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MHeritz-Wung Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend Donnerstag den 30. April 1008. 74. Jahrgang. Nr. 48. Amtsblatt für die Königliche Umlshauptmannschafi, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtfeiUgem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtschastlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle n«d an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dte .Walheritz-Zeitung. «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird an den vorhergehen- venAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 10 Pfg. Alle Postan- jtalten, Postboten, sowie ansereAusträger nehmen Bestellungen an. Inserate werden mit 15 Pfg., solche aus unserer Amtshauptmannschast mit 12 Pfg. die Spaltzeile oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen duf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 35 bez. ZV Pfg. - Tabellarische und komplizierte Inserate mit entsprechendem Auf schlag. Eingesandt, im redaktionellen Teile, dl« Spaltenzeile 30 Psg. WnW Atzung der NMvtrMnclcn z« Wnliilslvnliie fi-vilsg, ÜSP 1. lüal 1908, abends 8 Uhr, im Sitzungszimmer des Rathauses. Die Tagesordnung hängt im Rathause aus. Arveiterzählung vetr. Für die am l. Mai d. I vorzunehmende Arbeiterzählung werden den hierbei in Frage kommenden Gewerbeunternehmern in hiesiger Stadt, sofern dies nicht bereits ge schehen sein sollte, rechtzeitig die erforderlichen Zählbogen zugestellt werden. Dieselben sind am 1. Mai d I. sorgfältig auszusüllen und zu unterschreiben, so dann aber unverzüglich wieder im Rathaus (1 Etage, Zimmer Nr. ll) cbzugeben. Bei der Ausfüllung ist zu berückichtigen, datz bei mehreren zu einer gewerblichen An lage vereinigten Betrieben der Hauptbetrieb unterstrichen und bei Angabe des Begrün dungsjahres genau auf die betreffende Anmerkung auf den Zählkarten geachtet werden mutz. Zu zählen sind nur die im Gewerbebetriebe tätigen Personen. Dippoldiswalde, am 28. April 1908. Der Stadtrat. Die Erd-, Maurer-, Steinmetz-, Zimmerer- und Eisenarbeiten für die Hochbauten auf Bahnhof Possendorf der Linie Hänichen—Possendorf, als: l Lmpfangsgebäude, l Güterschuppen, I Wirtschaftsgebäude, l Maschinenhaus und l Lösch- und Krangrube sollen unter Vorbehalt der Auswahl unter den Bewerbern vergeben werden. Preislisten zum Gesamtpreise von 3 Mark sind bei der unterzeichneten Dienststelle, woselbst auch die weiteren Vertragsbedingungen einzusehen sind, zu entnehmen. Die Angebote sind versiegelt, mit der Aufschritt „Angebot auf Hochbauten" versehen, bis zum >5. Mai 1908, vorm. 9 Uhr, an die unterzeichnete Dienststelle einzusenden. Die Bewerber bleiben bis zum 15. Juni 1908 an ihre Gebote gebunden. Königliches Eisenbahn - Ballbureau Dresden - Altstadt H, Strehlener Stratze 18 IV. Der uachösterliche Abschnitt der Neichs- tagsscssion. Die am 8. April begonnenen Osterferien des Reichs tages sind abgelaufen, am Dienstag ist er wieder zu- sammengetrcten, um von seinem noch immer sehr reich haltigen Arbeitspensum bis zum Eintritte der leider aber mals unvermeidlichen Sommertagung noch möglichst viel zu erledigen. Von den Gesetzvorlagen, die das Haus beim Anfang seiner Winterlession am 22. November 1907 entweder schon vorfand, oder die ihm bald darauf zu gingen, ist inzwischen erst die kleinere Hälfte unter Dach und Fach gekommen, sodatz die meisten gesetzgeberischen Aufgaben des Reichslages noch ihrer Erledigung harren. Sie stecken überwiegen» noch in der Kommission, einige Vorlagen haben jedoch bereits die zweite Plenarlesung passiert. Zu den Vo lagen, in dem einen oder in dem anderen Stadium gehören u. a. die verschiedenen Novellen zur Gewerbeordnung (kleiner Befähigungsnachweis, Rege lung der Rechtsverhältnisse der Werkmeister und Techniker, Herstellung der Zigarren in der Hausindustrie usw), ferner noch sonstige Ergänzungsgesetzentwürfe, wie die Novellen zum Vogelschutzgesetz, zum Vithseuchengesetz und zum Unterstützungswohnsitz, dann die Gesetzentwürfe betreffs der Haftung des Tierhalters, der neuen Matz- und Ge wichtsordnung, der Sicherung der Forderungen der Bau handwerker, der Abänderung des Wechselprotestgesetzes, des Versicherungsvertrages und noch einige andere kleinere Vorlagen. Es gibt jedoch auch Gesetzentwürfe, die der Reichstag überhaupt noch nicht in Angriff genommen hat, wie die ihm nach Neujahr zugegangenen vier Justizvor- lagen, und die noch aus der Session vom Februar bis zum Mai 1907 restierenden Vorlagen über die Hilsskassen und über die Abänderung des Maischbottichiteuergesetzes. Schließlich sei daran erinnert, daß selbst jetzt noch immer wieder neues Arbeilsmaterial dem Reichstage zuslietzt, so der Gesetzentwurf über die Subventionierung weiterer Postdampferlinien von reichswegen. Man mutz gestehen, datz dies alles zusammen noch ein überaus stattliches Be ratungsmaterial für den Reichstag darstellt, zu seiner völligen Bewältigung würde das Parlament noch Monate brauchen. Es ist indessen gar nicht daran zu denken, die Reichsboten angesichts der herannahenden sommerlichen Jahreszeit noch länger in Berlin zusammenzuhallen; nach den vorläufigen Dispositionen des Seniorenkonvents wird denn auch das Reicksparlament noch vor Ende Moi in seine Sommerferien gehen. Bis zu dem genannten Zeit punkte könnte demnach nur ein Teil der dem Hause noch obliegenden gesetzgeberischen Aufgaben definitiv gelöst werden und es gilt darum jetzt, die wichtigsten und dring lichsten von ihnen ouszusondern und ihrer Verabschiedung bis zum Beginne der sommerlichen Vertagungspause ent- gegenzusühren. Diese Auswahl ist freilich nicht leicht, denn die große Mehrzahl der aufgezählten Gesetzentwürfe mutz als notwendig und in ihrer Art auch wicht g gelten, es bleibt einstweilen abzuwarten, welche Entschließungen da der Seniorenkonoent fassen wird, zumal er auch die Wünsche der Regierung zu berücksichtigen hat. Jedenfalls ist aber anzunehmen, daß der anhebende nachöslerliche Ab schnitt der Reichstagssession sich nicht allzustürmiich ge stalten, sondern daß er eher einen ruhigen und geschäfts mäßigen Verlauf nehmen wird. Denn diejenigen Be> ralungsstosfe, welche von wirklicher politischer Wichtigkeit waren, also das Reichsoereinsgesetz und die Reform des Börsengesetzes, hat ja das Haus noch vor den Osterferien verabschiedet, allerdings nach teilweise sehr erregten Ver- Handlungen. Ein ruhiger Verlauf des Restes der gegen- wärtigen Sitzungsperiode des Reichslages ist um so mehr zu wünschen, als er bei seinem ovrauspchlllchen Wiederzusammentritte im kommenden Spätherbst alsbald vor eine hochwichtige gesetzgeberische Aufgabe gestellt werden wird, welche durch die Reform der Reichsfinanzen verkörpert wird. Dann stehen mit Sicherheit neue heftige parlamentarische Stürme in der deutschen Volksvertretung zu erwarten, und bei ihnen wird dann auch der Block der vereinigten regierungsfreundlichen Parteien seine bei weitem schwerste Probe zu bestehen haben. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Montag, den 27. April, begann das neue Schuljahr, und neu gestärkt nach längerer Ferienpouse versammelte sich die Lehrerschaft unserer Stadt schule mit den Kindern der vier oberen Klassen zu ge meinsamer Andacht in der Turnhalle, bei welcher Herr Lehrer Hering das Morgengebet sprach. Mil der Andacht wurde die Feier des 100. Geburtstages Johann Hinrich Wicherns verbunden, die von der obersten Schulbehörde angeordnet war. Herr Lehrer Krüger gab dabei ein Lebensbild dieses hervorragenden, großen Organisators und Erziehers. Redner zeichnete den Begründer der Erziehungs anstalt „Rauhes Haus" und den Vater der „Inneren Mission" als ein-n Propheten der Menschenliebe und des allgemeinen Priestertums in der evangelilchen Christenheit. An seine Ausführungen knüpfte er den Wunsch, daß als Segen der Feier etwas von Wicherns Geist und Aibeits- freudigkeit in die Herzen einkehren möge und daß die Kinder aus dem Lebensgange und dem Lebenswerke des edlen Menschenfreundes Wichern die Lehre ziehen möchten, daß reine Nächstenliebe üben das Grundgesetz des Christen tums ist Mit Choralgesang wurde die schlichte Feier, wie sie begonnen war, auch geschlossen. Im Laufe des Vor mittags hielten dann auch die Kleinen zum ersten Unterrricht ihren Einzug in die Schule. Möge das neue Schuljahr für Lehrende und Lernende ein recht gesegnetes sein! — In der Nacht vom 27. zum 28 April hat in der Strohhutsabrik von H H Reichel in einem Kellerraume ein kleines Schadenfeuer stattgefunden, das vermutlich durch brennende Kohlen, die aus der in diesem Raume befind lichen Kesselfeuerung herausgefailen sind, entstanden ist. — Das großeLos der 153. Kgl. sächsischen Landes lotterie mit der stattlichen Summe von einer runden halben Million ist auf die Nummer 75 124 in die Kollekte von Marcus in Leipzig gefallen. Einen, wenn auch schwachen Trost für die vielen Losinhaber, deren Hoffnung auf den reichen Goldsegen wieder einmal zu Wasser geworden ist, möge die Tatsache bilden, daß das Glücklos in einzelnen Zehnteln vorwiegend von sogenannten „kleinen Leuten" gespielt wird. Alle die aber, denen Fortuna diesmal ihre Gunst nicht geschenkt hat, mögen sich mit ihren zahlreichen Leidensgenossen trösten und frohen Mutes der 154 Lotterie entgegensetzen. — An die Damenwelt sind nachstehend Zeilen ge richtet. Wem gefielen nicht die einfachen weißen Damen- Strohhüte (Matrosenhüte) mit schwarzem Band! Aber leider — das amerikani che Sternenbanner, manchmal auch der englische „Union Jack" scheint als unumgängliche Er gänzung dazu aufgefaßt zu werden. Wäre unsere doch zum mindesten ebenso schöne deutsche Flagge nicht die gleiche Zier? Welche amerikanische oder englische oder auch französische Dame würde in einem deutschen Mode geschäft etwa einen Hut mit einem Bande in deutschen Farben kaufen? Entrüstet würden sie ihn zurückweisen — alle ohne Ausnahme! Aber unsere deutschen Frauen und Mädchen wissen eben nicht — und das scheint hier das schlimmste zu sein —, welche Versündigung im kleinen sie durch das Tragen solcher Hüte an der nationalen Ehre begehen! Es ist kaum zu glauben, datz alle diese Hüte ausländisches Erzeugnis wären. Und sollten sie es sein, welcher deutsche Fabrikant würde es wagen, einem Ge schäft in London oder Neuyork mit der deutschen Flagge verzierte Hutbänder anzubieten? Es dürste endlich an der Zeit sein, datz wir Deutsche auch in diesem anscheinend nur unscheinbaren Dingen uns auf uns selbst besinnen. Warum weigern sich unsere Damen nicht, derartig „ge schmückte" Hüte zu kaufen? Der Unfug würde dann von selbst aufhören! Bärenstein. Am 'letzten Sonntag fand hier unter Leitung des Herrn Pastors Zinsser ein kirchlicher Familien abend zum Gedächtnis des vor 100 Jahren geborenen Johann Hinrich Wichern statt. Der genannte Geistliche schilderte zu Beginn seiner Festrede die Not, das Elend und den Unglauben am Anfang des vorigen Jahrhundert», ein Bild, von dessen dunklem Hintergrund sich um so Heller die Gestalt Wicherns abhebt. Der Redner beleuchtete dessen Familienoerhältnisse, seine Entwicklung und ganzen Werdegang vor den aufmerksam lauschenden Hörern und verweilte naturgemätz besonders bei der Gründung und dem Ausbau der weltberühmten Wichernschen Schöpfung, des Rauhen Hauses zu Hamburg. Durch packende Bei spiele erwies er ihn selbst als den Erzieher von Gottes Gnaden und führte ihn dann endlich als den Herold der inneren Mission für das gesamte deutsche Volk den Zu hörern vor Augen, dessen Wirkung vorbildlich geworden und geblieben ist bis zu unseren Tagen. In dankens wertester Weise trugen Frau Lehrer Bentz durch Solo gesang, Mitglieder des hiesigen Jünglingsoereins durch Deklamationen und der Kirchenchor unter Leitung des Herrn Kantors Schlosser durch stimmungsvolle Gesänge zum Gelingen des Abends bei. Gemeinsamer Gesang er- össnete und schloß die erhebende Feier, die nebenbei dem Diakoniefonds auch noch einen Ueberschuß zufühUe. Bärenstein. Nachdem die Pläne zu einer Leichen halle auf dem hiesigen Friedhof von der König!. Amts hauptmannschast genehmigt sind, wurde in einer am letzten Montag abgehaltenen Kirchenvorstandssttzung beschlossen, den Bau nunmehr in Angriff zu nehmen. Bauherr ist der Kirchenoorstand, der als Bauleiter aus feiner Mitte Herrn Brauereibesitzer Rentsch wählte, während die Aus führung des Baues Herrn Vorstand Mende in Dorf Bärenstein übertragen wurde. * Geising. Am Sonnabend früh traf ein Kommando von 23 Pionieren unter Führung eines Leutnants hier ein, um die noch stehende hohe Saalmauer der Brand- ruine des Gasthofes „Stadt Dresden" durch Sprengung niederzulegen. Diese bei uns so seltene Pionier Hebung gestaltete sich zu einem interessanten Schauspiel, welches zahlreiche Zuschauer fand. Nach mehrstündiger Arbeit wurden in 30 Bohrlöchern ca. 18 Kilogramm Spreng stoff untergebracht und durch elektrische Leitungen ver bunden. Gegen >/25 Uhr nachmittags wurde nach den nötigen Sicherheitsmaßregeln vom gegenüberliegenden Waltherschen Garten aus durch eine elektrische Batterie die Erplosion bewirkt, welche in zwei mächtigen Schlägen die Mauer völlig nicderlegte. Der Luftdruck war ein unge heuerer, welcher das dicht neben der Mauer stehende hölzerne Photographenatelicr völlig zersplitterte und auch an anderen Nachbargebäuden, sowie an Gartenzäunen mehrfachen, jedoch unbedeutenden Schaden anrichtete. Ein ziemlich großer Stein schlug ein Loch in das Dach des Waltherschen Hauses und blieb im Heu stecken. Aber auch einige der Zuschauer sind zu Schaden gekommen. Lin Nachbar wurde am Kopfe durch umherfliegende Spreng teilchen nicht unwesentlich verletzt, sowie auch ein Bau arbeiter aus Altenberg. Auch einige weitere gering-