sein, ihre Interessen zu wahren. Schon bald nach Beginn der Thätigkeit der ersten Berufsgenossenschaften machte sich nament lich in den Kreisen der Geschäftsführer derselben das Bestreben geltend, die berufsgenossenschaft lichen Competenzen zu erweitern und ihre Thätig keit auch auf andere Gebiete zu erstrecken. Diese Bestrebungen hatten Jahre hindurch keinen Erfolg. Erst in der in der vorigen Tagung dem Reichs tag vorgelegten Novelle nahmen die verbündeten Regierungen sie wieder auf und ordneten, wenn auch nicht obligatorisch, so doch facultativ an, dafs es den Berufsgenossenschaften freistehen sollte, in gewissen Beschränkungen die Haft pflichtversicherung zu übernehmen und paritätische Arbeitsnachweise einzuführen. Wenn auch die erste dieser facultativen Aufgaben, wie nicht geleugnet werden kann, in den Bereich der Berufsgenossenschaften fällt, so mufste doch gegenüber der zweiten sich um so mehr eine Opposition geltend machen, als mit dem pari tätischen Arbeitsnachweis durchaus keine guten Erfahrungen gemacht worden sind. Die Opposition hat auch schliefslich Erfolg gehabt: dieser Theil der Vorlage der verbündeten Regierungen ist nicht Gesetz geworden. Dafür aber ist die Er mächtigung der Berufsgenossenschaften zur Einführung der Haftpflichtversiche rung über den von den verbündeten Regierungen in Aussicht genommenen Umfang erweitert worden. Mit dieser facultativen Haftpflichtversicherung der Berufsgenossenschaften kann man sich im allgemeinen wohl befreunden. Wie bekannt ist, haben die Arbeitgeber der meisten Berufszweige immer noch für haftpflichtige Fälle ganz be trächtliche Summen zu entrichten gehabt. Es hat sich infolgedessen nicht nur ein allgemeiner „deutscher Haftpflichtschutzverband“ gebildet, auch innerhalb einzelner Industriezweige sind besondere Versicherungsverbände für die ge meinsame Deckung der für dieses Gebiet den einzelnen Betriebsunternehmern entstehenden Schäden errichtet worden. Da es nach dem neuen Gesetze in dem Belieben der einzelnen Genossenschaften steht, von der ihnen gegebenen Erlaubnifs Gebrauch zu machen oder nicht, so werden natürlich alle diejenigen Berufszweige, in denen die Haftpflicht nicht schwer empfunden wird, die ganze Bestimmung auf dem Papiere stehen lassen, diejenigen aber, in welchen die Arbeitgeber diese Lasten schwerer zu spüren haben, werden sicherlich Gelegenheit nehmen, künftig sich bei den Berufsgenossenschaften gegen Haft pflicht zu versichern. An Stelle des gestrichenen Vorschlages der verbündeten Regierungen wegen der facultativen Errichtung von paritätischen Arbeitsnachweisen hat der Reichstag den Berufs genossenschaften eine andere facultative Aufgabe zugewiesen, und zwar die Errichtung von Rentenzuschufs- und Pensionskassen, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowohl, als für die Beamten der Berufsgenossenschaften, sowie für die Angehörigen aller dieser Personen. Da der Bundesrath auch diesem Entschlufs zugestimmt hat, so ist er Gesetz geworden. Es darf wohl gesagt werden, dafs damit ein glücklicher Griff gemacht worden ist, namentlich soweit die Beamten der Berufsgenossenschaften und ihre Angehörigen in Betracht kommen. Es war doch ein starker Widerspruch, dafs, während die Arbeiter in den