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Weikeritz-Mimg Anzeiger für Dippoldiswalde «nd Umgegend. 71. Jahrgang Dienstag, den 31. Oktober 190S Nr. 126 Fortsetzung -es amtlichen Teiles in -er Beilage Bekanntmachung. Es wird erneut darauf hingewiesen, daß das hiesige -aufgrund der Verordn, d. ev.-luth. Landeskonsistoriums vom 28. Sept. 1900 alljährlich am Montag nach dem 4. — vierten — November zu feiern ist. Dippoldiswalde, den 29. Oktober 1905. Der Kirchenvorstand. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. — Druck und Verlag von Carl warme Lokale hiergegen schützen. Ganz anders dagegen die Zugtiere, diese treuen, nützlichen, allen tyrannischen Launen des Menschen widerstandslos unterworfenen Tiere! Jedem Wetter sollen sie trotzen können, wie wenn sie aus Eisen und Stahl, anstatt aus Fleisch und Blut beständen! Weil sie es nicht mit Worten klagen können, wenn der Frost, die nasse Kälte, der eisige Wind sie durchschauert, so meinen gedankenlose Menschen, daß das nicht zu berück sichtigen sei. Darum sieht man so ost solche stumme Dulder eine halbe bis mehrere Stunden ungeschützt am Fuhrwerk stehen, indes der ohnehin warm bekleidete Fuhrmann sich in Wirtschaften gütlich tut. Mit einem Kitzchen mehr Liebe wäre den Tieren leicht geholfen. Es genügt ja, nur folgendes zu beobachten: Die Tiere nicht ungebührlich lange im Freien stillstehen zu lassen; während solchen Auf enthaltes ihnen eine große, warme Decke überzuwerfen. Den ermüdeten Zughunden zum Niederlegen das Geschirr zu lockern und eine trockene Matte unterzubreiten, ihnen auch bei Kälte eine trockene Decke überzuwerfen. Allen Zughunden aber nach getaner Arbeit.einen geschützten Stall mit frischer, trockener Streu, sowie genügendes, gutes, nicht verdorbenes Futter zu bieten. — Das hiesige Kirchweihfest wird nächsten Mon tag, 6. November, begangen werden (s. Bekanntmachung des Kirchenvorstandes in heutiger Nummer). — In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend starb an einem Schlaganfall Frau Amalie Gäbel. Die Ver storbene, welche in treuester und gewissenhaftester Weise über 30 Jahre lang den Verkauf von Backwaren für die hiesigen Bäckerinnungs-Mitglieder in der sog. „Semmel bank" verwaltete, war allgemein unter dem Namen „Bänken-Malchen" bekannt. — Die Zweite Kammer wird im Laufe dieser Woche drei öffentliche Sitzungen abhalten, und zwar am Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Auf den Tages ordnungen derselben werden stehen die allgemeine Vor beratung über das Königliche Dekret Nr. 3, enthaltend den Bericht über die Verwaltung und Vermehrung der königlichen Sammlungen in den Jahren 1902 und >903, die allgemeine Vorberatung des Königlichen Dekrets Nr. 12, enthaltend den Gesetzentwurf wegen der provisorischen Forterhebung der Steuern und Abgaben im Jahre 1906, die allgemeine Vorberatung des Umzugskostengesetzes und der Antrag l)r. Kühlmorgen-Rudelt auf Abänderung des § 19 des Ergänzungssteuergesetzes. In der nächsten Woche sollen die Interpellationen betreffend die Fleischteuerung und die Wahlrechtsreform auf eine Tagesordnung gesetzt werden. Bezüglich der anderen Interpellationen hat sich die Königliche Staatsregieumg noch nicht geäutzert. — Prinz Mar von Sachsen, der seit dem 17. Oktober in Petersburg weilte, besuchte mit seinem Freunde ?. Don Antonio Staerk die Salvalorkirche der deutschen Katho liken und verbrachte einen Abend beim Probst der Ge meinde ?. Johannes Frense. Sodann kehrte er über Warschau nach Dresden und am Donnerstag nach Frei burg in der Schweiz zurück, wo er an der Universität den Lehrstuhl für Liturgie inne hat. Die Petersburger Reise diente vorwiegend dem Studium der Liturgik in den Kirchen der hl. Katharina. — Die Spürhunde, die sich in der Schön Heider Mordangelegenheit so vorzüglich bewährt haben, waren kürzlich von Schneeberg nach Auerbach gebracht worden. Es wurde nach der seit diesem Sommer vermihten 17- jährigen Tochter des Spediteurs Oehlschlägel eine ein gehende Suche abgehalten, die jedoch ohne Erfolg blieb. — Ernte mit Schlitten. Die ungünstige Witterung hat bisher angehalten, so datz die Ernte an Halmfrüchten und Kartoffeln nicht beendet werden konnte. Interessant ist, wie aus Johanngeorgenstadt berichtet wird, die Bergung der letzteren. Vor dem Ausnehmen mutz erst der über einen halben Meter hohe Schnee aus den Furchen entfernt werden, dann erst können die Kartoffeln Zum Reformationsfeste. Wenn der Tag des Reformationsfestes in das Land zieht, hat der Herbst bereits seit Wochen seinen Einzug gehalten, und gelbe und rote Blätter auf den grau-frösteln- den Erdboden gestreut, die der Wind raschelnd zusammen- fegt, um im nächsten Augenblick die welken Blätterhaufen wieder mutwillig auseinanderzureitzen und sie hohnlachend in alle Himmelsrichtungen hinauszublasen. Und wenn diese Zeit gekommen ist, dann trennen uns hinwiederum nur einige Wochen von dem Fest, das gerade bei den germanischen Volksstämmen als das liebste gefeiert wird: das Weihnachtsfest. Diese germanischen Volksstämme sind aber im wesentlichen auch diejenigen, die das Reformations fest, das Erinnerungsfest an den Thesenanschlag Martin Luther's, feiern. Für uns ist der Reformationstag zweierlei: «in religiöses und ein historisches Fest. Religiös in dem Sinne, datz er die Wiederkehr des Ausgangspunktes unseres Bekenntnisses ist, und historisch in dem Sinne, datz er uns an Martin Luther, an den Mann erinnern soll, der für die Verwirklichung dieses Bekenntnisses, gleich einem Märtyrer, sein Leben eingesetzt hatte. Die Reformations- idee hat auch heute für unsere moderne Zeit, die sich gerne im Atheismus ergeht, ihre Bedeutung erhalten. Seit Jahrhunderten bereits strebt der Reformationsgedanke an, was tausend zersplitterte Kräfte heut auf sozialem und «thischem Gebiete anstreben. Während diese aber mit falschen Mitteln und auf falschen Wegen vorgehen, führt die Idee Luthers auch heute noch einzig und allein zu dem Ziele, das die ringende Menschheit anstrebt. Denn der Weg, den uns Martin Luther gewiesen, ist der Weg Gottes, ein Weg, den freilich nicht jeder findet, weil er nicht in der richtigen Weise zu suchen versteht. Sich zur lutherisch-reformierten Kirche bekennen heitzt aber nichts weiter, als darnach zu streben, sich durch Tugend und Glauben ständig Gott näher zu entwickeln. Wer aber diese» Streben in seiner Brust hütet, ist ein wahrhaft großer Mensch, einer von denen, die Goethe dahin charakterisiert: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." Das aber ist der Pfad, der zur Er lösung führt, daß wir uns frei und stolz zu unserem Er löser bekennen, zu ihm, von dem Martin Luther gesagt hat: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen!" Zum stillen Schwur d'rum Hand auf's Herz, Den Pfad des Lichts zu wandeln, Stets uns zu richten himmelwärts In Worten und im Handeln! Dann ist es sicher und gewiß, Daß nach des Lebens Finsternis Auch wir im Lichte wandeln! Die Ausbreitung -er revolutionären Bewegung in Rußland. Die revolutionäre Bewegung in Rußland hat nun doch einen Charakter angenommen, der die größte Gefahr für den Bestand der russischen Staatsform in sich birgt «nd jeden Augenblick das Signal zu einer wirklichen Re volution geben und Millionen von Unzufriedenen und Verzweifelten die Waffen in die Hand drücken kann. Der riesige Streik der Kleinbeamten und Arbeiter auf allen russischen Eisenbahnen, ferner die Arbeitseinstellungen in dm meisten russischen Fabriken haben nämlich nicht nur schlechte Löhne und zu lange Arbeitszeit zur Ursache, sondern diese gegen die Regierung und die höher stehenden Bolksklassen gerichtete Bewegung ist auch deshalb ent- standen, weil sich di« Kleinbeamten und Arbeiter Ruß lands bei der Schaffung einer Volksvertretung, der söge- nanntkn Reichsduma, übergangen fühlen, also ihr altes Joch der politischen Rechtlosigkeit und sozialen Knechtschaft roeitertragen sollen. Da» jetzige Stadium der revolutio nären Bewegung in Rußland ist allo da» Gefährlichste, Laa und Sonnabend und «md an den vorhergehen- denAb enden ourgeaeben. Holzversteigerung. FrauensteinerStaatssorstrevier. Franke'scher Gasthof in Frauenstein. 8. November 1S05, vorm.9 Ahr: 5 h. u. 22470 w Klötzer, 155 w. gek. Derb- u. 560 w. Reisstangen, 102>/2 rm w. ungesp. Nutzscheite' 71 rm w. Nutzknüppel. Nachm. 2 Ahr: 1131/2 rm w. Brennscheite, 51/2 rm h. u. 580 rm w. Brennknüppel, l/2 rm h. u. 1O'/2 rm w. Zacken, 235 rm w. Äste. Bruchhölzer Abt. 1-60, 22, 23-35 47-58 König!. Forstrevierverwaltung und Konigl. Forftrentamt Frauenstein, am 27. Oktober 1905. Jnlerate, welche bet d« bedeutenden Auflage der Blattes -ine sehr wirk same Verbreitung finden werden mit 12 P^g., solch« aus unserer Amtsyaupt- Mannschaft mit 16 Pfg die Spaltzeile oder deren Raum be-echnet. — Ta« bellarische und kompll- zierte Inserate mit ent sprechendem Aufschlag.— Eingesandt, im redarti» Anzeiger für Dippoldiswalde «nd llmgegeno. " M Amtsblatt fiir die Königliche AmtshMptmannschast, das Königliche Amtsgericht Md den Stadtral zu Dippoldiswalde das sich seit dem Auftreten der Unruhen in Rußland ge zeigt hat, denn es zeigt deutlich die Anzeichen einer sozialen Revolution in Rußland mit dem drohenden Schlachtruf der notleidenden und verzweifelten Arbeiter und Klein beamten: Krieg den Palästen und Friede den Hütten! Da der Streik der Eisenbahnbeamten und Arbeiter in fast ganz Rußland zu einer ungeheuer großen und schlimmen Verkehrsstockung und daraus entstehenden Notständen ge führt hat, und da überhaupt in Rußland unter den Ar beitern und vielen Kleinkaufleuten, Handwerkern und Bauern Not herrscht, so kann wie zurzeit der großen fran zösischen Revolution auch in Rußland der Hunger und die Verzweiflung die Revolution in den Volksmassen ent zünden und zu einem furchtbaren Zerstörungswerke ver leiten. Die russische Regierung steht mit ihren besten Staatsmännern, selbst mit Minister Witte, dieser sozial- revolutionären Bewegung ratlos gegenüber, doch ist es natürlich nicht ausgeschlossen daß der Zar Nikolaus auf Anraten Wittes den Arbeitern, Kleinbeamten und Hand werkern Rußlands eine Teilnahme an der Volksvertretung und sonst einige Erleichterungen ihrer Lage bewilligt und damit noch in letzter Stunde den Sturm beschwört. Ge waltige elementare, materielle und geistige Notstände eines ganzen Volkes sind aber meistens mit papierenen Ver sprechungen nicht zu beseitigen, und es müßten dem russi schen Volke bis in die untersten Klassen greifbare, sichtbare Reformen gezeigt werden, wenn der Revolution wirklich der Nährboden entzogen werden soll. Auch sind die russi schen Minister nicht gesonnen, eine Hauptforderung der Arbeiter, das allgemeine Wahlrecht zu billigen, weil sie glauben, daß dies bei der großen Bestechlichkeit in Ruß land zum Stimmenkauf führen und den Arbeitern gar nichts nutzen werde. Der Deputation der Streikenden, welche ihm ein Memorandum mit den Forderungen der Eisenbahner auf sofortige Gewährung der politischen Rechte und Freiheiten überreichte, antwortete Graf Witte, viele dieser Forderungen könnten erfüllt werden, andere dagegen seien prinzipiell unannehmbar. Ein Gesetz über die Frei heit der Versammlungen sei bereits ausgear beitet, diese Freiheit werde vollkommener sein als in den entsprechen den Gesetzen Italiens und Österreichs, ebenso werde volle Preßfreiheit demnächst eingeführt werden. Der Kriegs zustand auf den Eisenbahnen sei ein Anachronismus, man kann sich nur wundern, daß er bis jetzt noch nicht aufge hoben ist. Der Achtstundentag könne möglicherweise ein- gesührt werden, besonders für die Arbeiter, die unter freiem Himmel tätig sind; ebenso sei eine Verbesserung der Lage der Arbeiter durch Gründung von Schulen, Kranken häusern, Arbeiterverbänden usw. möglich. Was schließlich die Forderungen einer konstituierten Volksversammlung betrifft, so sei sie unannehmbar, ebenso unannehmbar sei das allgemeine, geheime Wahlrecht. Witte wies aus Amerika hin, wo das ganze Land in den Händen einer Gruppe von Kapitalisten sich befinde, die mit ihren Millionen die Stimmen der Wähler kaufen. Was den Streik selbst angehe, so sähe die Regierung gegenwärtig zwei Ausgänge. Der erste wäre, die Militärmacht heran zuziehen, um den Streik zu unterdrücken, wobei furchtbares Blutvergießen unvermeidlich erschien. Die zweite Mög lichkeit sei die, daß die durch den Streik der Eisenbahn beamten ohne Zufuhr gelassenen Städte, wie jetzt schon Moskau, durch Hunger getrieben, selbst über die Streiken- den herfallen, was noch mehr Blutvergießen nach sich ziehen würde. „Denken Sie daran", fügte Witte hinzu, „dadurch könnte wohl die Regierung stürzen, doch damit gehen auch Sie unter, die besten Kräfte des Volkes. Dann käme die Bourgeoisie ans Ruder, gegen die Sie kämpfen!" — Daraus sieht man, wie verzweifelt die Lage in Rutz land ist! Lokale» uno Saqstlq«. Dippoldiswalde. Die rauh« Winterszeit naht. Der Mensch kann sich durch Kleidung, durch Zuflucht in