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864 Stahl und Eisen. Referate und kleinere Mittheilungen. 15. August 1900. Ueber die in den letzten vier Jahren an Kohlen und Koks eingeführten Mengen gehen zum Schlus noch Tabelle IX (Kohlen) und X (Koks) Auskunft. Tabelle IX. Im Jahre Einfuhr an Kohlen in engl. Tonnen aus Grofs- britannien aus Deutschland aus anderen Staaten Ins- gesammt 1896. . . 1897. . . 1898. . . 1899. . . 367 910 425 412 308 582 419 926 2 907 5 824 14 694 8 1 535 37 372 352 431 273 323 276 419 934 Tabelle X Einfuhr an Koks in engl. Tonnen Im Jahre aus Grofsbritannien aus Deutschland Insgesammt 1896 . . . 1897 . 1898 . . . 1899 . . . 80 850 95 901 78 210 95 745 15 6 281 351 693 96131 95 901 84 561 96 438 Chinas Waffen fabrication. Die verbündeten Truppen sollen, so schreibt die „Frankfurter Zeitung“, einige „Arsenale“ bei Tientsin genommen und zerstört haben. Nun würden die Chinesen, meinte man vielfach, wohl keine Waffen mehr her stellen und ergänzen können, denn es seien die Haupt waffenlager des Reiches gewesen. Leider waren sie es aber nicht. Viel weiter im Süden, etwa 20 km von Shanghai entfernt, liegt am Ufer des Wu-Sung die Stadt Kiang-Nan, also noch weit aufserhalb des Kriegs schauplatzes. Eine mächtige Fabrikanlage mit weiten Werkstattshallen und hochragenden Krahnen, unter denen ein 100-Tonnenkrahn besonders hervortritt, dehnt sich hinter einer Werft, deren Docks Schiffe bis 100 m Länge aufnehmen können, aus, das Arsenal von Kiang- Nan. Lediglich das Eingangsthor in chinesischem Stil mit seinen Emblemen in chinesischer Manier, einem bunten Bilde, eine einen Hirsch lockende Frauengestalt darstellend, erinnert den Besucher, dafs er sich in dem himmlischen Reiche befindet, hinter diesem ist alles modern, alles europäisch. Diese Anlage ist ein wirk liches Arsenal, eine Waffenfabrik ersten Ranges, die mit. den übrigen chinesischen Werkstätten in keiner Weise verglichen werden kann. In ganz China ist nicht ein einziges wirklich modernes Stahlwerk, keine Werkstätte, in der es möglich wäre, Geschützrohre im Gewichte von 50 t zu bearbeiten, aufser in Kiang- Nan. Das Stahlwerk stellt sich als eine durchaus moderne Anlage dar. Es besitzt zwei Siemens-Martin- Oefen , eine Schmiedepresse von 2000 t Arbeitsdruck, grofse Plattenwalzwerke, kurz alle Einrichtungen zur Herstellung der Halbfabricate für die Waffenfabrication. Hier werden die grofsen Schmiedestücke für die Ge schützrohre und die Laffeten hergestellt, die Schutz schilde für moderne Schnellfeuerkanonen gewalzt, riesige Stahlgüsse bis 25000 kg Gewicht gegossen, alles aus chinesischem Roheisen, aus chinesischen Erzen. In der Geschützfabrik werden die halb fertigen Stücke auf vorzüglichen Werkzeugmaschinen gebohrt, gedreht, gehobelt und gefräst, in der riesigen Montagehalle erfolgt der Zusammenbau, auf dem Schiefs- platz die Prüfung und das Beschiefsen. Alle Geschütze bis zum Kaliber von 6 Zoll (15 cm) werden ohne Inanspruchnahme des Auslandes fix und fertig her gestellt, die Rohre für solche von 50 t, 12 Zoll oder 30,5 cm Kaliber und 30 Kalibern oder über 9 m Länge, | werden ebenfalls angefertigt, nur die roh vorgeschmie deten Rohre werden aus England bezogen. Ebenso werden hier’ die Schutzschilde für Schnellfeuer- und Maschinengeschütze, deren Laffeten, alle möglichen Kriegsfahrzeuge fertiggestellt, die Montage erfolgt in einer riesigen Montagehalle, die viele europäische übertrifft. Mit dem Arsenal verbunden ist eine Waffenfabrik für Gewehre und Gewehrmunition, in der Gewehre modernster Bauart fabricirt werden, ja, der „T’emps" behauptet nach den Berichten eines amerikanischen Ingenieuroffiziers, die in dem Kiang Nan-Arsenal ge fertigten Gewehre seien mindestens den englischen Gewehren gleichwerth. Wenn nun auch die englischen Gewehre im Burenfeldzuge gerade keine besonders hervorragenden Proben ihrer Leistungsfähigkeit ab gelegt haben, so ist doch an deren fabrikmäfsiger Ausführung wenig auszusetzen und es liegt die An nahme nahe, dafs die Chinesen nicht ein englisches Modell, sondern eher ein deutsches in den Bereich ihrer Fabrication gezogen haben. So liefse sich auch das allen Fachkreisen unerklärliche Auftauchen der grofsen Massen sogenannter Mausergewehre, von denen die Blätter immer wieder berichten, erklären. Ebenso besteht eine eigene Pulverfabrik zur Herstellung rauch loser Pulver, die in die Munitionsfabrik liefert. Die Munitionsfabrik ist ebenfalls mit allen Hülfs- mitteln westländischer Technik ausgestattet. Die Leistungsfähigkeit soll pro Tag 5000 kg fertiger Munition betragen. Ueber die in dem Waffenwerk angefertigten Mo delle, die bezüglich der Gewehre soeben erwähnt wurden, ist mit Bestimmtheit bekannt, dafs für die schweren Geschütze überall das Modell Armstrong angenommen ist. Schon im Jahre 1890 fertigte das Arsenal eine ganze Anzahl 30,5-cm-, sogenannte 50-Tons-Geschütze an, also mit dasgröfste Kaliber, das eben überhaupt gebaut wird. Wo dieselben Verwendung gefunden haben, ist nicht genau bekannt. Die im japanesischen Kriege gebrauchten Schiffs geschütze waren mit den Schiffen von Europa oder Amerika geliefert worden, und da sich dieser Krieg auf die Küsten beschränkte, konnten die chinesischen Geschütze, die zweifellos an feste Binnenlandplätze gebracht worden sind, nicht in Action treten. Ebenso ist es nach den Berichten eines englischen Ingenieurs, der das Kiang Nan-Arsenal vor zwei Jahren besucht hat und dessen Berichten einige der hier gegebenen Angaben entnommen sind, zweifellos, dafs schon seit vielen Jahren mächtige Waffenlieferungen von Kiang-Nan ins Innere des Landes gehen. Welche An passungsfähigkeit die chinesischen Werkstätten be sitzen und mit welch vollkommenen Hülfsmitteln sie arbeiten müssen, geht aus dem Umstande hervor, dafs in dem erwähnten Arsenal vor einigen Jahren, als es sich um den Transport einiger abnorm schwerer Ge schütze handelte, für den die dafür vorhandenen Ein richtungen nicht ausreichten, kurzer Hand eine Locomo- tive gebaut wurde, die sich in nichts von den Fabricaten unserer ersten Fabriken unterscheidet. Da das Arsenal schon vor etwa 32 Jahren an gelegt wurde und seitdem dauernd in Betrieb war, ist es erklärlich, dafs es einen sehr geschulten und mit der Handhabung der neuesten Werkzeugmaschinen vertrauten Arbeiterstamm besitzen mufs. Man mufs hierbei die hohe Handgeschicklichkeit und die Nach ahmungsfähigkeit der Chinesen als einen nicht gefähr lich genug zu schätzenden Factor ansehen. Die ge- sammten Arbeiter des Werkes, das 1898 mit vollen 2500 Mann gearbeitet hat, sind Chinesen, die unter nur zwei oder drei Europäern, welche die oberste Leitung des Arsenals in technischer Beziehung aus- üben, thätig sind. Das Arsenal ist dem Vicekönig von Nanking direct unterstellt, die beiden englischen Leiter aufser einem Chinesen sind Hr. N. E. Cornish,