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Meißeritz-ZeituW Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. 74. Jahrgang. Nr. 24. Dir .Wriheritz-Zrltung" erscheintwöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehcn- denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich Sonnabend, den 29. Februar 1908. —— UP7 i ! ! > net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 35 bez. IO Pfg. - Tabellcais« 84 Pfg7, einmonatlich 42 und komplizierte Inserat« Pfg. Einzelne Nummern I W mit entsprechendem Auf- LDDM Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Amtsblatt für di- Königliche Amtshauxlmaimschafi. das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtseltigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtfchaftlicher Monats-Beilage. Dur die Aufnahme eines Inserats au bestimmter Stelle uud an bestimmten Tage» wird keine Garantie übernommen. " Veranlworllicher Kedakleur: Paul Jehne. - Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. Inserate werden mit tr Pfg., solche aus unser« Amtshauptmannschaft mit 12 Pfg. die Spalizelle oder deren Raum berech- Was wirds mit Marokko? W Die Aussicht auf eine endliche Halbwegs befriedigende Lösung des verwickelten marokkanischen Problemes tritt immer weiter in den Hintergrund zurück, je mehr sich der Feldzug der Franzosen in Marokko in die Länge zieht. Trotz aller schönfärberischen Berichte, welche der franzö sische Erpeditionschef in Marokko, General d'Amade, über den Gang seiner militärischen Operationen nach Paris sendet, wird es doch stetig klarer, daß der Verlauf des kriegerischen Unternehmens Frankreichs gegen die fremden- feindlichen Stämme des scherisischen Reiches und die Streit- kräste des Gegensultans Mulay Hasid keineswegs den Wünschen und Hoffnungen der französischen Patrioten entspricht. Haben doch die am 16. und 17. Februar stattgefundenen heftigen Kämpfe der französischen Erpedi tionstruppen mit den Marokkanern sogar zu einer notge drungenen Rückzugsbewegung der ersteren geführt, und es kann kaum bezweifelt werden, dah dieser Mißerfolg der französischen Waffen nur dazu dienen wird, die Wider standskraft und die Ossensiolust der Marokkaner aufs neue zu beleben. In den Pariser Regierungskreisen tut man allerdings trotz alledem noch immer recht zuversicht lich, wie dos Auftreten der Minister Cemenceau und Pichon in der jüngsten Jnterpellationsdebalte der franzö sischen Deputiertenlammer über Marokko vom 24. Febr. beweist, und da auch diese Debatte mit einem imposanten parlamentarischen Vertrauensvotum sür die Marokkopolitik des Kabinets Clemenceau endete, so ist auch dessen Zu versicht betreffs der weiteren Entwickelung der marokkani schen Dinge eine scheinbar gerechtfertigte. Und doch steh* die „Pazisikation" Marokkos duich die Franzosen noch in weitem Felde, und sollte cs wirklich zu einem offenen Bruch zwtschcn ihnen und Mulay Hasid kommen, woraus wenigstens die letzten Nachrichten aus Marokko hindeuten, so dürfte der marokkanische Feldzug Frankreichs dann erst recht schwierig werden. Ossenbar wäre es der Cenrn ceauschcn Regierung trotz ihres großsprecherischen Getues darum sehr lieb, wenn sich ein Ausweg fände, durch welchen sie sich mir Anstand aus dem gesähriichen und kostspieligen marokkanischen Unternehmen wieder heraus- zichen könnte. Aber die gesamte Lage in Marokko ist eben siDperzwickt und verworren, daß sich ein solcher Aus weg vorerst nicht entdecken läßt, und daß die europäische Diplomatie schier ratlos vor diesem sie bedrückenden Problem steht. Zwar ist in Marokko Abdul Asis noch immer der allein von den Mächten anerkannte Sultan, und wenn sie es lediglich mit ihm zu tun hätten, dann würde ja bald eine befriedigende Wendung in den marokkanischen Wirren zu erzielen sein. Aber der Gegen sultan Mulay Hasid behauptet sich noch immer, er scheint die Mehrzahl der marokkanischen Bevölkerung doch sür sich zu haben, besonders deshalb wohl, weil er die Wieder verjagung der Franzosen aus Casablanca und U schda als Hauptpunkte in sein Programm ausgenommen hat Wie sollen sich nun die Mächte eigentlich zu Mulay Hasid steilen, falls er tatsächlich gegenüber seinem Bruder, dem rechtmähigen Sultan, das Feld behaupten sollte? Das ist «ine sehr kitzliche Frage, die wiederum damit zusammen hängt, ob es den Franzosen gelingt, ihre Position in Casablanca und in O tmarokko zu halten, denn in diesem Falle könnten Mulay Hasid doch Bedingungen diktiert werden. Einstweilen aber befindet sich die europäische Diplomatie mit der marokkanischen Frage völlig in einer Sackgasse, und die össentliche Meinung Europas ist daher ganz berechtigt, zu fragen: Was wird mit Marokko? Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Wie man uns milteilt, steht unserer Einwohnerschaft für Mittwoch, den 11. März d. I., ein ganz besonderer musikalischer Genuß bevor. Zu Gunsten des hiesigen Albertzweigvereins soll nämlich unter Mitwirkung musikalischer Kräfte unsrer Stadt in dem Saale des Schützenhauscs eine Wohltätigkeitsvorstellung stattsinden. Zur Ausführung werden u. a. eine Operette, Gesangs- und Violinoorträge kommen. Aber auch die weniger Musikalischen werden auf ihre Kosten kommen; in welcher Weise wollen wir jetzt noch nicht verraten. Der Eintrittspreis wird, um einen allseitigen Besuch zu ermög- lichen, auf nur 75 Pf. festgesetzt werden. Nach der Auf führung soll ein Tänzchen den Besuchern Gelegenheit geben, sich aktiv an dem Feste zu beteiligen. — Dem Landtag ist soeben der Bericht der fünften Abteilung der Zweiten Kammer über die Prüfung der Wahl des Abgeordneten Wittig (5. städtischer Wahl kreis) zugegangen. Der Protest gegen diese Wahl, der vom Naiionalliberalen Verein sür den 8. sächsischen Reichs- tagswahlkreis ausgeht, stützt sich auf die Behauptung, daß die Bezirksschulinspektion in Dippoldiswalde, bestehend aus den Herren Amtshauptmann Or. Mehnert und Schulrat Bang, im Wahlkampfe derartig Stellung gegen den nationalliberalen und für den konservativen Kandidaten genommen haben, daß der Aussall der Wahl nicht als Ausfluß des Volkswillens, sondern als eine Folge der Wahlbeeinslussung durch behördliche Organe anzusehen ist. — Die fünste Abteilung beantragt deshalb: Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, Erhebungen darüber anzu- siellen, ob die im Protest behauptete Einflußnahme des betresienden Amtshauptmanns und des Bezirk-schulinspekiors für Dippoldiswalde stattgefunden habe; insbesondere ob der Dezirksschulinspeltor bei vertraulichen amtlichen Kon ferenzen der Lehrerkollegien den konservativen Kandidaten dringend als den von der Lehrerschaft zu unterstützenden empfohlen hat, und ob er bei solcher Gelegenheit auf disziplinarische Vorstrafen des nationalliberalen Kandidaten hingewiesen hat; schließlich ob er in Altenberg, wo die Lehrerschaft eine Wählerversammlung einberufcn hatte, nachdem der Amtshauptmann vorher über den Linberufer der Versammlung telephonisch angesragt gehabt heute, er schienen sei, mit der Lehrerschaft eine politische Konferenz abgehalten und, allerdings ohne Erfolg, die für diesen Tag angesetzte Versammlung, in der der nationalliberale Kandidat sprechen sollte,^in letzter Stunde unmöglich zu machen versucht habe. — An der am 26. d. M. stattgefundenen Wahl zum Landesluliurrat, sowie zur Genojsenschaftsoersammlung be teiligten sich in hiesiger Stadt 60 Proz. der Wahlberech tigten. Die abgegebenen Stimmen sielen, soweit es die ergere Wahl belras, aus den zeitherigen Vertreter der Awis- geiichte der Amlsyauptmannjchaft Pirna usw. Herrn Erb- gellchrsbtj.tzer Fischer Rathewalde, die zur Gcnoßenschajts- velsammlung aus die.Herren Welde-Oberhäslich und O.R. Böhme Nahau. — Abermals einender so beliebten öffentlichen Licht- bilder-Bortläge veranstaltet der Gewerbeocrein nächsten Montag im „Golünen Stern", wo Herr Ingenieur Kvch aus Dresden über „Lufischiffahrt" sprechen wird. Nach Zeiiungsberich en ist der Vortrag sehr inhaltreich und dehandrtl die Entslehung der Lufischifsahrt von den Versuchen der Bruder Montgolfier an und die Vervoll kommnung der Lust,chisse bis in die neueste Zeit, die Licht- und Schattenseiten einer Ballonfahrt, ferner den Fessel ballon, das tenloare Luflich'sf usw. (Siehe Inserat) '— Dle kinemalogrophischcn Vorführungen des Flolten- vereins an, 8. März, von denen wir vor kurzem berichteten, werden nicht im Sternjnale, sondern in der N-ichskrone slaltMden. Vorige Woche sind sie in Dresden veranstaltet worden und haben dort ein uneingeschränktes Lob und volle Anerkennung erfahren. — Zn der hiesigen „Herberge zur Heimat" wurden im Zähre 1007 53 arbeitsuchende Fremde in Stellungen unlergebracht, und zwar 29 hier und 24 nach auswärts, unter denselben befanden sich I I Bäcker, 7 Schneider, 3 Schlosser, 5 Tischler usw. Der Nationalität nach waren alles hauptsächlich Deutsche, von Ausländern überwogen die Oejierreicher. Auch ein älterer Mann, der den Vmen- krieg mitgemacht und der eine bewegte Vergangenheit hinter sich hatte, übernachtete in der Herberge. Durch einen Brief des Präsidenten Krüger bcwns er die Wahr heit seiner Angaben — Möchte doch der Arbeitsnachweis auch in Zukunft lebhaft benützt werden. — Der Monat März. Der Lenzmonat soll nun wieder den Frühling bringen. Zmmcr freilich ist die Natur noch nicht so weit mit ihrer Frühjahrstoilctte, um den Lenz zu empfangen, oft liegt noch Eis und Schnee auf den Feldern. Sturm und Kampf kostet cs immer noch, ehe die holden Boten des Lenzes ihren Einzug halten können in das sich nach Wärme sehnende Land. Die Frostriescn geben ihre Herrschaft noch nicht so bald ver- loien, und der milde Slurmgott schoitet noch unbarm herzig über den wintersmüden Fluren. Doch der Lenz muß ja kommen, es handelt sich nur noch um Wochen und Tage, dann zieht er ein mit Singen und Klingen. Und neue Zuversicht erfüllt unser Herz. — Bei den alten Römern bildete der Märzmonat, der dem Kriegsgotte Mar» geweiht war, den ersten Monat des Jahres. Unsere germanischen Altoorderen weihten ihn dem großen Donner gotts Thor, in dem sie den Sieger über die kalte Winter macht erblickten. Karl der Groß,: nannte den Märzmonat Lengitzinmanoth, weil in ihm die Tage längsen, d. h. länger werden. So entstand das Wort Lenz und auch wir sprechen noch von einem Lenz- oder Frühlingsmonat. Den Bauern stimmt es trübe, wenn seine Lenzhosfnung sich nicht erfüllt, wenn Regen und Schnee statt Sonnen schein sich einstellt. „Nasser März ist der Bauern Schmerz", sagt eine alle Regel und ferner: „Märzenschnee tut den Saaten weh". — Ueber „Wirtschaftliche Bedeutung der Kartoffel- trocknung" wird Herr l)r. Behrend-Berlin in der von der Ökonomischen Gesellschaft i. K. S. für Freitag, den 6. März 1908, nachmittags 4 Uhr in den „Drei Raben" zu DresdenA, Marienstraße 20, weißer Saal, angesetzten Gesellschaftsversammlung einen Vortrag halten. Hierzu haben auch Nichtmitglieder kostenlosen Zutritt. — Der Soldat Weigel von der 6. Kompanie des 103. Regiments in Bautzen ist an Genickstarre erkrankt. Weigel stammt aus Frauenstein. — In der Oberlausitz werden die Jagden im laufenden Jahre bedeutend höher verpachtet als bisher. So erzielte die Jagd in Burkau 2000 Mark gegen 1200 Mark bisher und auch die Jagd von Goldbach brachte 500 Mark mehr gegen früher. Obercarsdorf. Das am vorigen Sonntag vom hie sigen Turnverein veranstaltete Konzert, dessen Reingewinn zur Beschaffung einer eigenen Turnstätle bestimmt war, hatte sich eines guten Besuchs und zufriedenstellender Ein nahme zu erfreuen. Den humoristischen, als auch den turnerischen Darbietungen wurde reger Beifall zuteil, so daß der Verein, welcher sein Bestes bot, auch auf einen großen Gönnerkrcis Hinblicken kann. Reichstädt. Wie bisher jedes Jahr, so gedenkt auch dieses Jahr, und zwar am Sonntag Lätare den 29. März, der hiesige Männergesangverein, im oberen Gasthofe allhier ein Konzert zum Besten seiner Notenkasse zu geben. Schon feit Weihnachten wird an dem sehr reichen Programm, das ernste und heitere Lieder für Mannerchor und Gemischten Chor, sowie humorütifche Szenen enthält, geübt. Hoffentlich wird ein recht zahlreicher Besuch die Mühen der Sänger und Sängerinnen lohnen. Pirna Für Verwaltung der unserer Stadt zuge- fallencn Greif - Stiftung " wird jetzt ein aus Mitgliedern beider städtischen Kollegien gebildeter Ausschuß eingesetzt. Am Gcburtshause des Stifters, des Fabrikbesitzers Greif, soll eine Gedenktafel ange rächt werden. Chemnitz, 27. Februar. Heute morgen >/29 Uhr wurde in der Fabrik Gebt. Langer im Stadtteil Allendorf der 24jährige Fräser Arthur Schmalz von der Trans mission erfaßt und mehrere Mole um die Welle ge- schleude t. Schwer vertttzt mußte er in das Krankenhaus über führt werden. Annaberg. Wie die hiesige Fleischer-Innung bekannt gibt, wird der Preis des Schweinefleisches um 10 Pfg. pro Pfund herabgesetzt. Zwickau Das 200 jährige Bestehen feierte kürzlich der Gasthof „Zum weißen Hirsch" hier. Ein noch ehr würdigeres Alter weisen folgende hiesige Gasthöfe auf: „Anker" 1480, „Paradies" dieselbe Zeit, „Schwarzer Bär", „Goldener Becher" 1591, „Wilder Mann" 1609, „Grüne Tanne" 1700. Hohenstein-Ernstthal Einen anerkennenswerten Be schluß faßte das Sladtverordnelenkollegium, indem es einer Ratsvorlage zustimmte, derzufolge das Schulgeld in der Selekta eine Neuregelung und Verbilligung erfährt, um den V.such des Instituts für Unbemitteltere etwas reger zu gestalten. Während bisher bei einem Einkommen bis zu 500 Mark 35 Mark, bis zu 800 Mark 40 Mark, bi- zu I I00 Mark 44 Mark Schulgeld zu bezahlen waren, werden künftig 18,75 bezw. 25 und 30 Mark erhoben. Für auswärtige Schüler soll kein Zuschlag erhoben und Freis eilen sollen nur noch an besonders begabte Knaben vergeh n werden. Bislhdorf. Im Laufe dieses Jahres soll für die hie sige Gemeinde ein neues Pfarrhaus erbaut werden. Nach Fertigstellung dieses neuen Gebäudes wird das alte Pfarrhaus abgebrochen werden. Der Neubau ist noch nicht vergeben.