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Dresdner Journal : 22.07.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187407221
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18740722
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18740722
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-07
- Tag 1874-07-22
-
Monat
1874-07
-
Jahr
1874
- Titel
- Dresdner Journal : 22.07.1874
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Mittwoch, de« 22. Juli. OL67 1874 1, ,»»«» )Ll»rllot»:. ... 6 l^lr jtjkdrUvd: 1 l^lr lb Kxr Lu»»>u»^umrn«a! l La—rd»Idl>« «loutsodoa K«iob« trittwl»U 8t«iup«1»u»edl»^ diuiu. Iu»«r»t<>opr«i»er ä«v li»nw «war ^«p»It»r»«u kstit»«ü»: i l^^r 0Qtvr„Uiob»«u>6t" cli» L»il«: L ^tsr. kroedsl»»»» l^lick mit XumurkM« ä«r 8ouo- mxi ?oi«rt»^», ^b»i>4» Mr ä«u koiffsvävv 1^.' ' ' ''' -U- DresdnkrIMnml. Verantwortlicher Rcdacteur: Commissionsrath'I. G. Hartmann in Dresden. lo»«r»t»»»»»»tiio« »i»MLr4»t l.«tp«tA: F>. Lrar»<j«tet1«r, t!ommi»>t»nLr 4s»- vrssckuor ^ournick»; «ksnäa».: F^o«n F'o».' u. L F're^er, S»wdiu^-N«<lt». I-»r«,I»i>.rr»LLf»rl » H.: kt ^üA^sr, L«rUr> Vi»»-N»Mdiu^-kr»^-l<»lp«i^-kr»LK- tatt ». n.-Hä»cd»i»: >»rita ^1 A«trmr^«r, /»i-a/»äs«lta»»z:,^.Dtibr«c^t, Nr«m«a^ F? AMotte, Lr„ l»a: F.StanA«-»,'« ttürsau; Cksmiut»: F> 1 oiAt, knur'-- kurt» N. :F' DoeAer'Mllsu.D.O.^/errmann'sobsöuobt»^ DauL«>t <7o.,' NürUt»^ /nvD, L»iulov«r: t? k»ri»: Fkava«, Da/itte, Lu/tier 6o., Studt^rt: I-aub« <t Ov., L'üää. - Lür«iu, Vi«»: ^4/ Oxpe/»t. U^rnnsxekvr: Xönissl. I^xpsäitjou clss Dresdner Journals, Or>-><isu, ^iM^urstbongaxt-s d!o. I. Amtlicher Theil. Dresden, 21. Juli. Ihre Majestät die Königin find heute Vormittag '^0 Uhr nach Marienbad gereist. Dre-drn, 11. Juli. Le. Majestät der König haben dem Pfarrer öl. Franz August Schubert in Treuen das Ritterkreuz vom Albrrchworden zu verleihen ge ruht. Dresden, 16. Juli. Se. Königliche Majestät haben drmObrrappellationsrath Julius Frnherrn v vn Friesen den Charakter eines „Geheimen Rathes" brizulegen aller- gnädigst geruht. NichtumMcher Theü. Uedersicht. Telegraphische Nachrichten. ZeitungSscha«. (Golos.) Laaesgeschichte. (Dresden. Berlin. Königsberg i. Pr. Posen. Aus Kurhessen. Kissingen. Gastein. Paris. St. Gallen. London. Helsingborg.) Dresdner Nachrichten. Provinzial - Nachrichten. (Leipzig. Strehla a. E. Meißen. Crimmitschau. Mittweida. Schneeberg.) Vermischtes. Dlatiftik und LolkSwirthschaft. EinaesandteS. Feuilleton. TageSkalender. Inserate. Bvrsennachrichten. Telegraphische WitterungSberichte. Ttltyr.ipWchc Nachrichten. Paris, Montag, LV. Juli, Nachmittags. (M. T. B.) Die „Agence Hasas" vezeichnet die Mach' richt, daß außer Magne und Fourtou auch die übrigen Minister um thre Demission nachgesucht hätten, als unbegründet. Versailles, Montag, 2V. Juli,Nachmittags. (W.T.B.) In der heutigen Sitzung der National versammlung machte der Vicepräsident deS Mi- nisterconseilv, General de Cissry, die Mittheilung, daß der Deputirte de Chabaud-Latour zum Mi nister des Innern und Mathieu-Bodet zum Fi- nanzministrr ernannt worden seien, und erklärte, die Regierung, welche über ihr Verhalten bisher noch nicht schlüssig aewordcn sei, beantrage, die Berathung über den Antrag Casimir Parier bis zum Donnerstag zu vertagen. Casimir Parier erklärt darauf, er sei damit einverstanden, die DiS- cusfion über seinen Antrag bis Donnerstag aus- zusetzen. Madrid, Montag, LV. Juli, Nachmittags. (Tel. d. Dresdn. JournT) Ein AuSführungSdecret in Sachen der Verhängung des Belagerungszu standes über aanz Spanien bestimmt, daß Kriegs gerichte über Verbrechen, Verschwörung, Aufruhr und Widersetzung aburtheilen. Todesstrafe tritt ein, wenn mrhr alS drei Personen Zusammenwirken zur Störung des Eisenbahnbetriebes und zur Ab schneidung der Telegraphrnverbindung. Dresden, 21. Juli. Ueder die materielle Lage der Türkei äußert sich das russische Journal „Golos" in einer längeren Ab handlung. Da die Türkei gegenwärtig durch dir Schwie rigkeiten, welche ihr die Aufnahme eines größeren An- lehens bereitet, die allgemeine Aufmerksamkeit aus sich zieht, so dürste ein Resum? des betreffenden Artikels auch in wetteren Kreisen willkommen sein. In der Person des gegenwärtig regierenden Großwestrs Hussein- AnSi-Pascha — bemerkt der „Golos" im Eingang seiner Darlegung — hat die Türkei einen energischen, ver ständigen und durch das Vertrauen des Sultans in ungewöhnlichem Maße ausgezeichneten Staatsmann an ldrrr Spitze. Seine Verwaltung macht sich durch eine für die Türkei so sehr nothwendige Sparsamkeit bemerk bar, auf der anderen Seite aber auch durch strenge Maßregeln für das regelmäßige Cingehen der gesetz mäßigen Staatseinkünfte. Um die Zustände in der Türkei richtig zu würdigen, muß man sich erinnern, daß dieselbe eigentlich erst 1856 officiell als europäische Macht anerkannt wordm. Nichts destoweniger liegt der Schwer punkt der osmanischen Macht in Asien; die Türken selbst sind und bteiben nach ihren ganzen Lebensanschauungen mehr Asiaten, als Europäer. Nur als Frucht des un aufhörlichen Druckes der europäischen Diplomatie, nicht als das Ergebniß eigenen Bedürfnisses sind die Refor men allmählich ins Werk gesetzt, welche den europäischen Provinzen des osmanischen Reiches hier und dort äußer lich ein europäisches Gepräge geben. Die muhamedanische Bevölkerung verhält sich dagegen noch immer völlig ab wehrend; der Großherr ist in ihren Augen heute noch ebenso der mit absolutester Allgewalt ausgestattete „Nach- foltzer des Propheten", als ehedem, und diese Gewalt erfahrt einzig und allein nur durch das Zusammen gehen der bei der hohen Pforte accreditirtrn Gesandten, Consulu und Agenten eine Einschränkung; um so mehr äußert sie sich jedoch auf den Gebieten, wo die Diplo matie nicht hinreichen kann, namentlich in der Sphäre der den Sultan umgebenden höchsten Würdenträger, des Großwesirs und des Finanzministrrs insbesondere. Wer vermag deshalb auch nur einen Tag im Voraus für das fernere Verbleiben des jetzigen Großwestrs gutzu sagen! Was die Staatsschuld betrifft, so Hal es die Türkei fertig bekommen, in den letzten zwanzig Jahren mit Einschluß der Anleihe, über welche noch gegenwärtig verhan delt wird, eine Schuldenlast von l,300,ooO,OOO Rubel auf sich zu nehmen. Die Summe entspricht derjenigen, welche Frankreich an Deutschland als Kriegskvften zu zahlen hatte. Während jedoch das Jahreseinnahmebudget Frankreichs nahezu die Höhe der Hälfte der Contribulionssumme er reichte, betragen die Revenuen der Türkei jährlich nur 130,0)0,000 Rubel, einschließlich der Tributzahlungen von Seiten der Vasallenstaaten. Die Schuldenlast über steigt demnach das Zehnfache des Jahreseinkommens. Für gewöhnlich pflegt ein Krieg die Ursache zu einem großen Anlehen zu sein, allein das trifft bei der Türkei nicht zu, sie lebt seit zwanzig Jahren im Frieden; oder aber der Staat verlangt Capitalien, um großartige Un ternehmungen zu machen, die geeignet sind, den Verkehr und die Industrie zu beben. Auch dies trifft hier nicht zu. Nicht einmal, baß der Staat sich befähigt oder ge willt zeigt, außerordentlichen Nothständen abzuhelsen, wie das in diesem Jahr in der Provinz Angora nöthig ge wesen wäre. Atan sieht niemals Producte aus den vom europäischen Markt nach der Türkei zusammenlaufrnden Goldmassen erwachsen. Wie ist es unter solchen Ver hältnissen nur möglich, daß sich immer noch Leute finden, welche ihre Capitalien der Türkei anvertrauen? Wird denn jemals auf der Balkanhalbinsel ein Volk erstehen, das für die Schulden des Staates, des Sultans ein tritt? Wer wird kenn je von den Erben des „kranken Mannes" die Passiva übernehmen wollen? Es zeigt sich denn auch, daß die Anleihe, für deren Zustande kommen Sadik-Pascha nun schon so lange thäUg ist, nur unter Bedingungen sich ermöglichen lassen wird, welche schon an sich beweisen, daß der Credit der Türkei nahezu sein Ende erreicht hat.'" Nur um die Zinsen zahlen zu können, werden jetzt 20,000,0"0 Pfd. Sterl. (140,000,000 Thlr.) verlangt. Während die früheren Anleihen immer noch auf 10 oder 11 Procent abge schlossen worden sind, hat der türkische Finanzminister diesmal kaum Capitalisten gefunden, welche die Summe für 26'/» Procent aufbringen wollten, das heißt so viel, als daß die Türkei für die von den Capitalisten vorge- strecktrn 2O,oOE>» Pfd. Schuldscheine auf die Summe von 80,000,0(Z/ Pfd. oder 560,000,000 Thlr. auszu stellen sich derUt erklärt und jährlich 16,80 >,00 Thlr. Zinsen zahlen will. Darüber hinaus verlangen jedoch noch die Capnallften die Bildung eines aus den vor nehmsten Bankhäusern zusammenzusetzrnden Syndikats, welchem die Cchntrole über die Staatseinnahmen und Ausgaben zu fallen soll. Unter anderen Bedingungen leiht kein Bankhaus dem Sultan auch nur einen Thaler. Es ist erklärlich, daß man in Konstantinopel zu so harten Bedingungen bisher sich noch nicht hat bekennen können. - Lagesgeschichte. Dresden, LI. Juli. Ihre Majestät die Königin haben Sich heute Vormittag Uhr von Pillnitz nach der Eisenbahnstation Niedersedlitz begeben und von dort aus die Reise nach Marienbad angetreten. In der Be- ' gleitung Ihrer Majestät befinden sich die Hosdame Gräfin zu Waldburg-Zeil und der Oberhosmeister v. Lüttichau. Se. Majestät der König werden Sich heute Abend 6 Uhr in Begleitung Allerhöchstihrcs Flügel adjutanten SNajorS v. Minckwitz nach dem Seebad Ost ende begeben. Dresden, 21. Juli. Nachdem nunmehr die Bestim mung der Bezirksschulinspectionen nach mancher lei Zwischenverhandlungen vorläufig zum Abschluß ge langt ist, geben wir im Folgenden eine Uedersicht über das bis jetzt frstgesteUte Resultat. In Dresden (Stadt) wird Schuldirector Berthelt, in Dresden (Landbezirk) IN. Hahn, in Dippoldiswalde Bürgcrschuldirector Mus hackt, in Freiberg Oberlehrer Lohse, in Großenhain Bürgcrschuldirector Wigand, in Meißen Bürgerschul- dirrctor Wangemann, in Leipzig (Stadt) Realschuldirec tor l». Hempel, in Leipzig (Landbezirk) Bürgerjchul- director IN. Fritzsch«, in Borna Bürgerjchuldirector Radestock, in Grimma Bürgerjchuldirector Eckhardt, in Döbeln und Oschatz Reaftchulodertehrer 0«. Kühn, in Rochlitz Bürgerschuldirector Kretschmer, in Zwickau Bürgcrschuldirector Naumann, in Chemnitz (Stabt) und Bezirk Flöha Archidiakonus Di. Spieß, in Chemnitz (Landbezirk) Schuldirector Saupe, in Annaberg und Marienberg Bürgcrschuldirector Eichenberg, in Auerbach und Oelsnitz Bezirksschuldirector Perthen, in .Plauen Pfarrer Seltmann, in Schwarzenberg Viceseminardirector Müller, in Bautzen Seminaroberlehrer Ur. Wild, in Kamenz Seuiinaroberlehrer Flade, in Löbau Seminar- director Grüllich, in Zittau Professor Michael, in den Schönburg'schcn Reccßherrschaften Schuldirector Gruhl die Bezirksschulinjpection erhalten. — Um auch dem Turnunterrichte, welcher durch das neue Volksschulgejetz eine wesentlich höhere Bedeutung erlangt hat, eine ent sprechende ausgedehntere amtliche Förderung zu Theil werden zu lassen, ohne den bisher damit beauftragten Herrn Director Dr. Kloß zu Dresden zu überbürden, beabsichtigt das Ministerium, Herrn i-)>. I. C. Lion zu Leipzig, Director des städtischen Turnwesens daselbst, zur Inspektion des Seminarturnunterrichts in den Kreis- hauptmannschasten Leipzig und Zwickau heranzuziehen und ihn gleichzeitig zum Mitgliede der Wahlfähigkeits- prüfunascommissiouen jener Bezirke zu ernenuen. * Berlin, 2o. Juli. Unter der Ucderschnft: „Der Mordanfall auf den Fürsten Bismarck" schreibt heute die „N. Pr. Ztg." Folgendes: „Während gewisse liberale und selbst osficiöse Organe bemüht sind, sogar über das Maß einer geistigen Mitschuld hinaus eiue directe Verwickelung ultramontaner Kreises und nament lich katholischer Priester in den Mordversuch Kullmann's wider den Fürsten Bismarck zu erweisen, scheuen sich ultramontane Organe nicht, in ebenso alberner wie ge meiner Weise das Attentat als singirt darzustellen, ooer als angezettelt, um noch schärfer gegen die Römischen vorgehen zu können. Es giebt unter ihnen zwar ehren- werthe Ausnahmen, welche unter dem Hinweise, daß mit einer Frevelthat der katholischen Sache nur geschadet werden könne, ihren Abscheu über den versuchten Meu chelmord ohne Rückhalt ausdrücken; aber die Thatsache, daß unzweifelhafte Organe der clericalen Partei in Rom die Ficttonsgeschichte auftischen, und daß auch ultramon tane Blätter in Deutschland theils in boshaften Andeu tungen, theils mit voller Plumpheit dieselbe Verdächtigung colportiren, läßt sich durch Ausnahmen nicht wegwischen, und sie wiegt um so schwerer, so lange nicht aus katho lischen Kreisen energische Proteste gegen eine GeisteSge- meinschaft mit solchen Preßorganen erfolgen. ES zeigt sich bn dieser Gelegenheit von Neuem, daß der Uttra- montanismus, als politische Parteirichtung, mit den lideralistischen Gegnern, mit denen er sich herumschlägt, verwandter ist, als er Won haben will." — Der Vice präsident des Staatsministeriums Finanzminister Camp hausen hat seine infolge deS Kissinger Attentats ver schobene Urlaubsreise, zunächst nach Süddeutschland, nunmehr angetreten. Cultusminister 1)r. Falk hat sich nach Kiel begeben, um die dortigen Universitätsverhält nisse persönlich kennen zu leruen. — Die „Sp. Ztg." ist in der Lage, auS sicherer Quelle über ein thatsäch- liches Vorgehen zu berichten, welches beweist, daß die Regierung mit ihren Maßregeln gegen das katholische Vrreinswejcn nicht auf sich warten lassen will. ES hat hier nämlich schon am Sonnabend, den 18. d., eine Haussuchung bei dem Reichstagsabgeordneten Lega- tionsrath a. D. Fritz v. Kehler, Generalbevollmächtigten der Fürsten Radziwill, stattgefundcn. Die Nachsuchung ist während einer zufälligen Abwesenheit deS Herrn v. K. mit Zuziehung deS Hauscigenthümcrs vollzogen worden, unter Besetzung des HauseS durch Polizei und unrrr Oefsnung der Zimmerthürcn und der Cylinderbureaux durch einen Schlosser. Mit Beschlag belegt sind ca. 80 Schriftstücke. Herr v. Kehler ist Mitglied verschiedener katholischer Vereine und namentlich auch des Mainzer KatholikenvercinS. Wie die „Germania" erfährt, wurde u.A.auch die ca. 400Namen enthaltende Vereinsliste saisirt. Das ultramontane Blatt berichtet dann weiter: Am Abende zwischen 6 uffd 7 Uhr wurden die 'Nachforsch ungen nach staatsgefährlichem Material auch auf das Arbeitszimmer des Herrn v. Kehler im fürstlich Radzi- will'schen PalaiS ausgedehnt, welche indessen bedeutend magerer ausfielen. Trotzdem wiederholten sich die polizei lichen Recherchen am Sonntag Morgen von 10 Uhr in jenem Palais, dauerten aber wegen 'Mangels an greif barem Stoffe nur etwa eine halbe Stunde. Am vor- hergcgangenen Tage hatten bereits zwei Mal im hiesigen katholischen Gescllenverein, im VcreinShause (Nieder- wallstraße Sir. l1) bei allen Bewohnern desselben und zwei Mal beim Vicar und geistlichen Rath Müller, der seit eitriger Zeit verreist ist, Haussuchungen stattgefunden. Ebenso sand am vorigen Sonnabend eine Haussuchung in der Privatwvhnung deS Redac- teurS der „Germania", Christoph Joseph Cremer, statt, während derselbe mit seiner Frau eine Abendpromenade machte. Zwei Polizeibeamte in Civil und drei Schutz leute besetzten gegen '«8 Uhr die Wohnung, iuquirirten das Kinder- und das Küchenmädchen und ersuchten den Hauswirth, bei der Durchsuchung der einzelnen Gelasse und Möbel zu assistiren. Daun wurde ein Schlosser herbeigeholt, Schreibpult, Wäsche-, Kleider- und Nacht spinden wurden geöffnet, der Inhalt derselben einer ein gehenden Prüfung unterworfen, die vorhandenen Bücher durchgejehen und eimge Schriftstücke und Broschüren mit Beschlag belegt. Gegen '/-O Uhr zogen sich die Wächter des Gesetzes mit ihrer Ausbeute zurück. Ihr Benehmen wird von den in der Wohnung Anwesenden als ein sehr rücksichtsvolles geschildert. ES handelt sich Feuilleton. Redigirt von Otto Banck. Petrarca s fünfte Säcularfeier (Schluß aus Nr. 1KS.) So erscheint uns Petrarca's Ruhm als ein drei facher: als der des Dichters, des Patrioten und des Humanisten. Seine Stellung im Leben war eine ein zige. Der Sohn eines Notars, geboren im Exil, ausge wachsen in der Fremde, ohne Glücksgüter, ohne Amt, ohne Adelslitcl, war er von Städten und Fürsten, ja von Papst und Kaiser geehrt, wie kaum ein Schrift steller vor oder nach ihm, übte er auf sein Vaterland einen bestimmenden Einfluß, auf die ganze moderne Bildung die nachhaltigste Wirkung. GiosuS Carducci, in seiner schönen Studie über die Entwicklung der ita lienischen Nattenalliteratur, bemerkt so fein als treffend: „Petrarca's Krönung auf dem Capitol, unter dem Bei fallsrufe des Polkes, in glücklicher Abwesenheit von Papst und Kaiser, war gleichsam dir Weihung der Re naissance inmitten des mtttelaltcrlichcn Europa, auf das er zum großen Portheile der Cuttur seiner Zeit dieselbe Dictatur oder vielmehr Gesetzgebung des Geistes aus übte, welche Erasmus von Rotterdam auf das sechzehnte, Voltaire auf das achtzehnte Jahrhundert ausübten. Wie der große Jesuiten feind, wirkte Petrarca nicht allein durch seine Werke, sondern auch durch seine zahlreichen Briefe, seine Reisen, seine persönliche Gegenwart. Er lebte bald in Avignon, Mailand oder Prag an den Höfen des Papstes, der Visconti oder Kaiser Karl's I V., bald iu stiller Zurückgezogenheit, sei's im Thale von Paucluse, sei's im versteckten Acqua, durchzog Frankreich und Deutschland als Wanderer, besuchte Rom und Neapel, Parma und Padua und konnte sich erst spät entschließen, sich dauernde Ruhe an einem entlegenen Orte zu göuuen. Tas Instrument, dessen er sich für seine Wirksamkeit bediente, war die gerade geltende Universalsprache, zu seiner Zeit die lateinische, die er besser handhabte als irgend ein Steuerer, wie nicht wohl anders zu erwarten war von dem Manne, der eigentlich das römische Alterthum wicdererweckte. . Wäre Petrarca nicht ein so feiner Latinist gewesen, hätte er sich nicht an den Dichtern des römischen Alter- thumS gebildet, nimmer wäre es ihm gelungen, die junge italienische Sprache zu solcher Grazie und Formen schönheit zu erheben. Seinen Ruhm, seine Unsterblich keit, seine Popularität verdankt er allerdings zumeist seinen Sonetten an Laura, so viel Künstliches auch in seiner ganzen Liebessehnsucht steckte. Wer nach Avignon kommt und den finsteren Palast sieht, in welchem vor fünfhundert Jahren die glänzende Hofhaltung der Päpste sich entfaltete, der denkt auch sofort an Petrarca, der hier gern gesehen war, der pilgert nach Vaucluse, das rtwa sechs Stunden von Avignon entfernt liegt, um den mächtig aus dem Felsen sprudelnden Quell der Sorgue zu begrüßen, den Petrarca lo oft feiert. Als der Vorläufer des Humanismus beherrscht Pe trarca's Name das ganze Trecento. Sein Humanismus aber, und dieser Punkt kann nicht genug betont werden, war ausschließlich römisch: daher der so grundverschie- dene Geist und die so grundverschiedene Form, wenn wir die Rcnaissance des italienischen Quattrocento, die er vertritt, und drn deutschen Humanismus der Refor- mationszeit mit einander vergleichen. So durchgreifend aber war der Einfluß Petrarca's, verbunden und unter stützt durch die Wahlverwandtschaft der römischen Bil dung und ter romanischen Nationen, daß noch heute das lateinische Element das über das griechische vor herrschende in der Cultur der lateinischen Völker ge blieben ist. Petrarca war weder eine Apvstrlnatur, noch ein Mann der That. Was er wirkte, das hat er durch seine Persönlichkeit und durch seinen Geist gewirkt. Niemand widerstand leicht diesem Zauber deS echt Menschlichen, welcher über diesen ersten Humanisten aus gebreitet lag. Von geselliger Statur uud dem Lebens genüsse nicht abhold, zog er doch stets ein bescheidenes Mal mit einigen gewählten Freunden dem Prunk und dem Geräusche einer glänzenden Tafel vor und kannte gar wohl den Werth der Einsamkeit und Sammlung, brachte als ein Einsamer und sich Sammelnder die schönsten wir die letzten Lebensjahre im Schooße einer idyllischen Statur zu. „Wüßtest du nur", schreibt er einmal, „mit welcher Wollust ich allein und frei umher schweifend, zwischen Bergen und Wäldern, zwischen Quellen und Flüssen, zwischen Büchern und den Geistern der größten Menschen athme und wie ich mich bestrebe, das Vergangene zu vergessen, das Gegenwärtige nicht zu sehen." Gern in seiner Poeten- und Gclehrten- eitrlkeit geschmeichelt, that er nie, sie zu befriedigen, einen Schritt, über den er hätte erröthen müssen. Ein Freund der Großen, wußte er, der arme Bürgerliche, mit Kaiser, Päpsten und Königen aus's Vertrauteste zu verkehren, ohne je seine Würde prciszugeben, seine Unabhängigkeit zu opfern, seinen Freimuth zum Schweigen zu bnngen. Ein stets erfolgloser Politiker und Diplomat, brachte er Denen, die ihm ihre Angelegenheiten anvrrtrauten, doch nie Unehre rin, und das praktische Mißlingen erkältete seincn idealistischen Eifer nie. Er wahrte die äußeren Formen, ohne ihr Sclave zu werden, wußte zu scherzen, ohne in Rohheit zu verfallen, an sich zu halten, ohne sich der sittlichen Heuchelei, die wir Prüderie nennen, schuldig zu machen. Sein Glaube that seiner Achtung der Vernunft keinen Abbruch, und nie artete seine Forschungslust in Läugnung des nicht Erkennbaren aus. Von leicht gereizter Sinnlichkeit und anziehend für die Frauen, lernte cr schon bei angehendem Mannesalter sich zu mäßigen und endlich zu bezwingen. Alles ist bei ihm Maß und Gleichgewicht. Wissen schast, Vaterland, Geliebte, Freunde umfaßt er mit innigster, aufopferndster, dauerndster Liebe, aber nirgends und nie strömt die lleidcnschatt vulcamsch zerstörend über. Wie vier Jahrhundcue später am Zrelpunttc der modernen Bildung unser Goethe, so netzt am Ausgangs punkte dieses Entwicklungsganges Petrarca als cnr voll kommen „Humaner" da, er, der Gründer des Humanis mus, selber ein Vorbild der Humanität. „Sein Ruhm", so sagt sein neuener dcutscher Biograph, „während seines Lebens schon weit ausgebreitet, erfüllte nach seinem Tode die ganze Welt, und er wird dauern, so lange Alterthum, Vaterland uno Liebe kostbare Güter bleiben für Bildung und Erziehung der Menschheit." Dcr wirkliche Don Carlos. Eine Geschichte aus der Geschichte. (Nach den Forschungen von Adolph Schmidt) (Fortsetzung aus» Nr. t«5 ) Don Carlos, sonst gesund, scheint einzig und allein von Zeit zu Zeit am Fieber gelitten zu haben, wie viele Personen in Spanien. Auch Don Juan von Oester reich duldete viel vavon, Philipp selbst, der Erzherzog Ernst und Andere. Der Unterschied war nur, daß man bei dirsrn andern Personen des Hofes solche Fiebcran- fällc mit Recht ignoritte, weil sie für die geschichtliche Urberlicferung unwichtig sind, während man von der Person des Thronfolgers, seitdem über ihm das Schwert
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