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Ich wollte dieses feststellen, um keine irrthümliche Auffassung aufkommen zu lassen. — Es hat mich besonders gefreut, aus der Umfrage, die in dankenswerther Weise der Verein auf den Bauwerkstätten, den Verwendungsstätten für beide Materialien gemacht hat, erneut zu hören, dafs beide Materialien sich thatsächlich gleichmäfsig verhalten. Ich betonte, dafs für Deutschland die Frage „Thomas“ oder „Martin“ für alle Haupt verwendungsarten keine Frage mehr ist. Ich mufs das dahin einschränken, dafs die Frage nicht mehr besteht für alle diejenigen Verwendungsstellen, die sich der Mühe unterzogen haben, das Material gründlichen Prüfungen zu unterziehen. Leider ist eine Hauptverwendungsstelle dieser doch nicht unbilligen Anforderung nicht in dem Mafse nachgekommen, wie das bei der grofsen Bedeutung des Thomasverfahrens für Gesammt-Deutschland nöthig und zu erwarten gewesen wäre. Ich meine damit unseren gesammten deutschen Schiffbau. Wenn der deutsche Schiffbau, wie das in erfreulicher Weise neuerdings geschehen ist, den Ursachen nachgehen will, die den Wettbewerb der deutschen Stahle zum Bau deutscher Schiffe nicht in dem gewünschten Mafse haben aufkommen lassen, und feststellen will, was in Zukunft geschehen mufs, um diesen Zustand gründlich und rasch zu verändern, so sind es drei Punkte: 1. Die-Verwendung von weichem Material, statt wie bisher harten Stahlsorten. 2. Die Verminderung der Zahl der Profile und die Herbeiführung einer Vereinheitlichung zwischen den Profilen des Hochbaues und denen des Schiffbaues. 3. Die Zulassung von Thomasstahl zum Bau von Schiffen in weitgehendster Weise. Diese drei Anforderungen gestatten Gestellung von wesentlich billigeren Preisen und die Möglichkeit kürzerer Lieferfristen — und davon hängt alles ab. Sind die drei Forderungen erfüllt, dann kann die Marine so gut wie heute der Hochbau in weitgehendster Weise rasch bedient werden, durch die Walzwerke direct und vom Lager. — Diese drei Forderungen sind der Marine commission, die in dankenswerther Weise vom Reichsmarineamt hinausgeschickt war, zur Ergründung dieser Verhältnisse, wohl in allen Tonarten vorgehalten worden. Hoffentlich wird sich daraus unter anderem auch die Folgerung ziehen lassen, dafs auf diesen drei Gebieten eingehendste weitere Prüfungen stattfinden, die dann dazu führen, alte längst verrostete Standpunkte zu verlassen, um sich zu überzeugen, dafs das, was vor 15 Jahren vielleicht wahr war, es nicht nothwendigerweise heute auch noch sein mufs. Was nun den neuen Vorstofs österreichischer Kreise gegen Thomasmaterial zu Bauconstruc- tionen anlangt, so liegen bezüglich des Hochbaus diesem Vorstofs keinerlei neue Thatsachen zu Grunde. Schon im Jahre 1893 habe ich in einem Vortrag* ausgeführt, wie die damalige Verurtheilung des Thomaseisens zu Bauzwecken erfolgt war. Ich konnte ausführen, dafs man damals aus den Versuchen, bei einigem guten Willen, ebensogut das gerade Gegentheil hätte schliefsen können, als was wirklich geschlossen worden ist. — Seither sind bei den Verhandlungen des Oesterreichischen Architekten- und Ingenieur - Vereins im vorigen Jahre neue Thatsachen von' Bedeutung nicht aufgeführt worden und der ganze Vorstofs des Hrn. Ritter von Dormus hatte als Ergebnifs eine Redeschlacht, nicht einen Kampf mit neuen Thatsachen. Dieser Vorstofs gegen Thomaseisen erfolgte auf die Mittheilung durch Hrn. k. k. Hofrath J. Brik über die Zulässigkeit des Thomasflufseisens zur Verwendung bei Brückenconstructionen, erstattet am 4. November 1899 im „Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein.“ Dieser Bericht einer Commission ad hoc gipfelte in den folgenden Schlufssätzen : „Der Oesterreichische Ingenieur- und Architekten-Verein anerkennt die Zulässigkeit des Thomasflufseisens zur Verwendung der Brückenconstructionen unter der Bedingung, dafs: 1. die Festigkeit dieses Materials 3,5 bis höchstens 4,3 t/qcm und das Product aus der Festigkeitszahl und der Bruchdehnung (in Procenten bezogen auf die Mafslänge V80 F) mindestens 98 beträgt; 2. die Anarbeitung und die Montirung durchaus sorgfältig zur Ausführung gelange und dafs bei den nothwendigen Bearbeitungen alle das Material schädigenden Einflüsse vermieden werden; 3. das Material der Niete die Festigkeit von 3,5 bis höchstens 4,0 t/qcm, bei einem Producte aus der Festigkeitszahl und Dehnung von mindestens 100 besitze, die Niete nicht über helle Kirschenrothgluth erhitzt, die Nietung thunlichst mit Maschinen erfolge, bei Hand nietungen diese möglichst rasch ausgeführt und Verletzungen der Eisenoberfläche ver mieden werden.“ Der Vorsitzende k. k. Ober-Bergrath A. Rücker fügte noch hinzu: „Ich erlaube mir zu bemerken, dafs die Ausschufsanträge im Verwaltungsrathe zur Beschlufs- fassung vorgelegt und dort einstimmig angenommen wurden; es sind also die erwähnten Anträge Anträge des Verwaltungsrathes, wovon ich Kenntnifs zu nehmen bitte.“ * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1897 Nr. 10 S. 381 und ff.