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15. Juli 1900. Viertel jahrs- II. Oberschlesien. Allgemeine Lage. Die allgemeine Lage des oberschlesischen Eisen- und Stahlmarktes hatte im II. Quartal 1900 hezüglich ihrer Festigkeit harte Proben zu bestehen. Der anhaltend ungünstige Geldstand, der fortdauernde südafrikanische Krieg, der Ausbruch der chinesischen Wirren und ganz besonders die seit Mitte April auf dem amerikanischen Eisenmarkt herrschenden ungünstigen Verhältnisse, die an der Börse einen scharfen Rückgang aller Montanwerthe herbeiführten, stürmten auf den Eisenmarkt ein und drohten, unterstützt durch mehr oder weniger entstellte Zeitungsberichte, ihn zu erschüttern. Dafs diese Er schütterung nicht eintrat und die Preise der meisten Eisen- und Stahlerzeugnisse fest blieben, ist die Folge des Zusammenhaltens der Werke, welche ihrerseits die Lage des Eisenmarktes trotz gegentheiliger Be hauptungen und trotz aller obengenannten Verhältnisse für gesund ansahen. Nicht ganz so war die Wirkung auf einen grofsen Theil der Verbraucher, welche, ängstlich geworden, mit gröfseren Specifications- ertheilungen im letzten Quartalsdrittel auf die laufen den Schlüsse zurückhielten. Indessen mangelte es im allgemeinen nicht an Arbeit, da die Erledigung der in der Vorzeit eingegangenen, recht umfangreichen Aufträge die Werke ausreichend beschäftigte. Das Ausfuhrgeschäft verlief bei steigenden Preisen ent sprechend dem Umfange der Vorquartale. Sehr erheb liche Preisrückgänge traten erfreulicherweise im Berichtsquartal für Altzeug ein, dessen Preise am Schlüsse des Vorquartals eine unnatürliche und un gesunde Höhe erreicht hatten. Kohlen- und Koksmarkt. Die Lebhaftigkeit des oberschlesischen Kohlengeschäftes hat in dem zweiten Kalender-Vierteljahr, in welchem sich in der Regel der Verkehr am schwächsten zu gestalten pflegt, angehalten, wenn auch die Versendungen gegen das Vorquartal naturgemäfs eine Abschwächung erfahren haben. Die Versendungen der oberschlesischen Stein kohlengruben zur Hauptbahn betrugen: im II. Quartal 1900: 4 031 730 t „ I. „ 1900 : 4 392 740 t „ II. „ 1899: 3 776 6G0 t so dafs die Verminderung gegen das Vorquartal 361 010 t = 9,18 °/o beträgt, während gegen das gleiche Vierteljahr 1899 sich eine Steigerung von 255 070 t = 6,75 % ergiebt. Trotz dieser regen Versandthätig- keit hat der Markt keine Erleichterung erfahren und es blieben am Quartalsschlufs sehr bedeutende Liefe rungsrückstände bestehen. Für die weitere Entwick lung des Kohlenmarktes kommen neben dem bedeuten den Bedarf der Industrie die grofse Kohlenknappheit im Ruhrrevier und die hohen Preise der englischen Kohle in Betracht, welch letztere Umstände dem Verbrauch oberschlesischer Kohle an den Küstenplätzen und den westlichen Absatzgebieten zu gute kommen. Auch haben viele Verbraucher, insbesondere Zucker fabriken, mit der Deckung ihres Bedarfes schon jetzt begonnen, in der Befürchtung, dafs die kommenden Herbst- und Wintermonate wieder ähnliche Schwierig keiten für die Deckung des Bedarfs wie im vorigen Jahre bringen könnten. Da bei dem anhaltenden Arbeitermangel an eine nennenswerthe Steigerung der Production nicht zu denken ist, erscheinen diese Be fürchtungen wohl auch nicht unberechtigt. Die Ver schiffungen wurden zwar durch verhältnifsmäfsig gute Wasserstände und niedrige Frachten begünstigt, indessen wurde die Verladung auf dem Wasserwege vielfach durch die Materialknappheit beeinträchtigt. Seit der am 1. April bewirkten Preiserhöhung ist bisher eine Aenderung der officiellen Preise nicht ein getreten. Marktberichte. Stahl und Eisen. 765 Die Nachfrage auf dem Koksmarkte war während des letzten Vierteljahres eine unvermindert starke und konnte zum grofsen Theil nicht befriedigt werden, zumal Bestände nirgends vorhanden sind. Hierzu tritt noch der Umstand, dafs infolge Gruben brandes und Arbeitermangels auf Königin Luisegrube — der Hauptfettkohlenlieferantin Oberschlesiens — die Kokskohlenlieferungen eine Einschränkung erfuhren, was naturgemäfs eine Beeinträchtigung der Koks erzeugung zur Folge hatte. Der Kokskohlenpreis der Königin Luisegrube für das zweite Semester ds. Js. ist auf 8 K f. d. Tonne festgesetzt worden, was gegenüber dem jetzigen Preise eine Erhöhung von 508 f. d. Tonne Kokskohle bedeutet. Roheisen. Auf den Hochofenwerken herrschte auch im Berichtsquartale eine äufserst lebhafte Thätig- keit und jede Roheisensorte fand schlanken Absatz. Neue, jedoch unbedeutende Abschlüsse wurden in der Hauptsache in Giefsereiroheisen gethätigt und zwar zu nutzbringenden Preisen. In Puddel- und Martinroheisen sind für das laufende Jahr sämmtliche Hochofenwerke vollständig ausverkauft. Stabeisen. Auf dem Walzeisenmarkt übten die auswärtigen Wirren, sowie die Vorgänge auf dem amerikanischen Eisenmarkte und an den Börsen dadurch einen ungünstigen Einflufs aus, dafs die Grofshändler und Verbraucher, wie schon erwähnt, mit Bestellungen auf alte Schlüsse und mit Thätigung neuer Schlüsse für das Jahr 1901 möglichst zurückhielten. Trotz dem waren die Walzstrecken des Bezirks zufrieden stellend, in Mittelsorten sogar recht gut, beschäftigt. Der Trägermarkt erfreute sich bei guten Preisen gröfster Lebhaftigkeit. Die Zukunft des Walzeisen geschäfts giebt für die Werke, welche, wie bekannt, für das laufende Jahr ausverkauft sind, zu Besorg nissen um so weniger Veranlassung, als sie ernstlich bestrebt sind, den Deutschen Walzwerks verband wieder herzustellen, und der Einbruch amerikanischen Walz eisens bei der gegenwärtigen Preislage ausgeschlossen ist. Draht. Die Beschäftigung in Draht und Draht- waaren war im Berichtsquartale eine verhältnifsmäfsig gute; die Preise bewahrten ihren bisherigen Stand. Grobblech. In Grobblechen vollzog sich das Geschäft bei unveränderten Preisen in durchaus zu friedenstellendem Umfange. Kesselbleche in Qualitäts material, Schiffsbleche, Reservoirbleche und Bleche zum Locomotiv- und Waggonbau wurden fortgesetzt in reichlichen Mengen bestellt und die Verbandspreise konnten schlank durchgeführt werden. Feinblech. Die Feinblecherzeugung erfuhr im Berichtsquartal eine Einschränkung, da Bestellungen nur in ungenügendem Umfange eingingen, obwohl bereits zu Anfang des II. Quartals die meisten Werke ihre Feinblecherzeugung auf Monate hinaus verkauft hatten. Auch die Ausfuhr an Feinblechen ist in den letzten Monaten zurückgegangen, da die Aufnahmefähigkeit des russischen Marktes unter der dortigen industriellen Krisis wesentlich litt und auch ein anderes wichtiges Ausfuhrgebiet für Feinbleche, Rumänien, infolge der Mifsernten der beiden Vorjahre und der hierdurch hervorgerufenen Geldkrisis, nur sehr wenig aufnahmefähig war. Des weiteren litt der inländische Absatz sowohl, wie die Ausfuhr unter dem Wettbewerbe englischer, belgischer und un garischer Werke. Die Preise wurden am Quartals schlufs sowohl für das Inland, als auch für das Aus land nicht unwesentlich herabgesetzt, doch gelang es trotzdem nicht, den Werken namhafte Bestellungen zuzuführen. Eisenbahnmaterial. Der Bedarf an Eisenbahn material war ein zufriedenstellender .und. insbesondere wurden den Schienenwalzwerken sehr erhebliche Auf träge, wenn auch zu den bekannten niedrigen Preisen, zugeführt.