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1. August 1900. Die neueren Fortschritte in der Flulseisenertseugung. Stahl und Eisen. 773 behandelten Hitzen genommen, konnte ein Unterschied in der chemischen Zusammensetzung nicht nachgewiesen werden. M. H.! Ehe ich zum Giefsen des Stahls in Blöcke übergehe, wende ich mich dem Martin verfahren zu, weil die nachherige Behandlung bei beiden Flufseisensorten in den allermeisten Fällen dieselbe ist. Das Martinverfahren ist etwa 13 Jahre länger in Anwendung als das Thomas verfahren, somit liegt nach Mehrtens* schon ein Grund für seine anfängliche Bevorzugung in dem Altersunterschiede. Die Ausführungen Kintzles,** dafs der schnelle Verlauf des Thomasprocesses gegenüber dem Martinprocesse nicht von Einflufs auf die Güte des erzeugten Materials, und die chemische Zusammensetzung und Güte des Einsatzes, wenn mit grofsem Procentsatz Schrott gearbeitet wird, beim Martinbetriebe schwerer festzustellen sei, als die chemische Zusammensetzung des Roheisens beim Thomasprocefs, ferner, dafs die atmosphärische Luft ein reineres Oxydationsmittel sei als Erz und Walzen sinter, dafs aufserdem auch die Unreinigkeiten der Gase in ihren Ver- brennungsproducten auf das Flufseisen einwirken können, sind bis jetzt meines Wissens nicht widerlegt worden. Die Endbestimmung beider Processe geschieht durch Entnahme von Vorproben, nach deren Bruch aussehen mit Leichtigkeit der Grad der Entphosphorung und der Härte grad erkannt werden kann. Im Martinbetriebe werden gewöhnlich geringere Quantitäten erzeugt, wobei natürlich kleinere Betriebsstörungen an den viel einfacheren Betriebseinrichtungen weniger stören und weniger nachhaltig sind, als bei dem maschinell complicirter arbeitenden Thomasverfahren. Auch in dem Martinverfahren sind die Fortschritte ganz bedeutende zu nennen. Generatoren, Gasventile und viele Ver besserungen am Ofen selbst haben den Betrieb vereinfacht und vor allen Dingen gröfsere Erzeugungen bei gröfserer Haltbarkeit der Oefen im Gefolge gehabt. Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen, m. H., alle diese Einzelheiten in Wort und Bild vorführen wollte. Ein grofser Fortschritt scheinen mir für den Martinbetrieb wend bare Oefen zu sein, da man bei grofsem Roheisenzusatz mit Leichtigkeit die Schlacke sammt den damit dem Roheisen entzogenen Unreinigkeiten entfernen kann, und sicli Herd-Rück- und Vorderwandreparaturen leichter ausführen lassen. Auch Unregelinäfsigkeiten, welche dadurch entstehen können, dafs das Stichloch von selbst zu früh aufgeht oder dafs das Stichloch nicht rasch genug geöffnet werden kann, wodurch Zeitverluste entstehen, man somit nicht die gewünschte Qualität als Endproduct erhält, werden durch diese Einrichtung vermieden. Während in Deutschland die Martinstahlwerks-Ingenieure die Hitze, wenn sie fertiggemacht ist, so schnell wie möglich abstechen und unbeschadet der Güte des erzeugten Endproducts 5 bis 6 Hitzen in 24 Stunden von 15 t machen, sagt der Oberingenieur Anton Ritter von Dormus:*** „Durch Verwendung eines von Oxyden möglichst „freien Einschmelzmaterials, sowie durch lange, bis „zu 24 Stunden reichende Chargendauer ist man in „der Lage, Qualitäten zu erzeugen, welche jenen „des Tiegelschmelzens sehr nahe kommen.“ Es wäre interessant, zu wissen, ob die Charge 24 Stunden in Giefshitze vor oder nach dem Zusatz stehen bleiben soll. Ferner würde es für uns sehr wichtig sein, zu erfahren, ob Herr Ritter von Dormus diese Arbeitsweise selbst erfunden hat, und mit wieviel Schrott und wieviel Roheisen er zu arbeiten gedenkt, ob seine Angabe auf Versuche basirt ist, und wenn nicht, welcher grofse Unbekannte ihm diese Weisheit zu- * „Stahl und Eisen“ 1891 S. 719. ** „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“ Bd. XXXVI S. 81 ff. *** „Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten - Vereins“ 1899 Nr. 50 8. 711.