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73. Jahrgang Dienstag, den 1. Januar 1907. Nr. 1. Merih-Mtmig Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. für die Königliche Amtshauptmannschasi, das Königlich- Amtsgericht und den Ktadtrat zu Dippoldiswalde. Mtt achtseitige« „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mtt land- und hauswirtschastlicher Monats-Vellage. Aür die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Jehnr in Dippoldiswalde. Inserate werden mit 12 Mg., solche aus unserer Ämtshauptmannschast mitlOPfg.die Spaltzeile oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Sette (nur von Behörden) diezwei gespaltene Zeile 30 bez. 2ü Pfg. - Tabellarische und komplizierte Inserate mit entsprechendem Aus schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, die Spaltenzeile 30 Pfg. - Die -Wtiheritz-ZeitunD " erscheint wöchentlich drei- Mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich IM. 28 Pfg.. zweimonatlich 84 Pfg, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 40 Pfg. — Me Postan- staUen, Postboten, sowie anfereAuströgernehmen Bestellungen an. Die Ortsbehörden de» hiesigen Bezirk werden auf die §8 25,1, 46,1 l und 57,1 der Deutschen Wehrordnung hierdurch aufmerksam gemacht. Darnach haben dieselben zu Anfang -es Monats Januar Aufforderung wegen Anmeldung der Militärpflichtigen zur Miiitärstammrolle in der Zeit vom 15. Januar bis I. Februar zu erlassen, tun- Ach bl» 4. Februar aber die Stammrollen nebst den Geburtsliften des jüngsten militär pflichtigen Jahrganges, Losungsscheinen, Geburtsscheinen und sonstigen Belegen anher einzureichen. x Gleichzeitig wird noch darauf hingewiesen, daß alle vorgekommeuen vestrafungeu der Militärpflichtigen zu den betreffenden Stammrolleneinträgen zu vermerken, sowie die Rufnamen derselben zu unterstreichen sind. Dippolviswalde, am 27. Dezember 1006. Der Aivilvorsitzende -er Königlichen Ersatzkommiffion -es Aushebungsbezirks N 02 s L. Dippoldiswalde. Zum neuen Jahre. In einer ernsten und bewegten Zeit geht diesmal Deutschland aus dem alten hinüber in das neue Jahr. Wenn wir zunächst die auswärtige Lage erwägen, so stellt sie sich keineswegs so rosig dar, wie man eigentlich nach den empathischen Friedenrreden dieses und jenes maß gebenden Staatsmannes unserer Zeit annrhmen müßte. Gewiß, es kann vorläufig von keiner bedrohlichen Kriegs gefahr für Europa die Rede sein, aber dennoch bleibt die allgemeine Situation eine etwas unsichere. Konsliktsstofse sind genug vorhanden, welche unter Umständen zu be- denklichen Verwickelungen führen könnten, dieselben zu verhindern oder doch wenigstens möglichst lange hinaus- zuschieben, dies ist darum die Aufgabe einer einsichtigen Staatskunst. Aber auch die innere Lage unseres deutschen Vaterlandes weist beim Übergange aus dem Jahre 1906 in das Jahr 1907 unverkennbar ein ernstes Aus sehen auf, welches Gepräge sie durch die am 25. Januar 1907, also binnen wenigen Wochen, erfolgenden Neuwahlen znm Reichstage erhält. Es ist eine überaus gewichtige Entscheidung, welche sich in letzteren für unser deutsches Vaterland vorbereitet, daß sie nur zum Wohle des Reiches «nd seiner Glieder, zum Segen des deutschen Volkes in feinen weitesten Kreisen ausfallen möge, das ist darum zur diermaligen Jahreswende ein warmer Wunsch aller wahren Vaterlandsfreunde. Ein solches Ergebnis der Reichstagwahlschlacht wird dann gewiß auch eine mächtige Wirkung nach außen haben, es wird der übrigen Welt, in der es doch wahrlich genug Feinde und Ha fer des Deutschtums gibt, zeigen, wie fest und unerschütterlich der Felsen der Daterlandstreue, der Liebe zu Kaiser und Reich, «ach wie vor im deutschen Volke emporragt! Mit diesen Ge sinnungen und Empfindungen möge man allerwärts im Reiche in das neue Jahr eintreten, um so zuversichtlicher können dann alle, die es aufrichtig wohlmeinen mit der Zukunft des gemeinsamen Vaterlandes, den kommenden Ereignissen entgegenschauem Mit Mut, Zuversicht und hofsnungsfreudigem Ausblicke in die eigene Zukunft soll aber auch jeder einzelne von uns die Schwelle zum neuen Jahre überschreiten, entschlossen, mit gläubigem Vertrauen in da» Walten der göttlichen Vorsehung allen Wechsel fällen des anhebenden neuen Zeitabschnittes mit männlicher Festigkeit zu begegnen. Wohlan, so wollen wir denn entschlossen««» Sinnes und zuversichtlichen Blickes Abschied vom alten Jahre 1906 nehmen und das neue Jahr 1907 hoffnungsfroh begrüßen: Möge es für Kaiser, Reich und Vaterland, möge es für jeden einzelnen in seiner Familie und Häuslichkeit ein gesegnete» sein! Lotales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Nach einer gemeinschaftlichen Sitzung beider städtischer Kollegien, in der die Bauordnung unserer Stadt zum vorläusigen Abschluß gelangte, fand am ver- aangenen Sonnabend abend im Hotel „Stadt Dresden" -le gelbe Suppe statt, zu der sich Rat und Stadtver ordnete vollzählig eingefundrn hatten; aber auch viele Mitglieder der einzelnen Ausschüsse, Vertreter der Schule «it dem Schularzt, sowie die neueintretenden Stadtverord neten, Herr Bürgermeister a. D. Voigt, Herr Stadtrat a. D. Heinrich, Herr Br.-Vers.-Jnsp. Pohlers und mehrere städtische Beamte warew-« an sie ergangenen freund- Achrn Einladung gefoighMch sich «ine zahlreiche Tafel runde bildete. Herr vüMMister vr. Weißbach gab in längermLed« eine erschöpft«« Übersicht über den Verlauf -es/WMngenen Jahres und dankte den beiden aus- s^WMden Stadtverordneten, Herren Baumeister Schmidt uMvorwerksbesitzer Jäckel, herzlichft für ihr« der Stadt lange Jahre geleisteten treuen Dienst« und üb«rrrichte ihnen ein Gruppenbild der Mitglieder beider Kollegien. Vei anregenden Toasten ernsten und heileren Inhalt» blieben die Teilnehmer in fröhlicher Stimmung noch lange »«reint, alle» besprechend, wa» für die nächste Zeit in unserer Stadt noch geschaffen und erledigt werden möchte. vip»»I-1»»«f-e. In der letzten diesjährigen Vorstands- st»u«g unserer Ortskrankasse wurden Herr Tischler meister Börner zum Vorsitzenden und Herr Fabriktischler Bormann zu dessen Stellvertreter gewählt. Der bisherige Vorsitzende, Herr Blechwarenfabrikant Teicher, lehnte eine Wiederwahl ob. — Zum Neujahrstage. Die Silvesternacht mit ihrem Jubel und ihren Prositrufen ist verrauscht und froh grüßt das Licht des Neujahrstages zu unserem Fenster herein. Bei dampfender Punschbowle haben wir im Familienkreise das alte Jahr zu Grabe getragen und dem neuen ein herzliches „Willkommen" zugerufen. „l.e roi est mort — vive le roi!" — Was 1906 uns Schlimmes oder Trübes gebracht hat, — heute ist es vergessen und vertrauensvoll blicken wir dem neuen Jahre in's Antlitz, denn die Hoffnung, die ewig grünende, keimte auch an diesem Wendepunkte der Zeit wieder neu in unserem Herzen empor und wiegt uns in rosige Zukunftsträume. ä propos Träume! Aus ihnen sind wir am heutigen Morgen — wie weiland Bürgers Leonore — emporgefahren und zwar — je nach Qualität und Quantität des genossenen Siloesterpunsches, entweder mit einem nur leise schnurrenden Kätzlein oder mit einem gar laut miauenden Kater. Nur schwer haben wir uns dazu entschließen können, das mollige Bett zu verlassen, um uns nach ein genommenem Frühstück entweder selbst auf Gratulations- oisitentour zu begeben, oder die Schar der Glückwünschenden an uns herankommen zu lassen. „Aller Anfang ist schwer," sagt ein altcs Sprichwort und dies trifft ganz besonders aus den Jahresanfang zu. „Tue Geld aus deinem Beutel," heißt es da im Gegensatz zu den Worten des Dichters, denn schier endlos ist die Zahl der Hände, die sich uns am 1. Januar gratulierend entgegenstrecken, um dasür den „klingenden Dank" einzuernten, auf den ihre Besitzer ob der uns im vergangen Jahre geleisteten Dienste ge rechten Anspruch zu haben glauben. Hausmann und Aufwartefrau — Frühstücksausträger und Zeitungsbote — Schornsteinfeger und Milchmädchen — wer zählt die Stände, nennt die Namen aller derer, die zum Neujahrs- tage einen Regen guter Wünsche auf uns her abrieseln lassen. Wenn doch nur all jene Wünsche in Erfüllung gingen! Ach was — alle! Der zehnte Teil davon würde schon genügen, uns glücklich zu machen. Nun, wir wollen uns über die Zukunft nicht den Kopf zerbrechen, lieber Leser, sondern das Beste von ihr erhoffen und in diesem Sinne rufen auch wir dir am heutigen Tage ein kräftiges „Prosit Neujahr" zu. Kreischa. Der auf das Jahr 1907 ausgestellte und vom Gemeinderate genehmigte Haushalt erfordert bei 38971 Mk. 64 Pfg. Bedarf und 17 370 Mk. 25 Pfg. Deckungsmittel einen Zuschuß von 21601 Mk. 39 Pfg., der durch Steuern aufzubringen ist. Börnersdorf. Am zweiten Feiertage ist Pfarrvikar Krause in Fürstenwalde, nachdem derselbe am ersten Feiertage eine Gastpredigt gehalten, zum Pfarrer unserer Parochie gewählt worden und dürfte sein Amtsantritt in allernächster Zeit erfolgen. Posfendorf. Am Freitag abend fand im Vereins zimmer des Schumannschen Gasthofes die Weihnachts bescherung statt, welche der hiesige Frauenverein alljähr lich für Arme und Bedürftige — Erwachsene und Kinder — unseres Ortes veranstaltet. Eine erbauliche Ansprache des Herrn Pastor Otto, sowie oorgetragene Weihnachts- gesäng« erhöhten die Feier. Mit dankerfülltem Herzen und freudestrahlendem Gesicht nahmen die Armen die unter strahlendem Christbaum ausgrbreiteten reichen Ge schenke in Empfang. Lre»-en. Eine Weihnachtsfreude hat der Rat der Stadt Dresden den hiesigen Straßenbahnangestellten gemacht, indem er mit Genehmigung der Stadtverordneten 1450 Beamte pensionsbrrechtigt anstellle. — Line Frau kam mit ihrem kranken Kinde in eine Dresdener Poliklinik. Der Arzt verordnet „Prießnitz-Um- schlüge" für das Kind. Al» die Frau zögert, fortzugehen, fragt der Arzt, wa» sie denn noch wolle, woraus sie mit der Gegenfrage kommt: „Entschuldigen Sie, Herr Doktor, kann ich nicht das Wasser aus der Weißeritz holen? Mir hab'» so weit bis zur „Brießnitz". — Die Sängerschaft in Leisnig veranstallete am 100. Geburtstage des Leisniger Dichters Adam („Wie könnt' ich Dein vergessen") einen Fackelzug nach dem Adam-Denkmal, wo einige Lieder gesungen wurden. Oschatz. Eine Schenkung von 20000 Mark überwies der Ehrenbürger der Stadt Oschatz, Herr Ökonomterat Gadegast, der Stadt. Hiervon sollen 15000 Mark zur Siftung eines Freibetts im Städtischen Krankenhause und 5 000 Mark zur Anschaffung eines großen Durchleuchtungr apparals verwendet werden. Leipzig. In weinsroher Laune machte am Sonntag in einer Herrengesellschaft einer der Zecher den Vorschlag, für den „Hauptmann von Köpenick" eine Geldsammlung zu veranstalten, was allgemeine Zustimmung heroorrief. Die Sammlung brachte einen Betrag von 31,64 M., un- man war schon daran, eine Postanweisung an den Zucht- hausschuster zu schreiben, als einer der Herren den Vorschlag machte, die in den belebten Straßen mit Lametta un anderen Dingen hausierenden Kinder auf ihre Armut zu prüfen, und dies geschah auch. Gleich das erste Mädchen, kaum zehn Jahre alt, vor Kälte zitternd, erzählte «ine Geschichte zum Erbarmen. Der Vater blind, die Mutter sterbenskrank und elf Geschwister, von denen zwei krüppelhast sind. Dem Kinde wurde sofort der ganze Lamettavorrat abgekauft, und dann fuhr der Herr, der den Vorschlag machte, mit dem Mädchen nach Hause. Die Wirklichkeit übertiaf die Erzählung. Zwei Strohsäcke und einige alle Wäschestücke, ein alter wackeliger Tisch, drei alte Holz- kofser und einige wertlose Gegenstände bildeten die ganze Einrichtung der bedauernswerten Familie und in zwei ungeheizten Zimmern kampierten zwölf Personen!! Der Geldbetrag wurde den Armen ganz überlassen und lindert wenigstens die augenblickliche Not. Leipzig. Um dem steten Anwachsen der Leipziger Engrosmessen durch genügende Ausstellungsräume Rechnung zu tragen, soll aus der Hauptverkehrsstraße Leipzigs, auf dem Grundstücke Grimmaische Straße 21, ein neuer Meß- palast errichtet werden. Nerchau. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sind hier sechs Fabrikgebäude der Hesseschen Farbenwerke, in denen sich die Farbenmühlen befanden, infolge Selbstentzündung niedergebrannt. Das Maschinenhaus ist unversehrt geblieben. Ein Teil der Fabrik ist schon am 15. März v. I durch Feuer zerstört worden. Chemnitz. In unserer Stadt wurden zum Weih- nachisfest 36000 Stück Christbäume zum Verkauf ge bracht und trotz recht hoher Preise bis auf wenige Stück abgesetzr. Chemnitz. Den« Webermeister Heuschkel war es ver gönn», in seinem hohen Alter von 92 Jahren in geistiger Frische am Donnerstag sein 50jähriges Meisterjubiläum feiern zu können. Die Weberinnung erfreute den allen Herrn durch Überreichung eines Meisterdiploms. Limbach. In» Laufe des nächsten Jahres sollen in den hiesigen Bürgerschulen, soweit es die Räumlichkeiten gestalten, Brausebäder eingeführt werden, ebenso steht die Anstellung ein«» Schularzt«» in Aussicht. Geithain. D«r Stadtgemeinderat ^genehmigte in seiner letzten Sitzung die Bildung einer gemeinsamen Ortskranken kasse für den Stadtbezirk Geithain. Hierzu wurde noch beschlossen, mit dem 31. Dezember 1907 aus dem ge meinsamen Krankenkassenverdande, dem die Stadgemeinde jetzt angehört, auszuscheiden und die Kreishauptmannschast Leipzig um Genehmigung dieses Beschlusses zu bitten. Die Kündigung soll unter Vorbehalt der Widerruf» er folgen. Zwickau. Eine Dame im sächsischen Erzgebirge hat 100000 Mark zur Errichtung eines Kellnerinnenheims für Sachsen zur Verfügung gestellt. Planitz. Wegen Wilddieberei sind drei jung« Leute, Söhne angesehener Familien, hier verhaftet und an Hie Staatsanwaltschaft abgeliefert worden.