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Stahl und Eisen. 809 geschliffene Thalwände, tief ausgewaschene Thal- kessel bezeichnet wird, während an dem inneren Bogen der Flufskrümmungen meist fruchtbares Alluvialgelände mit Wiesen und Obstwäldern den herrlichsten Contrast bietet zu den gegenüber liegenden Felsufern. Reichliche Wasserzuflüsse werden der Mosel zugeführt, zumal auf dem rechten Ufer durch die französische Meurthe, die Seille bei Metz und durch die Saar bei Gonz; auf der linken Seite durch die Orne bei Reichers berg, die Sauer uiid die Kyll, abgesehen von den zahlreichen Gebirgsbächen, die der Mosel zueilen. Gestatten Sie mir nun, hochgeehrte Herren, die Kanalisirung der Mosel von ihrer wirth- schaftlichen Bedeutung aus für einige Augen blicke zu besprechen. Grofs ist die Zahl der Zeitungsartikel, grofs auch die Zahl der Petitionen, welche in dieser Angelegenheit seit 17 Jahren verfafst worden sind. Waren es früher Noth- schreie der in ihrer Existenz und Exportfähigkeit bedrängten Industrie, so könnte man heute mit Fug und Recht sagen, dafs es vor Allem die Erkenntnifs ist, dafs unsere Eisenbahnen nahezu an der Grenze ihrer Leistungs fähigkeit angelangt sind und dafs es hohe Zeit ist, für Massengüter, wie vor allen Dingen Kohle und Eisenstein, Wasserstrafsen zu schaffen, welche dem Zwecke dienen, die über füllten Schienenwege, zumal in den Bergbau- und Industriegebieten, in ausgiebigster Weise zu entlasten. Unser Handel und Wandel, unser Bergbau und unsere Industrien, vor Allem die Eisen industrie, sie stehen heute in ungeahnter Gröfse, geachtet, respectirt in aller Welt da; es ist unsere Pflicht, sie auf dieser Höhe zu erhalten, gerade so, wie der Staat, das Reich mit Recht auf die Erhaltung und Vervollkommnung unseres Heeres den gröfsten Fleifs, den lebendigsten Eifer entwickelt. Ihm, dem Heere und seinen ruhm reichen Thaten, verdanken wir den Aufschwung, den unsere Geschichte seit mehr als einem Menschenalter genommen; seien wir auf der Hut, dafs der industrielle Erfolg auch ferner wachse, blühe und gedeihe. Die Flottenfrage ist ja zum Glück in dem Sinne gelöst, wie sie Seine Majestät der Kaiser gewünscht hat, und kräftig möge fortan sich Deutschlands Macht zur See entfalten zum Schutze der mächtig emporgediehenen Handels flagge. Wie nöthig dies war und ist, dazu liefern die Ereignisse in China in den letzten Wochen einen eclatanten Beleg. Möge auch über unserer heutigen Frage, der Frage der Moselkanali sirung, ein ebenso günstiger Stern walten, wie bei der Flottenfrage. Wie die Flotte den über seeischen Handel zu beschützen berufen ist, so dienen die grofsen Kanäle und Wasserstrafsen dazu, den deutschen Handel und die deutsche Industrie leistungsfähig zu erhalten und instand- zusetzen, zu exportiren. Nehmen wir uns speciell an unseren Nachbarn, den Franzosen und Bel giern, ein Beispiel. Welch ein ausgedehntes Kanalnetz erblicken wir auf der Karte dieser Länder. Da sehen wir, wie die von Natur ohnehin schon so glücklich beanlagten Stromgebiete durch Kanäle unter sich in Verbindung gebracht, das ganze Land von Schiffahrtswegen von Ost nach West, von Süd nach Nord durchzogen wird, wie sich die Schiffe selbst von den Küsten des Mittel- meeres zur Garonne und zum biscayischen Meer busen, die Rhone und Saöne hinauf zur Loire und zum Atlantischen Ocean, die Marne und Seine hinunter bis zum Aermelmeer, die Schelde hinunter bis nach Antwerpen und Holland bewegen. Tief im Innern Frankreichs begegnen wir Schiffen, die, vom Rheine herkommend, Hol land durchquerten, dann über Herzogenbusch, Maastricht, Lüttich, Namur, also quer durch Belgien die Maas hinauffahren, um bei Givet die französische Grenze und weiter über Verdun das Innere Frankreichs zu erreichen. W nn diese Transportschiffe trotz des enormen Umwegs, den sie zu machen gezwungen sind, noch einen gewissen Vortheil gegenüber der Bahnfracht ge währen können, wieviel mehr wird dies der Fall bei solchen Wasserstrafsen, die eine directe Zufahrt zu einem grofsartigen Industriecentrum bilden, wie unsere Mosel. Ein anderes Beispiel, wie sehr Handel und Industrie darauf angewiesen sind und darauf hinstreben, ihre Rohmaterialien billig zu beziehen und ihre Erzeugnisse vortheilhaft zu verfrachten, finden wir auf französischer Seite in unserer Nähe. Das bekannte, industriereiche Erzbecken von Longwy, etwa 65 km von Metz entfernt, bemüht sich energisch darum, einen Kanal von Longwy über Longuyon, Montmedy nach der Maas zu bauen und somit jenes Erzbecken, welches mit zur Zeit 35 Hochöfen arbeitet und aufserdem zwei aufserordentlich leistungsfähige Stahlwerke besitzt, mit dem Nord-Departement und dem Pas-de-Calais und dem Seehafen Dün kirchen zu verbinden; letzteres Ziel soll dadurch erreicht werden, dafs man einen Verbindungs kanal von der Maas nach der Schelde baut. Die Kosten dieser verhältnifsmäfsig kleineren Kanalbauten sind auf rund 27 Millionen Franken veranschlagt und man verspricht sich durch die Erstellung dieser Kanalabschnitte aufserordent- liche Vortheile für das Longwyer Industriebecken, für das betriebsame Ardennerland und die an schliefsenden Nord-Departements. Welch ein immenser Verkehr sich auf den Wasserstrafsen entwickeln kann, das beweist u. a. die Zufuhr allein an Kohlen zu den Rheinhäfen Ruhrort, Duisburg und Hochfeld. Bei einer Förderung im rheinisch - westfälischen Revier in 1898 von 51 000 000 t wurden in jenen Häfen beinahe 7 Millionen Tonnen per Schiff verladen.