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15. August 1900. Die Pariser Weltausstellung. VII. Stahl und Eisen. 845 worden sind. Von dem Katalog der Gruppe XI, dem 13. unter den 20 Hauptbiinden, gelangten am 24. Juni die ersten Exemplare in der Aus stellung zum Verkauf. Die französische Bergbau- und Hüttenwesen- Ausstellung auf dem Marsfeld bietet mehr, als im allgemeinen erwartet wurde. Hinsichtlich ihrer Menge treten die Erzeugnisse des Landes auf diesem Gebiete hinter den Leistungen Grofs- britanniens, der Vereinigten Staaten und Deutsch lands erheblich zurück, und es beträgt z. B. die Erzeugung von ganz Frankreich an Kohle nur wenig mehr als die Hälfte derjenigen des Ruhrbeckens allein. Das Becken des Pas-de- Calais, das mit etwa 20 Millionen Jahreserzeug- nissen den weit überwiegenden Theil des mine ralischen Brennstoffs in Frankreich liefert, ist naturgemäfs auch in der Ausstellung allen übrigen Bezirken zuvor. Die Bergbau-Gesellschaften von Bruay-Bethune und Dourges zeigen allerliebste Modelle ihrer Tagesanlagen, wie Förderthürme einschliefslich der Verladung, Kessel, Waschkauen u. s. w., eine Aufbereitung mit 12 Fülltrichtern von je 10 t Aufnahmevermögen, sowie einer unterirdischen Streckenführung nebst Geleise anordnung an der Schachtsohle. Die in 1/10 der wahren Gröfse ausgeführten Modelle sind bis auf das Kleinste der Natur treu nachgebildet und gewähren einen ebenso lehrreichen wie anziehen den Anblick, wenn die zierlichen maschinellen Einrichtungen im Gange sind und die Anlagen in Bewegung setzen. Eine willkommene Er gänzung zu diesen Modellen ist die in Natur- gröfse bewirkte Nachbildung eines Pfeilerabbaues, den die Kohlenzeche von Courrires nebst einem Bremsberg vorführt. Die genannten und ebenso zahlreiche weitere Zechen geben durch gröfse geologische Karten und Reliefabbildungen werth- volle Aufschlüsse über ihre Verhältnisse, so dafs in Verbindung mit dem vom Arbeitsministerium und dem Comite des Houilleres de France ge lieferten Material ein recht vollständiger Heb er blick über die heutige Lage des Kohlenberg baues Frankreichs geliefert wird. Denn die anderen Bergbaureviere bleiben auch nicht zurück, namentlich erwähnenswerth sind noch die treff- liehen geologischen wie plastischen Darstellungen der Gruben- und Hüttenwerke der Gesellschaft von Commentry Fourchambault und Decazeville sowie der durch einen Aufstand vor einigen Jahren zu trauriger Berühmtheit gelangten Zeche von Carmaux. Dagegen ist von der vielbesprochenen „Mine aux Mineurs“, über welche in socia- listischen Kreisen Frankreichs seinerzeit viel Aufhebens gemacht wurde, uns nichts zu Gesicht gekommen. Von Interesse für die Zukunft des französichen Kohlenbergbaues mag noch die An gabe sein, dafs trotz der zunehmenden Er schöpfung der Gruben im mittleren und südlichen Frankreich die geologischen Kreise glauben, eine jährliche Kohlenförderung von etwa 40 Millionen (jetzt 32,5 Millionen) Tonnen auf absehbare Zeit aufrecht erhalten zu können. In Verbindung mit den Gruben stellen die jenigen Maschinenfabriken, welche für erstere arbeiten, ihre Erzeugnisse aus, ebenso die Bohr unternehmer ihre Tiefbohrwerkzeuge. Sehr be lehrend sind die Darstellungen von Schächten, welche nach dem Gefrierverfahren unseres Lands manns Poetsch im schwimmenden Gebirge ab geteuft werden. Dieser Theil der Ausstellung birgt anerkennenswerthe Einzelleistungen, immer hin verläfst ihn der deutsche Bergmann mit dem beruhigenden Bewufstsein, dafs er daheim gut fährt und auf einigen Gebieten, namentlich dem wichtigen der Aufbereitung, überlegen ist. Auf einer der oberen Galerien findet sich eine sehr interessante Collectiv-Ausstellung von 18 Minette-Grubenbesitzern des Departements Meurthe-et-Moselle. Während in Deutschland der Schwerpunkt der Eisenindustrie sich nach der Westgrenze verschiebt, ist in Frankreich der Zug nach dem Osten gerichtet. Von den 5 Millionen Tonnen Erz, welche in Frankreich heute jährlich gefördert werden, entfallen 4 Mil lionen auf das Minetterevier, und von den etwa 21/2 Millionen Tonnen Roheisen werden mehr als 11/2 Millionen aus Minetteerzen erblasen. Wenn die neuen Hochöfen bei Nancy, Villerupt und im oberen Ornethal fertig sein werden, so wird dieser Bezirk über 80 Oefen verfügen. Obwohl jetzt noch ein starker Transport von Erzen über die deutsche und luxemburgische Grenze vor sich geht, hofft man doch, später selbst den gesteigerten Ansprüchen aus eigenen Gruben gerecht zu werden, und in der That berechtigen die Aufschlüsse zu einer solchen Auffassung, da die neueren Bohrungen ergeben haben, dafs die mächtige Ablagerung sich wesent lich weiter westlich erstreckt, als man bisher angenommen hatte. Verschiedene trefflich aus geführte Karten zeigen, dafs die verliehenen Felder insgesammt 58 000 ha überschreiten, die Profile weisen Mächtigkeiten der Flötze-bis zu 61/4 m nach, bei einem Eisengehalt von 36 bis 42 °/o ; stellenweise sinkt der Eisengehalt bis auf 27 °/o und darunter. Teufe und Abbau sind günstig. Die methodisch durchgeführten Bohrungen, au deren Durchführung es auf der deutschen Seite noch fehlt, haben allein für den 30 000 ha um fassenden Theil bei Briey Erze im Gesammt- gewicht von mindestens 2000 Millionen nach gewiesen, von welchen die Hälfte als brauchbar und unschwierig zu gewinnen bezeichnet wird. * Das Roheisencontor von Longwy, durch wel ches der Verkauf des im District erzeugten * Wir gedenken auf diesen interessanten Theil der Ausstellung, der durch Beiträge von Ingenieur Vilain vom Corps des Mines erläutert ist, später aus führlich zurückzukommen. Die Red.