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zeugen, durch Einführung der Revolverbänke einerseits und durch unsere vorzüglichen heutigen Werkzeugmaschinen, insbesondere die amerika nische Drehbank andererseits. Es sei mir gestattet, diesen an sich unschein baren und doch so wichtigen Punkt eingehender zu erläutern. Ich behaupte: Mit unserer alten englischen Drehbank kann nur ein Dreher ersten Ranges hintereinander zwischen den Spitzen Drehstücke verschiedener Dimensionen wirklich genau — wie man es von der Drehbank ver langen kann — liefern, und diese Aufgabe kann von einem gewöhnlichen Dreher erst seit Ein führung der amerikanischen Drehbank und ihrer Varianten gelöst werden. Ich will sofort den Beweis erbringen: Um ein wirklich genaues Drehstück zu liefern, mufs bekanntlich die Linie zwischen den Spitzen haarscharf parallel der Supportführung sein. Bei unserer alten englischen Drehbank, wie sie heute noch in den besten Fabriken der oben charak- terisirten ersten Art zu finden ist und noch vielfach neugebaut wird, wird die Führung des Reitstockes durch einen Zapfen bewirkt (s. Fig. 7), welcher zwischen den Wangen der Drehbank läuft. Der Reitstock mufs bei diesen Bänken von Hand verschoben werden können. Ist die Führung so exact gearbeitet, dafs der Reitstock wirklich genau läuft, so genügt ein Stäubchen oder ein Spähnchen, um die Bewegung von Hand unmöglich zu machen. Der Zapfen mufs also Spielraum haben. Man setze an einer be liebigen Drehbank dieser Art den Reitstock lose und wird die Spitze fühlbar, oft sichtbar hin und her bewegen können. 1/4 mm Abweichung der Spitze von der Spitzenlinie ergiebt aber 1/2 mm Differenz am Durchmesser und dies ist oft schon eine nicht zulässige Ungenauigkeit. Der Dreher hilft sich nun dadurch , dafs er sein Stück etwas gröfser läfst und abtastet; er stellt dann so lange am Reitstock oder am Spindelkasten herum, bis er die gewünschte Ge nauigkeit erreicht hat. Solange nun der Reitstock fest stehen bleiben kann, soweit also die Pinole ausreicbt, kann der Dreher gute Arbeit liefern. Mufs er verstellen, so geht das Ausrichten von neuem los. Und da die meisten Dreher von diesen Feinheiten keine Ahnung haben, sind sie nicht imstande, die oben gestellte Aufgabe auf der gewöhnlichen Drehbank zu leisten. Ich mufs nun hier hinzufügen — ich habe es oben bereits angedeutet — dafs die von solchen Leuten ge lieferte Arbeit trotzdem genügen kann. Denn wann kommt es vor, dafs — mit Ausnahme von Kolbenstangen und ähnlichen führenden Theilen — eine schwache Konicität etwas schadet? Selbst bei Lagerschalen genügt die Genauigkeit in der Rundung; die Lagerschalen werden ja doch auf geschabt. — Wir sprachen aber von genauer Arbeit! Man hat nun mehrere Aushülfen. Zuweilen findet man (Fig. 8) die Wangen der Drehbank unter 45 0 abgefast und den Reitstock dem an- gepafst. Ein solcher Reitstock gebt lose und doch sicher. Aber die beiden Fasen liegen in dem punktirt eingezeichneten Kreisbogen und ge statten nach einiger Abnutzung bald die diesem Kreisbogen entsprechende Bewegung. Damit ist der alte Fehler wieder da. Da ist es nun die amerikanische Dreh bank (Fig. 9), welche Abhülfe geschaffen hat. Der Reitstock läuft auf Prismen, und aufserdem der Support auf besonderen. Hier sind Sicher heit der Stellung und leichte Beweglichkeit mit einander vereint, und erst seit Einführung dieses Systems ist man imstande, die heute erforderliche Genauigkeit der Drehstücke zu erreichen. Hierzu kommt dann noch die unerläfsliche Vorbohrung des Körnerloches und die feine 60 grädige Dreh bankspitze. Früher — und so vielfach noch heute — mufs das Einschlagen eines Körners und die rechtwinklige Spitze genügen, letztere ist sogar heute noch an sonst vorzüglichen Bänken zu finden. Ich halte sie nur da für angebracht, Fig 10. Fig. 11. wo besonders heftige Beanspruchungen — wie z: B. das Richten der Wellen zwischen den Spitzen — gewünscht werden, sowie bei sehr schweren Bänken. Aber ich habe noch andere Auswege zu er wähnen. Die sehr alte Uhrmacherdrehbank enthält den Support und den Reitstock auf einem Prisma montirt. Dieses Prisma hat sich ein schönes Terrain erobert und ist hauptsächlich von v.Pittl er, Leipzig-Gohlis, eingeführt worden (Fig. 10). Die Besucher der Antwerpener Ausstellung fanden eine sehr schöne Collection solcher Drehbänke, und zwar unter der Firma: Progres Industriel, Bruxelles. Es ist dies aber ein deutscher Fort schritt. Denn es sind dies die von der Brüsseler Firma übernommenen Modelle der genannten Leipziger Fabrik „Invention“. Einen anderen Ausweg (Fig. 11) fand ich bei Cockerill in der dortigen Präcisionswerkstätte an einem ziemlich kräftigen englischen Modell. Hier war, wie bei einigen Hobelbänken, das konische Prisma nur auf der einen Wange ausgeführt, während die andere Seite eine winkelrechte Führung hatte mit etwas Seitenspiel. So hat die Nothwendigkeit genauerer Arbeit zu einer vollständigen Umwandlung der Dreh bank geführt.