Volltext Seite (XML)
Mchentz-Mmg Anzeiger für Dippoldiswalde «nd Umgegend 71. Jahrgang Sonnabend, den 5. August 1905. Nr.8S. Amtsblatt für die Königliche AmtshaupLmannschast, das Königliche Amtsgericht und dm StadkaL zu Dippoldiswalde. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Felgte in Dippoldiswalde. Mit achtseitig«« „Jlwstrirrtsn UnterhaltnngedlatL^ Mit land- und hanswirtschaftlicho« »onats-Beilag«. Die ^Weibtritz-Ztitung' «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und Mird an den vorhergehen- lienAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. SS Pfg., zweimonatlich 44 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern SO Pfg. - Alle Poftan- galten, Postboten, sowie unsere Austräger nehmen Bestellungen an. Jnlerate, welche bri d« bedeutenden Auslage de« Blattes »ine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mtt 12 P^g., solch« aus unserer Amtshaupt- mannschaft mit 10 Pfg. die Spaltzelle oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und kompli zierte Inserate mit ent sprechendem Aufschlag. — Eingesandt, im redaktiv» nellen Teile, die Spalte»- zeile 20 Pfg. MU" Der amtliche Teil befindet sich heute in der 1. Beilage. "WM Der englische Flottenbesuch an der deutschen Ostseekilste. Die Londoner Ankündigung, das britische Kanal geschwader werde im Laufe der nächsten Wochen eine Uebungsfahrt nach der Ostsee antreten und hierbei auch mehrere deutsche Häfen anlaufen, wirbelt diesseits wie jenseits des Kanals viel Staub auf, wie zahlreiche Aus lassungen in der deutschen wie in der englischen Presse über diese britische Flottenfahrt erkennen lassen. In einem Teile der deutschen Blätter hat man hierbei England mehr oder weniger scharf angegriffen und ihm vorgeworsen, die Entsendung seines Kanalgeschwaders in die deutsche Ostsee bedeute unter den obwaltenden Umständen eine antideutsche Demonstration, was dann wiederum gereizte Entgegnungen seitens der englischen Blätter zur Folge hatte. Ob nun die englische Regierung den geeignetsten Zeitpunkt gewählt hat, ihre Kanalflotte zu Manöver zwecken in die Ostsee hinaus zu schicken, das ist allerdings eine Frage für sich, denn man darf nicht vergessen, daß schon seit geraumer Zeit eine gewisse leichte Spannung zwischen. Deutschland und England herrscht, die zunächst durch die antideutschen Hetzereien der Londoner „Jingo blätter" hervorgerufen worden ist, und welche dann noch weitere Nahrung durch das ungeschickte Verhalten von Vertretern der britischen Marineverwaltung erhalten hat, wie z. B. durch die bekannten gegen Deutschland ge richteten Drohreden des Zivillords im britischen Marine ministerium, Lee. Vielleicht hätte man da englischerseits wirklich besser getan, die Kanalflotte jetzt nicht nach den deutschen Ostseegestaden zu schicken, um so von vornherein den Vorwurf zu verhindern, es handele sich bei dem Unternehmen um eine drohende Demonstration des see- gewaltigen Albion gegenüber Deutschland und seiner auf strebenden Seemacht. Indessen, der englische Flotten besuch in der Ostsee ist nun einmal angesagt, und an den deutschen Behörden wie an der deutschen Bevölkerung ist es jetzt, unbefangen Stellung zu einem unvermeidlichen Faktum zu nehmen, indem man den erwarteten englischen Gästen einen höflichen, würdigen Empfang bereitet, wie anderseits auch erwartet werden darf, daß nunmehr in der deutschen Presse keinerlei Empfindlichkeit in der An gelegenheit dieser englischen Flottenfahrt mehr Raum ge geben wird. Für uns Deutsche wird eine solche Haltung wesentlich dadurch erleichtert, daß die englische Presse in zwischen begonnen hat, wieder einzulenken, dadurch, daß eine ganze Reihe Londoner Blätter versuchen, dem Flotten besuche in der Ostsee eine harmlose Deutung zu geben. So schreibt z. B. die „Times": Die Fahrt des Kanal geschwaders nach der Ostsee ist von der Admiralität schon seit mehreren Monaten beschlossen worden. Sie hat nichts Ungewöhnliches und Außerordentliches an sich und nicht mehr internationale Bedeutung als der vorjährige Besuch des deutschen Geschwaders in Portsmouth. Es handelt sich um eine reguläre Sommerkreuzfahrt. Und der „Daily Telegraph" bemerkt zu einem Artikel des „Reichsboten", in welchem gegen die englische Kreuzfahrt in der Ostsee protestiert und vorgeschlagen wird, letztere zu einem mme clausum, einem geschlossenen Meere zu machen: „Was die Bezugnahme auf ein Manöver der deutschen Flotte vor Portsmouth anbetrifft, so hat die deutsche Flotte nicht nur vor Portsmouth manövriert, sondern in den letzten Jahren zwei englische Flottenbasen, Berehaven und Plymouth, be sucht und vor dem erstgenannten Orte tatsächlich Ver messungen vorgenommen. Nicht einmal dagegen wurde Protest erhoben. Die englische Flotte hegte eine wohl begründete Bewunderung vor der deutschen Flotte, die in den ersten Jahren der Regierung des Kaisers verschiedent lich der geehrte Gast der englischen Nation in Portsmouth war." Gegen diese ruhige englische Auslegung der Sache läßt sich in der Tat nichts einwenden, und jo steht denn zu hoffen, daß der Ausflug des britischen Kanalgeschwaders nach den deutschen Ostseegewässern ohne Zwischenfall ver laufen und keinerlei Verwickelungen nach sich ziehen wird. In den Berliner Regierungskreisen ist man denn auch offenbar bestrebt, der angekündigtcn englischen Flottenfahrt einen auch politisch glatten Verlauf zu sichern, wie dies u. a. aus folgender hochosfiziöser Erklärung in der „Köln. Zeitung", die ihre Spitze zweifellos gegen den erwähnten Artikel im „Reichsboten" richtet, hervorgeht: „Es fällt in Deutschland keinem ernsthaften Politiker ein, die Ostsee in ein mare clsusum umwandeln zu wollen, zumal wir überhaupt nicht Herr der Zugänge aus der Nordsee sind und doch nur einen Teil der Küste besitzen. Wenn die englische Admiralität es für richtig hält, daß ihr Ge schwader eine Übungsfahrt in die Ostsee unternimmt, so ist das ihre Sache und niemand hat das Recht, dagegen Einspruch zu erheben. Die britische Flotte wird in den deutschen Häfen, die sie anläuft, mit der Höflichkeit emp fangen werden, die nach den Regeln des internationalen Verkehrs ihr zukommt." Mit dieser halbamtlichen deutschen Darlegung wird sich hoffentlich auch die öffentliche Meinung jenseits des Kanals zufrieden geben. Lokales «nd Sächsischer. Dippoldiswalde. Die Tage werden kürzer. Es ist im Laufe des Jahres häßlich eingerichtet, daß wir uns auf der Höhe desselben so rasch des Niederganges wieder bewußt werden müssen. Kaum, daß der Juni uns den Sommer und die Aussicht auf ein einigermaßen zuver lässig schönes Wetter gebracht, nehmen die Tage schon wieder ab. Erst nur ganz wenig und unmerklich, nur um Minutenteile,' aber die halben und ganzen Minuten summieren sich bald zu Viertel-, zu Halben und ganzen Stunden, und nicht lange währt es, da konstatieren wir, nicht ohne einen kleinen Seufzer: „Die Tage werden kürzer." Gegenwärtig beträgt die Tageslänge ca. 151/4 Stunden. Noch herrscht der Sommer in seiner vollen Pracht, und am Abend ist es bei schönem Wetter noch lange hell. Aber am Webstuhl der Zeit werden die Fäden der Tage immer kürzer verwebt — um die Mitte August ist die Tageslänge bis auf 141/2, am Schlüsse des Monats schon auf 131/2 Stunden gesunken —, und rapid neigt sich dann das Jahr dem Herbste zu. — Vom Reichspostamte ist dem zurzeit beim Postamt Leipzig-Plagwitz als Postpraktikant angestellten Herrn Her mann Joseph, einem geborenen Dippoldiswalder, Sohn des als Arzt früher hier tätig gewesenen vr. Joseph, die Leitung des hiesigen Postamtes vom 1. Oktober d. I. ab übertragen worden. — Theater „Im bunten Nock", ein Lustspiel ersten Ranges, ging am Mittwoch bei leidlich besetztem Hause über die Bretter. Sowohl das Stück selbst, als auch dessen vorzügliche Ausstattung und Aufführung hätten allerdings einen weit stärkeren Besuch verdient. Der Fabrikant Wiedebrecht war köstlich. Mit Meisterschaft wurden auch die Rollen der Missis Clarkson, des Leutnants v. Hohenegg, der Betty Hohenegg und des Assessors v. Gollwitz wieder gegeben, wie auch alle übrigen Auftretenden ihrer Auf gabe gerecht wurden. Besser hätte uns nur ein etwas jüngerer Sergeant Krause und an manchen Stellen vielleicht ein etwas lauteres Sprechen der Missis Clarkson gefallen. — Am Sonntag Nachmittag wird das amüsante Märchen „Hänsel und Gretel" gegeben. Abends 8 Uhr findet die schöne Operettenpossc „Der Stabstrompeter" statt. Mit diesem modernen schönen Gejangsstücke hatte die Di rektion stets guten Erfolg. Montag kommt die Direktion vielen Wünschen nach, indem die schöne Lustspiel-Novität „Im bunten Rock" noch einmal gegeben wird. In Schmiedeberg findet am Dienstag auch als Gast spiel der Direktion Zahn die Lustspiel-Novität „Im bunten Rock statt. — Im vergangenen Monat sind in hiesiger Stadt 139 Hotel- und 93 Herbergsfremde über Nacht geblieben. — Die Jagdkartenformulare auf das Jagdjahr 1905/06 sind aus Leinwand hergestellt und von hell brauner Farbe. — Man schreibt dem „P. A": Der auf dem Kamme des Erzgebirges über dem Teplitzer Tale gelegene Ort Sächsisch-Zinnwald wird nun durch das Zusammen wirken des sächsischen Landeskonsistoriums und des Gustav Adolf-Vereins in Bälde eine evangelische Kirche erhalten. Der Ort bildet mit Vöhmisch-Zinnwald einen Häuser- kompler, durch den die sächsich-österreichische Grenze führt. Die Gemeinde ist eine Erulanten-Gemeinde, in der noch heute die Nachkommen der im Jahre 1726 um ihres Glaubens willen aus den böhmischen Grenzorten Niklas- berg und Vöhmisch-Zinnwald vertriebenen evangelischen Vergmannsfamilien leben. Die Kirche, deren Bau durch den zuständigen Superintendenten Hempel-Dippoldiswalde gefördert wird, soll an der Straße Zwischen den neben einanderliegenden Orten Sächsisch-Zinnwald und Ge orgenfeld zu stehen kommen und im Jahre 1907 vollendet werden. Sie soll nicht nur eine Gedächtnis kirche für die Glaubenstreue der Vorväter sondern auch eine Dankes- und Sühnekirche zur Erinnerung an jene Bluttat von Bähmisch-Zinnwald, bei der harmlose evangelische Ausflügler am 22. September 1901 von römischen Katholiken überfallen wurden. Bekannt lich hat nur die Nähe der Grenze es damals den Pro testanten ermöglicht, sich und ihre brutal mißhandelten Frauen und Kinder der Wut des aufgehetzten Pöbels zu entziehen. Von diesseits der Grenze soll nun der Friedens- und Siegesklang evangelischer Glocken hinüberklingen nach jenem Orte, dem der Volksmund im Hinblick auf jene schmachvolle Tat den Namen „Römisch-Zinnwald" beige legt hat. Rabenau. Viel Interesse bringt Prinzessin Mathilde den Wanderungen der Schuljugend entgegen. Dies beweist unter anderem ihre Anteilnahme gelegentlich der dies jährigen Wanderung der ersten Knabenklasse der hiesigen Schule. Auf einem Spazierritte begriffen, begegnete die Prinzessin bei Pillnitz der strammen Wanderschar, fragte nach dem Wanderziele und war sichtlich erfreut, zu hören, daß die Knaben es sich zur Aufgabe gesetzt hatten, die Strecke Pillnitz—Lohmen—Bastei—Lilirnstein vollständig M Fuß zu durchwandern, wobei sie besonders betonte, daß doch diese beinahe achtstündige Wanderung eine außer- ordeniliche Marschleistung der Knaben bedeute. Herzlich wünschte sie darum den Knaben eine glückliche Reise. Die Begeisterung der Knaben über den gegebenen Beweis fürstlicher Leutseligkeit bildete sich aber am folgenden Tage zu herzlicher Verehrung um, als von der Prinzessin Ma thilde eine telegraphische Anfrage in Rabenau einlief, ob die Knaben ihr Ziel erreicht hätten und wann sie nach Hause gekommen seien. Mit freudigem Stolze beant worteten die Jungen die Anfrage und mit Liebe werden sie immer der freundlichen Worte gedenken. Possendorf. Infolge der fortwährenden Regengüsse ist ein Fortschreiten der Erntearbeiten recht erschwert worden. Wohl ist ein Teil des Roggens mit Mühe und Not unter Dach und Fach gebracht worden, der größere Teil steht jedoch noch in den Puppen. Alle Getreidearten haben nunmehr die Reife erlangt, und der Landmann wartet sehnlichst auf anhaltend sonnige Erntetage zu seiner sich nun in Fülle anhäufenden Arbeit. Hoffentlich ist nun recht bald gutes Wetter zu erwarten. Die Dampf-Dresch maschine ist hier und da auch schon in Tätigkeit getreten. Dresden. Die Einberufung des Sächsischen Land- tages wird im bevorstehenden Herbst zu einem früheren Termine erfolgen, als dies bei den bisherigen Sessionen üblich war. Es ist hierfür, wie verlautet, der 24. Oktober in Aussicht genommen. Bisher trat der Landtag immer erst im November zusammen und cs konnten infolgedessen bis zur Weihnachtszeit immer nur verhältnismäßig wenig Arbeiten erledigt werden, weil die Abgeordneten erst einige Zeit zur Durcharbeitung der ihnen mit der Eröffnung des Landtages zugehenden umfangreichen Vorlagen und Druck sachen brauchen. Um nun in diesem Jahre mit den eigent lichen Beratungen früher beginnen zu können, werden die Mitglieder der Ständekammern auch eher als sonst zu sammentreten. Die bevorstehende Session ist übrigens die letzte im alten Ständehause an der Landhausstraße, da bis zur Session 1908/1909 das neue Ständehaus am Schloßplatze fertig gestellt sein wird. — König Friedrich August hat am heutigen Freitag Vormittag mit seinen Kindern Seis verlassen und sich nach Reichenhall zum Besuche der Königin-Wittwe begeben. Sonntag früh 6^o wird die königl. Familie wieder in Dresden cintreffen und sich alsdann nach Moritzburg zu 2 wöchigem Aufenthalt begeben. — Im vormaligen Ministerialgebäude in der Seestraße werden jetzt größere bauliche Veränderungen vorgenommen. Die gesamten Parterreräume werden zu Geschäftsläden ausgebaut, und zwar in der Front der Secstraße zwei und nach der künftigen Ringstraße zu zu nächst 6, während später noch zwei weitere Läden in dieser Front angeschlossen werden sollen. Um die gegen die Straßcnfluchtlinie zurttcklretendc Hausfront jener an- zupasjen, werden nach der Ringstraße zu Vorbaue in