Volltext Seite (XML)
PeilM Mr Metzerih -IM«-. Nr. 58. Dienstag, den 23. Mai 1905. 71. Jahrgang. Japans Geldklemme. Gegenüber den riesigen Eeldau-gaben, welche der nun über 15 Monate dauernde russisch-japanische Krieg ver ursacht, mutz man fragen: Woher nimmt das wirtschaft lich immerhin noch wenig entwickelte Japan die riesigen Summen der Kriegslasten? Zunächst mutz allerdings be achtet werden, datz verschiedene Umstände den Japanern die Kriegsführung erleichterten. Sie hatten aus der 630 Millionen Marl betragenden chinesischen Kriegskostenent- schädigung vom Jahre 1895 wohl noch über 100 Mill, zur Kriegsführung in Reserve. Ferner ist der japanische Soldat mit sehr geringen Kosten zu erhalten, da er vor zugsweise Reis itzt und für Getränle und Tabak wenig ausgibt. Auch fand Japan bei seinen guten Freunden England und Amerika einigen Kredit. Immerhin sitzt aber Japan schon seit einigen Monaten in der Geld klemme, und der japanische Finanzminister macht die ge wagtesten Experimente, um die leeren Kassen zu füllen. Bald borgt der Finanzminister mit sanfter Gewalt Geld bei den Banken und Großkaufleuten in Tokio, bald zieht er die Zoll- und Steuerschraube an, bald macht er innere Zwangsanleihcn und dann versucht er wieder Anleihen im Auslande zu machen. Japan hat im vorigen Jahre zwei auswärtige Anleihen ausgenommen und drei innere. Eine vierte innere und wohl auch eine dritte äutzere sind in Vorbereitung. Das kleine Land hat fieberhaft alles Geld an sich herangezogen, dessen es nur habhaft werden konnte, uni den schweren Kampf gegen den Feind zu be stehen. Aber es ist bei dieser Gelegenheit auch klar ge worden, wie schwer es für Japan ist, Geld zu erhalten. Schon die erste Anleihe, die am 7. Mat 1904 in London abgeschlossen wurde, brachte eine starke Enttäuschung. Die hundert Millionen Mn sollten erst in zwei Raten geliefert werden. Es gelang indessen dem Vizegouverneur der Rippon Ginko, Takahashi, der damals in London die Verhandlungen leitete und jetzt wieder nach London unterwegs ist, die sofortige Zahlung der ganzen Summe durchzusetzen. Amerikanische Banken wurden zur Hilse herangezogen. Indessen der Kours war nur 931/2 und die Zölle mutzten i als Sicherheit dasür verpfändet werden. Japan hat nicht ! viel davon, denn 87 Millionen mutzten, wie man später erfuhr, zur Tilgung gewisser kurzfristiger Darlehen ver wendet werden. Und das war unter dem frischen Ein druck der Schlacht am Valn geschehen. Noch schlimmer wurde es bei der zweiten auswärtigen Anleihe, die im Oktober zustande kam. Die lange erfolglose Belagerung von Port Arthur, der unbefriedigende Sieg von Liaujang und das Auslaufen der baltischen Flotte hatte die Lust, den Japanern zu borgen, bei den Engländern noch mehr abgeschwächt. Schließlich kam nach vielen Mühen die An leihe zustande, 120 Millionen Pen zu 6 Proz. und aus gegeben zu einem tatsächlichen Kourse von 86^/4, was einer wirklichen Verzinsung mit 8 Proz. gleichkommt. Wieder wurden die Zölle in Anspruch genommen, und die Rückzahlung wurde in sieben Jahren ausbedungen. Die Japaner konnten ihre Mitzstimmnng und Enttäuschung nicht verhehlen. Desto grötzere Erfolge wiesen die inneren Anleihen auf. Sie winden immer zwei- bis dreifach über zeichnet. Die Japaner sind grotze Patrioten, und das Geld spielt bei ihnen keine zu grotze Rolle. Aber es kommt durch die inneren Anleihen lediglich das im Lande kursierende Papier- und Silbergeld zusammen, mit dem Japan nur Einkäufe im Lande selbst machen kann. Für Einkäufe im Auslande, Cardiffkohlen,Sprengstoffe, Kanonen, Lokomotiven, Schiffe mutz in Gold gezahlt werden. Die Reserven der Bank von Japan werden angegriffen, und die äußeren Anleihen sollen Helsen. Aber diese Hilfe hat ihre Grenzen und Japan hat schließlich kein Geld mehr zur Kriegsführung. Sächsisches — Erlaß über Mädchenturnen. Am 20. März dieses Jahres erschien ein Erlaß des preußischen Kultus- minijters vr. Studt über Einführung und Förderung des Mädchenturnens in allen Volksschulen, darin es z. B. über die Turnkleidung heißt: „Unter Bezugnahme auf die in den Lehrplänen vom 31. Mai 1894 über den Anzug der Schülerinnen gegebene Anord nung weise ich wiederholt auf die schwere gesundheitliche Schädi gung hin, welche dem sich entwickelnden weiblichen Körper durch einschnürende Kleidung zugefügt wird. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Zweck des Turnunterrichts bei solchen , Schülerinnen, welche im Korsett turnen, nicht erreicht werden kann, da cs die ausgiebige und wirkungsvolle Ausführung der wichtigsten Übungen, insonderheit auch derjenigen Aampfübungen hindert, welche der Gesundheit besonders dienlich sind und eine freie, aufrechte, schöne Körperhaltung fördern. Das Tragen ein- schnürender Kleidung beim Turnen ist daher nicht zu dulden." Es ist hocherfreulich, daß hier von so einfluhreicher Stelle gegen diese verwerfliche Unsitte Maßnahmen er griffen werden. Einsichtige wünschen vielleicht im stillen ein ähnliches Verbot auch für die späteren Alter, da gegen diese — Modetorheit oft anscheinend auch niit „Hellen, klaren Gründen" nicht anzukämpfen ist. In Leipzig hat übrigens der Schulausschuß bereits im Vorjahre einen entsprechenden Aufruf an die Mütter der Volksschülerinnen verteilen lassen und durch belehrende Vorträge und ge eignete Vorführungen Besserung erstrebt und auch in er freulichem Maße erzielt. — Im Königreich Sachsen trat vom I. bis 15. Mai der Milzbrand in 21 und der Rauschbrand in 4 Gehöften, sowie die Tollwut in 3 Ortschaften auf. — In der Amts hauptmannschaft Dippoldiswalde war es der Milzbrand, dessen Auftreten in einem Gehöfte von Börnersdorf fcft- zustellen war. — Als am Dienstag vormittag zwei von Großenhain kommende Radfahrer den Bohnitzscher Berg bei Zscheila herabfuhren, wurden sie von dem gerade stark einsetzenden Winde im Rücken gefaßt und mit rasender Schnelligkeit den ziemlich steilen und langen Berg heruntergemeben. Bei dem Versuche des vordersten Fahrers, sein Rad zu bremsen, überschlug sich dasselbe, sodaß er kopfüber ans dem Sattel geschleudert und von seinem ihm folgenden Kameraden, der nun auch zum Stürzen kam, überfahren wurde. Während indes der erstere ziemlich unverletzt davon- kam, erlitt der zweite eine starke Verstauchung einer Hand. — Von einer „Jagd nach der Rente" berichtet man aus Chemnitz: Eine landwirtschaftliche Arbeiterin hatte sich im November 1902 den Fuß vertreten. Sie erhielt eine 33i/z prozentige Unfallrente als Entschädigung für die durch den Unfall herbeigeführte Beschränkung der Er werbsunfähigkeit. Jetzt war die Rente auf 20 Prozent herabgesetzt worden. Dagegen hatte sie Berufung einge-