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Dafs bei dem gewaltigen Aufschwung, den die Industrie Deutschlands genommen hat, nur auf die Gelegenheit gewartet wird, um Roh materialien billig per Wasserweg zu beziehen und fertige Fabricate ebenso wieder mit billiger Wasserfracht zu versenden, das, m. H., wird schon durch die Statistik der letzten Jahre bewiesen. Denn während die Ausdehnung, dieLänge unserer Wasserstrafsen seit Jahren im wesentlichen die selbe geblieben ist, hat der Wasser verkehr ganz erheblich zugenommen. Der Baurath Sy mph er hat durch eine hochinteressante Ausarbeitung im vorigen Jahre nachgewiesen, dafs wir trotz unserer geringeren Kilometerzahl an Wasserstrafsen, 10 000 km, Frankreich mit seinen 12 300 km in Bezug auf Leistung unserer Binnenschiffahrt um mehr als das Doppelte übertreffen. 1875 hatten wir in Deutschland auf den Kanälen und Wasserstrafsen insgesammt 2 900 000 000 Güter Tonnenkilometer, 1895 das 21/2 fache, nämlich 7 500 000 000 tkm. Die vor 14 Tagen beendete Session des preufsischen Abgeordnetenhauses stand von An fang bis zu Ende unter dem Zeichen der Kanal vorlage, die in der Thronrede zwar angekündigt wurde, aber ausgeblieben ist. Bis gegen den Schlufs hin wurde ihre Einbringung immer wieder von neuem gemeldet, aber sofort wieder desavouirt. Die Kanalvorlage wurde im Verlaufe der Session oft besprochen, sie stand im Mittel punkt der Verhandlungen, aber gesehen hat sie niemand. Sie soll nun in der nächsten Session kommen, aber ganz unabhängig von der grofsen Kanalvorlage müssen wir, hochgeehrte Herren, das gesteckte Ziel energisch verfolgen, dafs der Bau des Moselkanals beziehungsweise die Kana- lisirung der Mosel ohne Zeitverlust nunmehr in die Hand genommen werde. Am 16. Juni hat der Kaiser die Kanalvorlage anläfslich seiner Rede in Lübeck berührt, auch im vorigen Jahre bei der Eröffnung des Hafens zu Dortmund trat S. M. entschieden für die Vorlage ein. Excellenz v. Miquel suchte in seiner Lübecker Rede die Besorgnisse zu zerstreuen, welche ge wisse Kreise an den Ausbau der Kanäle knüpfen, insbesondere an den Mittellandkanal! Minister Freiherr v. Hammerstein sprach in Lübeck vor 14 Tagen die Zuversicht aus, dafs wir siegreich aus dem Kampfe um die Kanäle hervorgehen würden, weil wir trotz aller Schwierigkeiten mit der Bundesgenossenschaft des Kaisers rechnen können, der für die Ausführung der Vorlage die Garantie zu übernehmen versprochen habe. Der Eisenbahn minister v. Thielen erklärte bei derselben Ge legenheit sogar ganz kategorisch: „Gebaut wird er doch!“ Hochgeehrte Herren! Wir Bewohner von Lothringen haben alljährlich das Glück und den Vorzug, den Kaiser in unserm schönen Mosel lande zu Besuch zu haben, wir wissen, wie sehr Se. Majestät sich interessirt für das Wohl und Wehe unseres Landes, wir wissen aus seinem eigenen Munde, dafs es unserm Kaiser Ernst ist mit seiner Unterstützung auch um den Moselkanal! Rechnen wir also mit dieser Kaiserlichen Unterstützung, bauen wir auf sie, trotz aller Schwierigkeiten. Je gröfser die Schwierigkeiten, desto fester das Ziel ins Auge gefafst, meine hochverehrten Herren, das war auch der Sinn der Kaiserlichen Rede in Eis leben , als S. M. sich zu der Devise der alten Grafen von Mansfeld bekannte! Dennoch! lautet diese Devise; dennoch, meine Herren, „gebaut wird er doch!“ Gebaut wird er doch, so sicher, wie unsere Stadterweiterung jetzt anfängt greifbare Formen anzunehmen; hat doch Se. Majestät bereits die Entscheidung getroffen, dafs der Metzer Hafen unterhalb der Stadt auf der Chambiere - Insel seinen natürlichen Platz finde. Gebaut wird er doch, schon deshalb, weil im Frankfurter Frieden das Reich die Verpflichtung übernommen, den Moselkanal von Metz aus weiter zu führen bis Diedenhofen resp. Landesgrenze bei Sierk. (§10 des Vorvertrages zum Frankfurter Friedens- vertrage). Eingedenk des Grundsatzes: „Jedem das Seine", bringen wir Bewohner von West- und Südwestdeutschland, wo man die hohe Bedeutung der Wasserstrafsen vollauf zu würdigen weifs, dem jetzigen Plane der Staatsregierung, auch für den Osten unseres Vaterlandes ein aus gedehntes Kanalnetz auszuführen, volles Ver- ständnifs entgegen, um so mehr aber ist es dringend nothwendig, dafs auch die wichtigste Wasserstrafse zum südwestlichen Grenzrevier, unsere Mosel, nicht länger vernachlässigt werde. Es ist bekannt, wie seit dem Jahre 1883 die Handelskammer in Coblenz, an ihrer Spitze der jetzige Geheime Commerzienrath Spaeter, unentwegt an den Bestrebungen zur Mosel kanalisation gearbeitet hat. Es folgten dann die Eingaben verschiedener Interessenten-Ver einigungen im Jahre 1884 und 1885, Denk schriften im Jahre 1888 von dem Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamts bezirk Dortmund, aus demselben Jahr die Denk schrift der damaligen Vereinigung der Koks anstalten und Fettkohlenzechen des Ruhrreviers — alle diese ausgezeichneten Ausarbeitungen ver liefen aber ohne Resultat! Die Argumente, welche damals, vor 12 Jahren, für die kanalisirte Mosel ins Treffen geführt wurden, sind heute noch dieselben, aber in ihren Zahlen, betreffs der zu erwartenden Güter mengen, von ganz erheblich verstärkter Bedeutung. Während z. B. für Lothringen der Verbrauch an Koks für 1885 sich bei 18 Hochöfen auf etwa 500000 t stellte, hat sich derselbe heute