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Oeffentliche Sitzung des Stadtverordneten- Kollegiums zu Dippoldiswalde, am 23. März 1906. Anwesend: sämtliche Mitglieder. Nach Eröffnung der Sitzung wird von einem Dank schreiben des Bürgermeisters Or. Weißbach, Rückerstattung von Umzugskosten betr., Kenntnis genommen. Die vom Stadtrate nach dem Vorschläge des Schul ausschusses beschlossene Herstellung von Kunstholzfußboden „Norgelith" in 2 Klassenzimmern der Stadtschule (anstatt der geplanten Neudielung) wird mit der Einschränkung genehmigt, daß mit Rücksicht auf den nicht unerheblichen Preisunterschied pp. jetzt nur I Zimmer mit diesem Kunst- Holzfußboden belegt, das andere Zimmer aber mit ge wöhnlicher Dielung versehen werde. Der beabsichtigte Um- bez. Erweiterungsbau der öffent lichen Entwässerungsanlage an der Einmündung der Rabe- nauer Straße in die Mühlstraße findet mit der Bedin gung Genehmigung, daß durch die vorgesehene Tieser- legung der Schleuse nicht nur der Anschluß des Lehnert- schen Grundstückes Kat.-Nr. 279, sondern auch der des Köhlerschen Hauses Kat.-Nr. 278 l) an die Hauptschleuse ermöglicht werde. Dem kürzlich getrossenen Abkommen mit den Anliegern des Kirchplatzes: Eelbgießer Dittrich, Dekorationsmaler Major und Privatus Näser wegen Bezahlung von Fuß weg-Herstellungskosten wird bedingungsweise zugestimmt. Zur Vertretung der Stadtgemeinde in dem gegen diese vom Schneider O. Zirnstein in Dresden und Genossen wegen Anfechtung des Testamentes der verstorbenen Amalie Wilhelmine vcrw. Göhler geb. Haberland anhängig ge machten Prozesse schlägt man den Justizrat vr. Richter in Freiberg vor. In nichtöffentlicher Sitzung gelangen Sparkassendar- lehnssachen zur Beratung. Sitzung vom 6. April 1906. Anwesend sämtliche Mitglieder; feiten des Rates: Bürgermeister vr. Weißbach. Kenntnis nimmt man davon, daß der Apotheker Meißner die auf ihn gefallene Wahl als stellvertretender Gemeinde waisenrat abgelehnt hat. Eine sofort vorgenommene neue Wahl fällt auf den Schuhmachermeister Jäckel. Weiter wird Kenntnis genommen von dem Ergebnis der anderweiten chemischen Untersuchung des hiesigen Leitungswassers und von dem Entwurf der in dieser An gelegenheit vom Stadlrate beabsichtigten neuen Bekannt machung. Kollegium bringt sein Befremden darüber zum Ausdruck, daß die Frist zum Einbau von Wassermefsern nicht — wie dies in dem diesseitigen Beschlusse vom 23. Februar 1906 gewünscht worden — bis Ende dieses Jahres hinausgeschoben worden ist und ersucht den Stadt rat, sowohl für den Einbau der Wassermesser, als auch wegen Erneuerung von Privatleitungen den beteiligten Grundstücksbesitzern Frist bis Ende dieses Jahres zu ge währen. Für die zu erlassende Bekanntmachung werden einige redaktionelle Änderungen in Vorschlag gebracht. Genehmigung finden a) die Gewährung eines Unterstützungsbeitrags von 60 M. an den Gebirgsverein zum Zwecke der Aufstellung von Bänken in den städtischen Wal dungen; b) die anderweite Verwertung pachtfrei werdender städtischer Parzellen unter Beitritt zum Ratsbeschluß; c) das Gesuch des Gastwirts Johannes Liebscher wegen der Übernahme der Unterhaltung der durch seinen Garten führenden öffentlichen Schleuse auf die Stadtgemeinde — bedingungsweise —; ck) die Abänderung bez. Ergänzung des § 12 des Müllerschulregulatios in der vom Müllerschul- ausschuß vorgeschlagenen Weise. Dagegen werden in Übereinstimmung mit dem Stadt rate die Gesuche der Müllerschullehrer Rielert, Wolf und Schreck, von denen Riekert um Übernahme seiner vollen Pensionsbeiträge von jetzt ab auf die Müllerschulkasse, Wolf und Schreck aber um Gleichstellung mit den techni schen Lehrern in Ansehung der Maximalgehaltsgrenze nach- fuchen, abgelehnt. Von dem Ratsbeschlusse, den Um- bez. Erweiterungs bau der öffentlichen Entwässerungsanlage in der großen Mühlstraße betr., wird lediglich Kenntnis genommen und hierbei Beruhigung gefaßt. Der Entwurf der neuen Straßenpolizeiordnung — über welchen der Stadtverordnete Schiffner referiert — wird eingehender Beratung unterzogen, wobei Kollegium seine Bedenken und Abänderungsvorschläge dem Rate bekannt gibt. Mit der Einführung des abgekürzten Strafverfahrens ist man einverstanden. In geheimer Sitzung finden Sparkassendarlehnsgesuche Erledigung. Das Stadtverordneten-Kollegium. E. Otto Schmidt, Borsitzender. Die Verlobten. (Schlutz.) Jndeß Charlie dem Freunde sein bedrängtes Herz aus schüttete, saß Minnie im Salon und ihr gegenüber Kapitän Archie Franklin mit dem Hut in der Hand, den er in nervöser Ungeduld bald rechts, bald links drehte. Auch Minnie schien sich nicht besonders behaglich zu fühlen. „Mama wird bedauern, daß sie nicht zu Hause war. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?" „N—nein, Fräulein, ich, ich, aufrichtig ge standen, Fräulein, ich habe gehofft, Sie allein zu finden." „Ich verstehe Sie nicht, Kapitän Franklin." „Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen", stammelte er. „Ich gehe nach Indien — — — und werde Sie vielleicht nie mehr sehen, Fräulein Minnie." „Ihr Regiment ist nach Indien versetzt worden?" Die Rosen ihrer Wangen erblaßten, als sie dies halb atemlos hervorstieß. „N—nein, das Regiment nicht. — Fräulein Liddington, Minnie, wissen Sie nicht, warum ich gehe? Weil — ach, ich hab' ja kein Recht dazu, es zu sagen weil ich Sie liebe, Minnie; weil Sie mit einem Andern verlobt sind, weil ich nicht länger hier bleiben darf." „Kapitän Franklin!" „Minnie!" „Nein, Sie dürfen mich nicht so nennen. Sie wissen, daß ich die Braut meines Vetters bin!" „Lieben Sie ihn, Minnie?" „Ich " „Bitte, Minnie, lieben Sie ihn?" „Papa hat auf meine Bitten hin seine Einwilligung gegeben." „Das war vor langer Zeit. Man kann seine Ent schlüsse ändern." „Ich kanns nicht. Unmöglich!'' „Warum?" „Es hieße ehrlos gehandelt!" „Minnie! Und wenns nicht so wäre, wenn Sie frei wären, müßte ich dann auch nach Indien gehen?" Er schlingt den Arm um ihre Taille und sie wehrt es ihm nicht. „Minnie, müßte ich gehen?" „Lassen Sie mich, quälen Sie mich nicht; ich bin ver lobt, ich darf Ihnen nicht antworten. Führen Sie mich nicht in Versuchung." „Minnie, Engel, Sie lieben mich und ich liebe Sie über alles. Hören Sie mich an. Wollen Sie aus miß verstandenem Pflichtgefühl uns Beide unglücklich machen? Um eines Dritten willen, der Ihnen gewiß bittere Vor würfe machen würde, wenn er aynen würde, was in Ihrem Herzen vorgeht." „Mir Vorwürfe machen?" „Gewiß, wenn er Sie wahrhaftig liebt. Denn ist es kein großes Unrecht, Jemanden zu heiraten und vor dem Altar einen Schwur zu leisten, den man nicht halten kann? Sie täuschen ihn und sich, und wenn er einst entdecken wird, daß Sie ihn nicht lieben und es Ihnen zum Vor wurf machen wird, was werden Sie ihm sagen?" Minnies Augen umflorten sich und Träne um Träne stahl sich über ihre Wangen. „Vor allem sagen Sie mir aufrichtig, daß Sie mich lieben." „Kapitän Franklin!" „Archie, wenn ich bitten darf. Sagen Sie „Archie, ich liebe Sie". Ist das ein so schreckliches Geständnis?" „Archie, ich — ich liebe Sie!" gestand sie unter Tränen lächelnd. Er umarmte und küßte sie stürmisch, bis die heiße Röte ihrer Wangen ihre Tränen trocknete. „Und jetzt versprechen Sie mir, Ihren, Cousin auf richtig und ohne Zögern zu gestehen, daß Sie Ihre Ge sinnungen geändert haben. Wenn das geschehen sein wird, spreche ich mit Ihrem Papa. Ich kann Ihnen Alles bieten, woran Sie bisher gewöhnt waren. Also Sie werden Ihren Verlobten bitten, er möge Sie frei geben. Sind Sie einverstanden?" „Ja! Aber wenn er sich weigert?" „Das wird er nicht tun. Unter solchen Umständen kann kein Mann sich weigern." In diesem Augenblick öffnete der Diener die Tür und meldete, Herr Carew sei im Empfangszimmer und wünsche Minnie zu sprechen. Sie ward bleich wie der Tod, dann strömte alles Blut in ihre Wangen. „Oh, Archie, es wird ihm das Herz brechen. Aber ich muß es tun, um seinetwillen." Vermischtes. " Verwegene Flucht. Aus Chalons-sur-Marne wird der „Zeit" gemeldet: Der im hiesigen Strafgefängnis sitzende Italiener Fiore, der wegen eines Mordversuchs sich in Untersuchungshaft befindet und ein sehr gefährlicher, wieder holt abgestrafter Verbrecher ist, hat die Flucht ergriffen, die durch die seltsamen Umstände, unter denen sie erfolgte, besonders interessant ist. Der Verbrecher hatte sich aus Eisendraht, den er sich auf unbekannte Weise verschaffte, falsche Schlüssel fabriziert, die Tür der Zelle ausgesperrt und dann die Tür des Magazins, in dem seine Kleider deponiert waren. Hier holte er seine Kleider, stahl eine Anzahl Leintücher, aus denen er einen Strick drehte und sich aus den Hof hinabließ. Dann erbrach er die äußere Tür des Gefängnisses und ergriff die Flucht. Anstatt aber das Weite zu suchen, begab er sich in den Justizpalast, stieg dort in das Bureau des Untersuchungsrichters ein, zündete in aller Ruhe die Lampe an, erbrach alle Läden, bis er seine Akten fand und machte sich dann erst aus dem Staub. * Die Kriegergräber bei Metz. Dem Jahresbericht der „Bereinigung zur Schmückung und dauernden Er haltung der Kriegergräber und Denkmäler bei Metz" ent nehmen wir folgendes: „Die „Vereinigung" bestand im Jahre 1905 aus etwa 688 Kriegervereinen und anderen Korporationen aus allen Ländern Deutschlands als korporative Mitglieder. Es wurden im ganzen 3300 teils grüne, teils Metallkränze zur Schmückung der Gräber ver wendet und dafür 16843 M. verausgabt. Außerdem wurden mehrere Denkmäler bezw. Gedenksteine an «nt- legenrnen Stellen, wo einzelne Gefallene ruhen, gesetzt und bereits bestehende Denkmäler ausgebessert. Das Vereins vermögen, teilweise unantastbare Stiftungen, beträgt zirka 40000 M. * Kriegsschulden vom Jahre 1806. Elbing dürfte die einzige Stadt in Preußen sein, die noch Kriegs schulden vom Jahre 1806 zu zahlen hat. Diese Schuld beträgt gegenwärtig noch rund 32040 M. Die Besitzer dieser Schuldscheine haben sich aber seit 1900 trotz Auf forderung nicht gemeldet, so daß angenommen werden kann, daß die Zinsscheine im Laufe der Zeit verloren gegangen sind und wahrscheinlich keine Ansprüche mehr gemacht werden. Der Elbinger Magistrat hat deshalb beschlossen, die Kriegsschuldenkasse eingehen zu lassen und ihren Bestand auf die Kämmereikasse zu übernehmen. Die Kriegsschuld betrug vor 90 Jahren 885090 Taler. Im Jahre 1821 waren noch für 274014 Taler Zins- fcheine vorhanden, welche eine unverzinsliche Schuld dar stellten. Als im Jahre 1890 die Kriegsschuld getilgt zu sein schien, beantragte der Magistrat der Stadt Elbing bei der Regierung, durch einen besonderen Akt die Schuld abzulösen und als getilgt zu erklären. Da fanden sich bei der Regierung noch 385000 M. Zinsscheine vor, und nun bemächtigte sich der Stadt eine kleine Panik. Die Regierung leistete aber bei der Tilgung Beihilfe, und nun will die Stadt nicht noch einmal die Regierung ersuchen, die Kriegsschuld abzulösen, vielleicht fänden sich dann noch weitere Zinsscheine vor. ' Wohltun trägt Zinsen. Der Bankier Lafosse in Paris, ein sehr reicher Mann, hatte einmal den Maler Delacroix bei sich zu Tische und sah plötzlich, daß ihn der Künstler auf sonderbare Weise betrachtete. Er fragte nach der Ursache, und der Maler gestand, daß er zu einer Figur auf einem neuen Gemälde das Modell eines Bettlers suche und bis jetzt in ganz Paris dazu keinen geeigneteren Kopf als den des Millionärs entdeckt habe. Lafosse er klärte sich lachend bereit, Modell zu sitzen, und erschien schon am nächsten Tage im Atelier des Künstlers, wo er sich auch ohne Sträuben entsprechend kostümieren ließ. Während der Maler arbeitete, trat einer seiner Bekannten, ebenfalls ein junger Künstler, in das Atelier, begann ein Gespräch und drückte beim Abschied dem „Bettler" ein Zweifrankenstück in die Hand. Lafosse steckte auch das Almosen ein, ohne ein Wort zu sagen, fragte aber, als sich der junge Mann wieder entfernt hatte, Delacroix nach seinem Namen und seiner Wohnung. Nach einigen Wochen empfing der menschenfreundliche Künstler plötzlich aus dem Kontor des Bankiers einen Brief des Inhalts, daß sich der alte Satz „Wohltun trägt Zinsen" auch bei ihm be wahrheitete, da das zurzeit im Atelier Delacroix einem Bettler geschenkte Almosen inzwischen an Zinsen die Summe von 20 000 Franken ergeben habe, welche der junge Mann an der Kasse erheben möge. * Als ein überaus „fleißiger" Arbeiter erwies sich in diesen Tagen der Knecht eines Oberförsters aus der Gegend von Soldin. Der Oberförster schickte den Knecht aufs Land, um Chilisalpeter auf Noggensaat zu säen, und be zeichnete ihm zuvor den Raum, wo der Dünger aufbe wahrt wurde. Der Knecht holte die Säcke, schaffte sie aufs Feld und säte fleißig. Nach Hause zurückgekehrt meinte er: „Hütt bin ick awer fleißig west; hüt Hebb ick 3 Kack Dünger streut!" „So," entgegnete sein Zuhörer, „wo hast Du denn die 3 Säcke her! Es war doch bloß einer da?" „Nee, do leggen noch dri Sack in't Kammer," sagte er. „Hahaha! der Unglücksmensch hat die beiden Säcke Kiesernsamen als künstlichen Dünger ausgestreut. Na, der Herr Obersörster wird sich freuen!" * Das Dorado der Dienstmädchen. Die Zuzüge von Dienstmädchen nach Berlin sind alljährlich viel zahlreicher als die Wegzüge. Will man die polizeilichen An- und Abmeldungen als Maßstab nehmen, so zogen im Jahre 1905 reichlich 13 000 Dienstmädchen mehr nach Berlin zu, als von hier wegzogen. Es wurden 49753 Dienst mädchen als zugezogen, aber nur 36624 als weggezogen gemeldet. Der Ueberschuß der Zugezogenen ist selbstver ständlich nicht der Mehrbedarf an Dienstmädchen, den Berlin im letzten Jahre erfordert hat. Ein großer Teil dieser „Ueberschüsse" wird dadurch aufgebracht, daß all jährlich zahlreiche Dienstmädchen durch Berufswechsel oder Heirat ausscheiden. " Vom Münchener Durst hat auch der Konsum des Georgibiers in den Mathäser-Bräuhallen staunenswertes Zeugnis abgelegt. Dort wurden 1500 Hektoliter des be liebten Frühjahrsstarkbiers, ehe der Maibock im Hofbräu haus dran kam, in zehn Tagen ausgetrunken. Dazu wurden 40000 Georgiwürste verzehrt und 165 Kälber, 40 Schweine und 9 schwere Ochsen mußten während dieser Zeit als Zuspeife für die Zecher ihr Leben lassen. Sparkasse zu Dippoldiswalde. (Im Rathaus, Parterre). Lrpeditions-Stunden: Sonntags (ersten und letzten Sonn- tag im Monat) von 2 bis 4 Uhr, av allen Wochentagen von 9 bis 12 Uhr und 2 bis 4 Uhr. Borschutzverein zu Dippoldiswalde. (LMerer: Kfm. R. H. Lincke.) Täglich (mit Ausnahme des Sonntag und Mittwoch) von vormittags 9 bis 12 Uhr und nachmittags von 3 bis 5 Uhr.) MUMM aus hie Ichmtz-MlU' nehmen alle kaiserlichen Postanstalten, Briefträger, unser« Zeitungsboten und die unterzeichnete Expedition entgegen Inserate werden in unserer Expedition und in allen unseren Annoncen-Annahmestellen angenommen und finden die weitgehendste Verbreitung. M WM» >n „Rchmh-MW".