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Iley» - ,, 5 Dcilagk M Weißeritz -Jeitmg. Nr. 114. Dienstag, den 3. Oktober 190S. . 71. Jahrgang. Zur neuen Friedenskonferenz im Haag. Der Kaiser von Rußland hat an alle Regierungen wiederum eine Einladung zu einer neuen Friedenskonferenz in der holländischen Residenzstadt Haag gesandt, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sie zustande kommen wird, denn alle Staaten haben ja das größte Interesse an der Erhaltung des Friedens. Freilich wird man sich aber auch fragen müssen, ob diese neue hauptsächlich von Ruß lands Friedensbedürfnis diktierte Friedenskonferenz selbst jemals eine große praktische Bedeutung für die Erhaltung des Friedens haben wird. Hat doch die erste vom russi schen Kaiser einberufene Konferenz ihre Probe sehr schlecht bestanden, sie hat England nicht abgehalten, mit gewaltigen Kriegsmitlein die Burenstaaten in Südafrika zu erobern, und noch weniger war die Friedenskonferenz in der Lage, Rußland vor dem furchtbaren Kriege mit Japan zu be wahren. Was soll man da von einer neuen Friedens konferenz große Hoffnungen hegen, wenn deren wirkliche Leistungen in der alten Verfassung gleich Null gewesen sind. Die besten Schutzmittel gegen den Krieg hat jede Negierung und jeder Staat meistens nur in seiner Politik, die aus Vorsicht, Friedensliebe und starker Kriegsbereit schaft zusammengesetzt sein muß, auf diese Weise reizt man den Gegner nicht zum Kriege und stößt ihm zugleich Respekt vor einem Angriffe ein. Praktisch betrachtet ruht also die Wahrung des Friedens in den Händen der leiten den Staatsmänner, der Tüchtigkeit des Heeres und der Opferwilligkeit der Volksvertretung. Sobald diese drei mächtigen Faktoren für den Frieden ihre Pflicht und Schuldigkeit nicht mehr tun oder nicht auszuführen ver mögen, entsteht gewöhnlich ein Krieg. Die russische Negie rung würde daher viel klüger handeln, die ungeheueren Fehler und Torheiten zu studieren, welche Rußland in den Krieg mit Japan brachten und die schrecklichen russi schen Niederlagen erzeugten. Rußland hatte tatsächlich vor sechs Jahren die ungeheuerliche politische Torheit oder Dummdreistigkeit begangen, sich in einem großen Teile des chinesischen Reiches mit einem kleinen Heere festzusetzen, angeblich nur um dort in der Mandschurei Ordnung gegen das Räuberunwesen zu schaffen und das Land dem Handel und Verkehr zu erschließen. Etwas wahres ist ja an diesem Bestreben Rußlands sicher gewesen, denn die Zustände in der Mandschurei waren ja für jeden Nachbarstaat gerade zu unerträglich geworden. Rußland hat aber keine Miene gemacht, seine eigentümliche Stellung in der Mandschurei völkerrechtlich zu klären, und sich mit Japan, dem nächsten Nebenbuhler in Ostasien, friedlich über den Handelsaus tausch uud die Verkehrsverhältnisse in der Mandschurei zu verständigen. Rußland spielte sogar den Oberhcrrn Ostasiens und wollte den Japanern den Handel und Ver kehr in der Mandschurei und wahrscheinlich auch später in Korea verbieten. Und diese große und anmaßende Haltung gedachte Rußland in Ostajien mit einen: kleinen Heere und etwa 20 Kriegsschiffen auf die Dauer gegen Japan durchzusetzen. Diese Anmaßung und Verblendung Rußlands mußte zu einem Kriege mit Japan sichren, denn während die Russen die Macht Japans zu Wasser und zu Lande osfenbar vollständig unterschätzten, halten die Japaner durch ihre Agenten und Spione in der Man dschurei und Port Arthur längst erfahren, daß die russi schen Kriegsmittel dort verhältnismäßig schwach und klein waren und daß Rußland große Schwierigkeiten haben würde, seine Heer- und Flottenkräfte dort wesentlich zu verstärken. Anmaßung und Schwäche bei Rußland und Schlauheit, Mut und große Kriegsmitiel bei den Japanern erzeugten also den Krieg, der für Rußland so verhägnis- voll geworden ist. Und meistens sind neben Freiheits kämpfen solche Verirrungen und Verblendungen die Kriegs- Ursachen, und die neue Friedenskonferenz sollte deshalb in ihren ersten Paragraphen eine ganze Anzahl politischer und militärischer Vorsichtsmaßregeln für die beteiligten Mächte enthalten. Die Anwendung solcher Klugheitsregeln liegt aber immer nur in den Händen der leitenden Staats männer, Kriegsminister und Generäle. Versäumen diese ihre hohen Pflichten oder stellen sie gar anmaßende Forde rungen neben ungenügenden militärischen Mitteln auf, so ist die Gefahr eines Kriegsausbruches immer vorhanden. Vom Standpunkte der politischen Moral bleibt es ja im hohen Maße schätzenswert, daß das Friedensbedürfnis der Großmächte in einer neuen Friedenskonferenz zum Aus druck gebracht werden soll, aber wie jeder Eigentümer sein Haus am besten selbst vor Feuer schützt, so kann auch jeder Staat sich nur selbst am besten vor dem Kriege schützen. ToHssgeschichts. — Zu den Ursachen des Aufstandes in Ostafrika äußert sich ein Privatbrief, den der „Neue Görlitzer An zeiger" abdruckt, wie folgt: „Die Ursachen sind in der un überwindlichen Abneigung der Eingeborenen gegen die ständige Heranziehung zu Arbeiten auf den Vaumwoll- pslanzungcn der Ansiedler und gegen den vom Bezirksamt ausgeübten Zwang zur Anlage von Baumwollschamben (Pflanzungen) zu suchen. Zudeni ist den Leuten, neben dem Steuerzahlen, welches allein sie gern täten, auch der Zwang zum Ausbau der Straßen und Wege lästig ge worden. Ferner sollen die Araber, welche die einzelnen Akidate (Gemeinden) verwalten, die Leute für ihre privaten Zwecke ausgenützt und die Ansiedler sollen lächerlich ge ringe Löhne gezahlt haben. Die Unzufriedenheit gegen die Verwaltung, die den Bogen etwas zu stark angespannt hat, wurde in den Matumbibergen (westlich von Kilwa) von dem Zauberer Bokera und seinen Gehilfen geschürt. Dieser gab den Leuten, die ihm aus weiter Entfernung, ja selbst aus Mahenge und Kilwa zuströmlcn, Wasser zum Trinken und Waschen und machte sie glauben, daß sie dadurch gegen die Kugeln der Europäer gefeit seien." — Die Stärke der Streitkräfte in Ostasicn, die sich zurzeit an Land besindcn, nachdem die aus der Heimat gesandten Verstärkungen eingetrosfen sind, ist folgende: Schutztruppe: 32 weiße, 5 schwarze Offiziere, 26 Ärzte, 22 Beamte, 125 weiße, 126 schwarze Unteroffiziere, 1342 Mann; Marine-Infanterie: 6 Offiziere, 10 Unteroffiziere, 160 Mann; seemännisches Personal: aus der Heimat ge sandt zur Ergänzung der „Bussard"-Besatzung: 2 Ossiziere, 4 Untewssiziere, 45 Matrosen, von: Kreuzer „Bussard" an Land gesetzt: 4 Ossiziele, 80 Man»; cs befinden sich also an Land zur Bekämpfung des Ausstandes 1938 Mann. Im Falle der Not können die anwesenden Kreuzer „Bussard", „Thetis" und „Seeadler" noch gut 200 Mann abgebe», so daß man zur Bewältigung der Unruhen immer rund 2150 Mann zur Versügung hat.