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sich nicht genug verwundern, wie die Gesellschaft dieses Mannes, dem der Leichtsinn auf dem Gesicht geschrieben stand, das stille, meist etwas düstere Wesen ihrer Freundin veränderte. Während der nun folgenden Tage war es unschwer zu erkennen, wie das Interesse von Fräulein von Binz zu Baron Hongry sich immer mehr vertiefte — sie ver säumte keine Gelegenheit mit ihn, zusammen zu sein, und auch er wich nicht von ihrer Seite. Der Baron war sehr elegant, sehr fein, sehr liebenswürdig und machte aller dings Gerta in fo auffallender Weise den Hof, daß es nicht zu verwundern war, wenn die Bevorzugte jeden Augenblick einen Antrag erwartete. Heute war eine Ruderfahrt geplant; man traf sich bei dem Pavillon am Strande. Frau von Rosey wollte die Jugend allein fahren lassen, da sie den starken Wind scheute. Margot, in einem einfachen, Hellen Waschkleid, Gerta in einer creme-farbigen Toilette mit hellblauen Bändern erschien der Freundin zu elegant für eine Boot- fahrl, doch liest sich Gerta auf diesem Gebiet nicht herein reden. Margot fühlte peinlich bas Bestreben des alternden Mädchen, sich für den Mann, den sie zu lieben schien, so jugendlich und hübsch wie möglich zu machen. Sie mutzte zugeben, dah Gerta wirklich sehr gut aussah: ihre volle, schmiegsame Gestalt trat in dem knapp anschließen den Kleide vorteilhaft hervor, ihr welliger dunkler Scheitel umgab das leicht gerötete feine Gesicht, ihre klugen Augen blickten freudig und erwartungsvoll in die Ferne — Fräulein von Rosey konnte sich eines unbehaglichen Ge fühls nicht erwehren bei dem Anblick der ihr so lieben, sympathischen Freundin, deren jetziges Wesen ihr unver ständlich blieb. Man wutzte doch so garnichts von dem Baron, wie wurde man immer gewarnt vor solchen Bade bekanntschaften, wenn er nun niit Gerta sein Spiel trieb, wenn er sich über sie lustig machte — mitunter glaubte Margot solch' malitöses Lächeln auf seinem Gesicht zu be merken — aber alle diesbezüglichen Einwendungen oder Ermahnungen zur Vorsicht praltzen an Gertas Worten: „Er hat mir sein ganzes Leben erzählt, ich will nichts weiter über ihn wissen" — wirkungslos ab. In der Stille aber hatte die treue Freundin Schritte getan, um Gewitzheit über die Persönlichkeit dieses Mannes zu erlangen. Inzwischen langte der Varon an, in einem Hellen, eleganten Strandanzug, den weißen Filzhut auf das lockige Haar gedrückt, schneidig und schön wie immer — das mußte man ihm lassen. Er trug einige Rosen in der Hand, von denen er die schönsten auswählte, um sie Gerta zu geben. Margot beobachtete die beiden, wie sie einander tief in die Augen blickten — ein Blick voll Be gehrlichkeit auf der einen — voll tiefer heißer Liebe auf der andern Seite: Gerta errötete tief und senkte ihr Antlitz auf die Blumen nieder. Warum empfand Margot solch' tiefes Mitleid in diesem Augenblick mit der Freundin? Die Drei schritten der Brücke zu und wählten eins der kleinen Ruderboote. Thiessow und Dirk standen wie gewöhnlich an ihren Posten. „Keik ens," sagte er dem Genossen einen Rippenstoß versetzend, „die twe heb' ik oll lang schon beglürt, dat durt nich lang', da geit die mit'n gräunen Myrtenkranz in't Hoor un im'n langes siden Brutkled." „Js man'n bildsauber Dern, 'n bisken nich ganz jong — äwers —" Dirk zwinkerte mit den Augen — „de Sacken vuller Gold." „Den Düwel ok — Geld und Eaud! De Kill gefallt mi nit, dat jis ener, die Wiew un Fründ hinnergaht!" und Thiessow spuckte aus. Thiessow war ein stiller aber scharfer Beobachter, wo mochte er wohl seine Kenntnis hernchmen? Mit diesen Gedanken beschäftigte sich Fräulein von Rosey, die Ohren zeugin dieses Gespräches geworden war, während der Baron und Gerta mit dem Besitzer des Nachens unter handelt hatten. Als alljährliche Besucherin von Göhren kannte Margot die Mönchsguter Schiffer so ziemlich alle und war gut Freund mit ihnen. Bon der Ruderfahrt heimgekehrt, beschloß sie Thiessow auszuforschen, denn das Schicksal ihrer Freundin brannte ihr auf der Seele. „Ik weit wat ik weit, Fröle," gab der Mann auf ihr vorsichtiges Fragen zurück, und als sie ihn dringend bat sich näher auszusprechen, erzählte er endlich in seiner kurzen Scemannsart: „De Kirl is ener von den Schlechten, wissen's Fröle; wenn wir Mönchgauter um'n Dirn frei'n, gaut, dun keken wir uns nich na ne andre üm, mag ümmers bei de Stadtleit Mode sein; äwers die Kirl! Hot min Fru en Magd, en schmucke Dirn, die ehr Sak verstaht, arbeit'n dut s' wie son Kirl, srhr tausreden sin wir mit ehr. Kum' ik gistern abend up min Hof und schlender so ums Hus rüm, wat sihn min Ogen? ganz hinner in'm Eck' gedruckt stiht da die Kirl, de se'n Varon nennen — un Hot min Mät'n in Orm, unse Minen, die ümmers son brav Dirn was un drukt se un küßt se wien'n Verrückter. Dat durte nich lang', Fröle, dünn Hot ik die Kirl von min' Hof runerjogt — son Slechter! un an Tage kekt hei die ordre mit Ogen an so füerrig, as wenn j' brennen ded'n. Js dat nu nich sträflich Daun un Laten!" Fest entschlossen, Gerta noch einmal die Augen zu öffnen, eilte Margot nach diesem Gespräch heim; doch alle Vorsätze erstorben auf ihren Lippen, als Gerta auf sie zu eilte, sie in ihre Arme schloß und ausrief: „O Margot, ich bin so glücklich, wie noch nie im Leben! O Du weißt nicht, was ich früher gelitten habe, wie ich betrogen worden bin, sodaß ich glaubte, nie wieder froh werden zu können! Aber jetzt — o Margot, wie liebe ich diesen Mann! Und wie er heute zu mir gesprochen hat, so lieb, so innig! O bald, bald muß das entscheidende Wort fallen!" Sollte sie wirklich diesem armen Herzen in dieser Stunde seine Illusion rauben? Sie vermochte es nicht. Der folgende Morgen sollte Margott noch näher ans Ziel bringen; es lief ein kurzer Brief aus Wien ein: „Ein Baron Hongry lebte vor Jahren hier, war Offizier, mußte den Abschied nehmen wegen eines sträflichen Verhältnisses mit der Frau eines Kameraden; auch sollten seine Ver mögensverhältnisse total zerrüttet sein. Er verheiratete sich vor zirka 6 Jahren mit einer Schauspielerin und soll in der Nähe von Wien leben. In der Gesellschaft spricht man natürlich nicht mehr von ihm." Das war genug! Baren Hongry verheiratet! Wenn er Witwer war, warum sprach er nicht von seiner Ehe? Ein furchtbarer Verdacht stieg in Margot auf. Sie eilte fort, um Gerta einzuholen — jedoch vergeblich! Der Brief brannte in ihrer Tasche, und doch wollte sich keine Eclegenheil bieten, die Freundin zu unterrichten. Sie ver tröstete sich auf den Abend und mußte sich zu den andern gesellen, die scherzend und heiße, sehnsüchtige Blicke aus tauschend, zur Brücke schlenderten, um den Dampfer zu erwarten. Baron Hongry und Fräulein von Binz belustigten sich über die Ankommenden. „Sehen Sie 'mal, Varon, diese komisch aufgeputzte Blondine, die dort aussteigt, mit den, reizenden Knaben an der Hand!" rief Gerta lachend. Des Barons Augen richteten sich auf den bezeichneten Punkt, aber im gleichen Moment färbte sich sein Gesicht erdfahl, förmlich grünlich wurden seine verzerrten Züge. — Zu gleicher Zeit geschah etwas schreckliches. Die eben verspottete Dame stürzte auf Hongry zu und hing sich an seinen Hals. „Gustav, mein teurer Mann! habe ich Dich endlich wieder!" „Papa, Papa!" jubelte der Knabe. Ein Laut — ein ächzender, stöhnender Laut, nur denen in unmittelbarer Nähe Befindlichen vernehmbar, wurde laut — eine kurze Verwirrung — „Eine Dame wurde ohnmächtig, wohl von der Hitze! Ein Fischer brachte sie fort," sagte ein Vorübergehender. Thiessows scharfe Augen hatten alles gesehen. Zur rechten Zeit griff er die Taumelnde auf, durchteilte mit kräftigem Arm die Menschenmenge und trug die Unglück liche in den nahen Wald. „So'n arm lütt Mensch! Ik heb' ümmers segt, dat das en von de Schlechten war." Vermischtes. " Ein schwäbischer Dorftyrann. Zu welchen drolligen Einfällen einen echt schwäbischen Schulzen das Gefühl seiner Macht, das ihm aus seiner „Lebenslänglichkeit" zu strömt, zu führen vermag, beweist folgende gut beglaubigte Geschichte aus Z. Der Schultheiß hatte aus einer ganz geringfügigen Veranlassung Streit mit seiner verheirateten Schwester. Die Schwester schien in der Hitze des Gefechts den ihrem Schulzen-Bruder gebührenden Respekt ganz und gar zu vergessen, sie »erstieg sich sogar dazu, dem würde vollen Ortsoberhaupt eine recht drastische Standrede zu halten. Tief entrüstet über solch despektierliches Verhalten stürmt der Gemeindegewaltige auf das Rathaus und gibt hier deni Amtsdicner Befehl, die Schwester auf der Stelle vor das Tribunal zu zitieren. Die Gerufene erscheint denn auch sofort in der Residenz des gestrengen Bruders. Ihr kommt die Sache zu komisch vor, als daß sie sich ernst zu halten vermochte. Nicht so der „Lebenslängliche". In seiner ganzen Würde richtet der sich in die Höhe, von oben herunter mustert er die Schwester, mit „Sie" redet er sie an. Er redet nur weniges mit ihr, aber „wovon er spricht, ist Schrecken". „Sie sind verhaftet", erklärt er ihr, „Sie werden sofort in den Arrest abgeführt werden!" Jetzt wurde der Schwester die Geschichte denn doch zu bunt. Sie erlaubt sich, den Herrn Bruder daran zu er innern, daß sie augenblicklich den Arrest nicht antreten könne, da ihr Ehemann verreist sei und sie daheim ihr krankes Kind habe. Sie müsse sich zum mindesten das Recht ausbitten, vorher eine Person zu ihrer Stellvertretung mit den häuslichen Geschäften zu beauftragen. Allein das half der Ärmsten nichts. Sie wurde abgeführt, und als sie sich sträubte, legte der Herr Bruder sogar selbst Hand an sie und führte sie hinter Schloß und Riegel. Zum Glück kam der Ehemann der Verhafteten bald nachher heim, erfuhr den Vorgang, telegraphierte ans Oberamt und erwirkte durch dieses den Befehl zur sofortigen Frei lassung seiner Frau. * Die Sittlichkeit in Hoboken. In Hoboken, der New Port gegenüber liegenden Hafenstadt, ist zur Hebung der Sittlichkeit ein Gesetz erlassen worden, wonach alle Mäd chen abends nach 10 Uhr auf der Straße von ihrem Vater oder ihrer Mutter oder einer dazu bestimmten Per son begleitet sein müssen. Das Gesetz verdankt seine Ent stehung einem Einfall der Frau Karoline B. Alexander, der Angehörigen einer in Hoboken lebenden Millionärs- familie, und der Bürgermeister hat ihr versprochen, das Gesetz auch durchzuführen. Jedes Mädchen in Hoboken, einerlei, ob reich oder arm, jetzt sich jetzt der Gefahr aus, festgenonnnen zu werden, falls es nach 10 Uhr abends sich ohne die erwähnte Begleitung aus der Straße zeigt. Die ganze Komik dieses Gesetzes ist jetzt zu tage getreten, da die Polizisten nicht wissen, wie sie die 5000 Fabrik mädchen behandeln sollen, die in Hoboken sich von den Anstrengungen ihrer Arbeit dadurch erholen, daß sie die halbe Nacht durchtanzen, natürlich ohne den Vorschriften des Gesetzes entsprechend begleitet zu sein. * Ein Musketier, der beständig in Geldverlegenheit war, suchte auf die raffinierteste Weise von zu Hause Mammon zu bekommen. Da er mit seinen gütlichen Vorschlägen nichts ausrichtete, verfiel er auf ein anderes Mittel: Kurz vor Weihnachten erhielten seine Eltern einen Brief, der anfing: „Liebe Eltern! Der Hauptzweck meines heutigen Brieses ist, Euch um 30 Mk. zu bitten. Denn auf unserem letzten größeren Marsche verlor ich den „Sek tionsabstand", für den ich verantwortlich war." Sparkasse zu Reinhardtsgrimma. Nächster Lkpedition-tag: Sonnabend, den 24. Juni, nachmittag 2—5 Uhr. HerÄivber Senk. Für die vielen Beweise liebevoller Teil nahme beim Tode und Begräbnisse unsres innigstgeliebten Gatten und Vaters Paul Munzel sagen wir hierdurch allen lieben Verwandten und Freunden von nah und fern unseren herzlichsten Dank. Reinholdshain, den 20. Juni 1905. Viv tisttrauornäen Mutorlaasonsu. Nachdem es uns vergönnt war, das Fest der Silberhochzeit zu feiern, ist cs unser Herzensbedürfnis, dem geehrten Gesangver ein für das Morgenständchen, unsern lieben Kindern, Verwandten, Freunden und Be kannten für die schönen Geschenke und Gratulationen unsern herzlichsten Taut auszusprechen. Die uns bewiesene Liebe und Freundschaft wird uns unvergeßlich bleiben. Ruppendorf, den 17. Juni 1905. Hermann Bormann und Frau. Lsküne Violinung in meiner Villa Technikum-Allee Nr. 38, I. Etage, bestehend in 5 Zimmern, Mädchen kammer, Küche und Zubehör an ruhige Leute ? zu vermieten und 1. Oktober zu beziehen. > Dippoldiswalde. L K6. Mvnckv. ' MU" Vorzüglichen Baufand hat stets jedes Quantum billigst abzugebcn iLimerl, Holzstoffabriken, MeäsrovkIottMtr. kotste-sHe 3Ivv ist zu vermieten und Michaeli zu beziehen. Mk" Aeltere Frau sucht leichtere Be schäftigung in Dippoldiswalde oder Um gebung. Eefl. Offerten an Frau Schieß, Dresden-A., Mathildenstraße Nr. 32, IV. links. Ein Groszknecht wird bei hohen, Lohn zum möglichst sofortigen Antritt nach Reik bei Dresden gesucht. Näheres bei Carl Nitzsche, Niemermeister. Suche: Viele Hausmädchen zum Gäste bedienen. Frau Rehn, Stellenvermittlerin, Rabenau. lernen, kann sofort oder I. Juli d. I. in Lehre treten bei Frl. Kamilla Schwenke, Oberfrauendorf. Suche für sofort oder später 800 Mark auf 2. Hypothek innerhalb Vrandkasse. 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